eJournals Kodikas/Code 36/3-4

Kodikas/Code
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
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In seiner artgeschichtlichen Erklärung der Entstehung des menschlichen Denkens und der menschlichen Kommunikation betont Michael Tomasello soziale und kulturelle Phänomene mit der Zeit in immer stärkerem Maße. Doch ruht alle Sozialität bei Tomasello von jeher auf einem kognitiven Fundament. Dies zu zeigen, widmet sich der vorliegende Artikel unterschiedlichen Ebenen des Ansatzes. Dabei wird zugleich ersichtlich, dass Tomasello seiner heftigen Kritik an nativistischen Modultheorien zuwider selbst von angeborenen 'Modulen' kognitiver Art ausgeht.
2013
363-4

Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie?

2013
Rafael Mollenhauer
Michael Tomasello (*1950) Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? Zu den kognitionstheoretischen Grundlagen der Forschung Michael Tomasellos Rafael Mollenhauer Zusammenfassung: In seiner artgeschichtlichen Erklärung der Entstehung des menschlichen Denkens und der menschlichen Kommunikation betont Michael Tomasello soziale und kulturelle Phänomene mit der Zeit in immer stärkerem Maße. Doch ruht alle Sozialität bei Tomasello von jeher auf einem kognitiven Fundament. Dies zu zeigen, widmet sich der vorliegende Artikel unterschiedlichen Ebenen des Ansatzes. Dabei wird zugleich ersichtlich, dass Tomasello seiner heftigen Kritik an nativistischen Modultheorien zuwider selbst von angeborenen ‘Modulen’ kognitiver Art ausgeht. Abstract: In his species-historical explanation of the origins of human cognition and human communication, Michael Tomasello increasingly emphasizes social and cultural phenomena. However, all sociality in Tomasello’s research all along rests on a cognitive basement. To illustrate this, the present article attends to different levels of the approach. Thereby, it becomes obvious that despite his critical review of nativism and modularism Tomasello himself assumes innate ‘modules’ of cognition. K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 36 (2013) No. 3 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen Rafael Mollenhauer 340 1 Im Original: The Cultural Origins of Human Cognition (1999), ausgezeichnet mit dem William James Book Award. I Der Jean-Nicod-Preis, der Hegel-Preis, der Oswald-Külpe-Preis - an Auszeichnungen mangelt es Michael Tomasello wahrlich nicht. Seine Arbeiten zur artgeschichtlichen Erklärung der Entstehung des menschlichen Denkens und der menschlichen Kommunikation sind überaus präsent und erfahren eine hohe Wertschätzung im wissenschaftlichen Diskurs. Im Vordergrund stehen dabei Schlagwörter wie Kooperativität, Altruismus und geteilte Intentionalität, die allesamt die soziale Natur des Menschen verdeutlichen sollen. Im Rahmen einer im Frühjahr 2013 am Max-Weber-Institut für Soziologie der Universität Heidelberg abgehaltenen Tagung wurde gar über die Möglichkeiten diskutiert, die Tomasello der aktuellen soziologischen Theoriebildung eröffnet - weitgehend unkritisch und von Bewunderung getragen. Demgegenüber soll der vorliegende Artikel aufzeigen, dass Tomasellos Ansatz aller Betonung sozialer und kultureller Phänomene zum Trotz auf einem kognitionswissenschaftlichen Fundament ruht und dabei sogar Züge der von Tomasello (1990, 1995, 2002) selbst so stark kritisierten nativistischen Modultheorien aufweist. Der Fokus liegt dabei auf Tomasellos früherer Forschung und dem preisgekrönten Werk Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens (2002) 1 , das sich eine Erklärung der Entstehung des menschlichen Geistes unter Berücksichtigung von phylogenetischen, ontogenetischen und historischen Prozessen zum Ziel setzt. In diesem Werk und den ihm zugrundeliegenden theoretischen und methodologischen Überlegungen nämlich tritt das in Tomasellos Ansatz bis heute enthaltene kognitionswissenschaftliche und ‘modultheoretische’ Gedankengut besonders deutlich hervor. Um es zu identifizieren, wird zunächst eine kurze Darstellung der Kerngedanken Tomasellos damaliger Theorie gegeben (II). Darauf aufbauend folgt die Auseinandersetzung mit drei Aspekten, die Eingang in diese Theorie finden und zugleich einen Einblick in Tomasellos Arbeitsweise und seine theoretisch-methodologischen Überlegungen ermöglichen: die stetige Suche nach der entscheidenden, den menschlichen Geist begründenden kognitiven Anpassung (III); die Orientierung an den Arbeiten Jean Piagets (IV); und die Argumentation für die Kognitive Linguistik (V). Anschließend wird Tomasellos Umgang mit den Aspekten Kognition und Modularität noch einmal mit Blick auf die übergeordnete Theorieebene untersucht (VI), bevor schließlich zu rechtfertigen sein wird, dass die gewonnenen Erkenntnisse auch Tomasellos aktuelle Forschung betreffen und zudem Konsequenzen für seinen Anspruch einer artgeschichtlichen Erklärung der Entstehung menschlichen Denkens und menschlicher Kommunikation mit sich bringen (VII). II Ausgangspunkt der Überlegungen in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens ist die evolutionär gesehen sehr kurze Zeitspanne, die den Menschen von Menschenaffen unterscheidet. Aus Tomasellos Sicht stand […] einfach nicht genügend Zeit für normale biologische Evolutionsprozesse […] zur Verfügung, um Schritt für Schritt jede der kognitiven Fertigkeiten zu erzeugen, die es modernen Menschen ermöglichen, komplexe Werkzeuggebräuche und Technologien, komplexe Formen Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 341 der Kommunikation und Repräsentation durch Symbole und komplexe Formen gesellschaftlicher Organisationen und Institutionen zu erfinden und aufrechtzuerhalten (Tomasello 2002: 13). Die Lösung dieses zeitlichen Problems sieht Tomasello in kultureller Weitergabe, die auf einer deutlich schnelleren Zeitskala operiere und beim Menschen in Form der so genannten kumulativen kulturellen Evolution in einzigartiger Weise gegeben sei. Die komplexesten sozialen Praktiken und Artefakte des Menschen seien zunächst in primitiver Form erfunden und dann von späteren Benutzern verbessert worden, statt zu einem Zeitpunkt ein für allemal erfunden worden zu sein (cf. Tomasello 2002: 14-15). Neben Erfindungsgabe (die Tomasello auch nichtmenschlichen Primaten zuspricht) erfordere dieser auch Wagenhebereffekt (ratchet effect) genannte Prozess eine zuverlässige soziale Weitergabe, die im einzigartig menschlichen kulturellen Lernen gegeben sei (cf. auch Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993). Imitationslernen, Lernen durch Unterricht und Lernen durch Zusammenarbeit als Grundformen kulturellen Lernens führt Tomasello ihrerseits auf eine biologische Anpassung kognitiver Art zurück: Diese drei Typen kulturellen Lernens werden durch eine einzige besondere Form sozialer Kognition ermöglicht, nämlich durch die Fähigkeit einzelner Organismen, ihre Artgenossen als ihnen ähnliche Wesen zu verstehen, die ein intentionales und geistiges Leben haben wie sie selbst. Dieses Verständnis ermöglicht es ihnen, sich in die geistige Welt einer anderen Person hineinzuversetzen, so dass sie nicht nur vom anderen, sondern auch durch den anderen lernen können. Diese Auffassung anderer als intentionale Wesen, die einem selbst ähnlich sind, ist entscheidend für das kulturelle Lernen des Menschen (Tomasello 2002: 15) (Hervorh. im Original). In Tomasellos Szenario entwickelten Menschen demnach zunächst eine einzigartige Form sozialer Kognition: das Verstehen anderer als intentionale Akteure. Dieses wiederum gründet auf einer biologischen Anpassung, die Tomasello als die Identifikation mit anderen oder die Auffassung von anderen als mir ähnlich bezeichnet (cf. Tomasello 2002: 89). Erst auf dieser phylogenetischen Grundlage würden in einem historischen Zeitraum kulturelles Lernen, Prozesse der Soziogenese und eine kumulative kulturelle Evolution ermöglicht. Die besonderen kognitiven Fertigkeiten des Menschen seien (abgesehen vom grundlegenden Verstehen anderer als intentionale Akteure) keinesfalls aus dem Nichts entstanden, sondern gründeten auf bereits bei nichtmenschlichen Primaten bestehenden kognitiven Fertigkeiten, die mit Hilfe des gesteigerten Verstehens von Intentionalität “in neue, kulturell basierte Fertigkeiten mit einer sozial-kollektiven Dimension” (Tomasello 2002: 17) transformiert würden. Vollständig verstehen könne man die Entstehung des spezifisch menschlichen Denkens indes nur unter zusätzlicher Berücksichtigung ontogenetischer Prozesse. So könnten Kinder ab einem Alter von etwa 9 Monaten am kognitiven Kollektiv partizipieren, indem sie ihre Aufmerksamkeit gemeinsam mit anderen Individuen auf etwas lenken (joint attention) und von ihnen durch Imitation lernen. Diese neu auftretenden Tätigkeiten seien nichts anderes als “die ontogenetische Manifestation der einzigartigen sozio-kognitiven Anpassung des Menschen für die Identifikation mit anderen, wodurch diese als intentionale Wesen wie das eigene Selbst verstanden werden” (Tomasello 2002: 17-18). Der Zeitpunkt dieser Neunmonatsrevolution wird damit erklärt, dass neben der angeborenen Identifikation mit anderen ein zweiter Faktor essentiell für das Verstehen anderer als intentionale Akteure sei: Das Verstehen der eigenen Intentionen nämlich komme genau in diesem Alter zum Vorschein und erlaube gepaart mit einer Auffassung anderer Personen als mir ähnlich kurz darauf auch das Rafael Mollenhauer 342 2 Wenn der Anspruch dieses Artikels auch allein im Herausarbeiten der kognitionswissenschaftlich-‘modultheoretischen’ Wurzeln des Tomaselloschen Ansatzes besteht, so wird dieses Ziel ja nicht ohne Grund verfolgt, sondern vielmehr vor dem Hintergrund einer in weiterer Forschungsarbeit zu begründenden Annahme: dass ein solches Fundament nämlich ungeeignet ist, die Genese des menschlichen Geistes und spezifisch menschlicher Formen der Interaktion zu erklären (s. unten). Verstehen der Intentionen anderer Personen (cf. Tomasello 2002: 89). Erst aufbauend auf einer solchen Auffassung anderer als intentionale (oder geistbegabte) Wesen könne das Kind in die Welt der Kultur eindringen. Es eröffneten sich nun einzigartige Formen kognitiver Repräsentationen. Kulturelles Lernen werde genutzt, um sprachliche und andere kommunikative Symbole zu erwerben. Die Hypothese Tomasellos damaliger Forschung besagt also, dass die artspezifischen kognitiven Leistungen des Menschen nicht direkt auf biologische Vererbung zurückgehen, sondern stattdessen aus einer Vielzahl ineinander verzahnter historischer und ontogenetischer Prozesse resultieren, die ihrerseits auf eine biologisch vererbte kognitive Struktur zurückgehen. Eben diese Fähigkeit unterscheide den Menschen in kognitiver Hinsicht von allen anderen Lebewesen inklusive nichtmenschlicher Primaten (cf. Tomasello 2002: 25). III Es ist demnach eine angeborene kognitive Fähigkeit, die in Tomasellos (damaligem) Ansatz die Grundlage der Entstehung des menschlichen Denkens bildet. Wie Tomasello zu der Annahme gelangt, gerade das Verstehen anderer als intentionale Akteure zeichne in der oben skizzierten Form für alle Spezifika des menschlichen Denkens verantwortlich, soll im Folgenden nachgezeichnet werden, wobei durchaus beabsichtigt auch Widersprüche offengelegt werden. 2 Schon sehr früh ist Tomasellos Arbeit seinem entwicklungspsychologischen Hintergrund entsprechend von der Idee geleitet, entscheidende, den menschlichen Geist begründende kognitive Fähigkeiten identifizieren zu wollen. Von vornherein scheint dabei klar zu sein, dass die Kognition die Grundlage aller weiteren Überlegungen darstellen und als Ausgangspunkt der artgeschichtlichen Erklärung menschlichen Denkens dienen muss. Schnell stellt sich somit die Frage, woher diese kognitiven Fähigkeiten überhaupt kommen - ihre Angeborenheit anzunehmen, ist eine Möglichkeit, die Tomasello schon früh diskutiert und schließlich auch favorisiert. Tomasellos früheste Forschung ist vor allem dem Spracherwerb, der Ontogenese der Sozialkognition und (in zunächst geringerem Maße) der Primatenforschung gewidmet. Der Versuch einer artgeschichtlichen Erklärung des menschlichen Denkens wird noch nicht unternommen. Immerhin zieht Tomasello in seinem Artikel Cultural Transmission in the Tool Use and Communicatory Signaling of Chimpanzees? (1990a) bereits einen Vergleich der für Schimpansen und Menschen jeweils charakteristischen Lernprozesse und markiert damit durchaus schon einen ersten Schritt in Richtung einer umfassenden Theorie zur Entstehung des menschlichen Denkens. Er vertritt dort die Auffassung, dass Schimpansen sowohl im Bereich kommunikativer Signale als auch mit Blick auf den Werkzeuggebrauch über individuelle und soziale, nicht aber über kulturelle Formen des Lernens verfügen. Im Zusammenhang mit kulturellen Formen des Lernens spricht Tomasello bereits von dem in seiner weiteren Forschung so bedeutenden Wagenhebereffekt (cf. Tomasello 1990a: 305-306). Zwar kann er die den Wagenhebereffekt begründenden Formen der Kognition zu diesem Zeitpunkt Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 343 3 Hier wurde auf den Nachdruck von 1999 zurückgegriffen. Auch nachfolgende Zitate beziehen sich mit ihren Seitenangaben auf diese Version des Artikels. Der zeitlichen Einordnung wegen ist das ursprüngliche Erscheinungsjahr 1993 aber weiterhin jeweils vorangestellt. 4 Das kollaborative Lernen bezeichnet bei Tomasello im Gegensatz zum Imitationslernen und zum Lernen durch Unterricht keine Form kultureller Überlieferung, sondern kennzeichnet einen Prozess, in welchem Kinder in Abwesenheit Erwachsener (oder auch Erwachsene in Abwesenheit von Experten, so z.B. in der Wissenschaft) gemeinsam etwas erschaffen oder konstruieren (cf. Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999: 113). noch nicht identifizieren, er stößt aber bereits eine genauere Untersuchung an: “I mean [my conclusions] to stimulate a closer look at the underlying cognitive and social-cognitive processes involved in cultural transmission and related social learning phenomena” (Tomasello 1990a: 306). In seiner ersten Monographie First Verbs (1992) und dem Artikel The Social Bases of Language Acquisition (1992a), zwei in der Hauptsache dem Spracherwerb gewidmeten Arbeiten, wird dem Verstehen der Intentionen anderer Personen dann bereits entscheidende Bedeutung zugesprochen. Weder wird dabei aber der später übliche Terminus understanding of others as intentional agents (Verstehen anderer als intentionale Akteure) verwendet noch ist von der einen entscheidenden biologischen Anpassungsleistung die Rede. In beiden Werken wird zudem nicht nur das Verstehen der Intentionen anderer Personen, sondern auch das Verstehen ihrer mentalen Zustände als kognitive Voraussetzung des kulturellen Lernens und des Wagenhebereffekts aufgefasst (cf. Tomasello 1992: 271; Tomasello 1992a: 84). Unklar ist zu diesem Zeitpunkt auch, wie genau das Verstehen anderer als intentionale Akteure entsteht, wie es sich zusammensetzt und in welchem Verhältnis es zum Verstehen mentaler Zustände steht. Diesbezüglich ist allerdings zu berücksichtigen, dass die von Tomasello bearbeiteten Forschungsbereiche erst langsam beginnen, zu einer umfassenden Theorie der Entstehung menschlichen Denkens zusammenzufließen. Ausschließlich der Frage nach den (kognitiven) Ursprüngen der menschlichen Kultur widmet Tomasello sich erstmals mit dem Artikel Cultural Learning (Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999 3 ). Im Rahmen dieser Arbeit unterscheiden die Autoren drei in der Ontogenese des Menschen nacheinander auftretende Formen kulturellen Lernens, die jeweils mit einem sozial-kognitiven Konzept bzw. einer Form der Perspektivenübernahme in Verbindung stünden. Während das Imitationslernen auf einem Konzept intentionaler Akteure gründe und eine einfache Perspektivenübernahme erfordere, ginge das Lernen durch Unterricht (instructed learning) mit einem Konzept mentaler Akteure und koordinierter Perspektivenübernahme oder Intersubjektivität einher. Das kollaborative Lernen bedinge schließlich ein Konzept reflektiver Akteure und beinhalte reflektive Intersubjektivität. 4 Dieses Theoriekonstrukt stellen die Autoren der Theory-of-Mind-Forschung gegenüber, denn letztere nehme die schrittweise Entwicklung des Verstehens anderer Personen nicht in den Blick (cf. Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999: 117). Mit dem Konzept einer das Verstehen intentionaler, mentaler und reflektiver Akteure einschließenden Perspektivenübernahme (und Intersubjektivität), die ein Lernen nicht nur vom anderen, sondern durch den anderen erst ermögliche, eifert Tomasello anderen Theoretikern nach: […] human beings are able, depending on one’s choice of theory and terminology, to take the role of the other (Mead 1934), to take the perspective of the other (Premack 1988), to simulate the mental states of the other (Harris 1991), to engage in joint attention with the other (Bruner 1983), to engage in mindreading of the other (Whiten 1991), to understand the other as a ‘person’ (Hobson, in press), or to participate with the other intersubjectively (Trevarthen Rafael Mollenhauer 344 5 Die im Zitat angeführten Arbeiten sind nicht ohne Weiteres vergleichbar oder gar miteinander in Einklang zu bringen. Mead (1934) findet den Ausgangspunkt seiner Studien beispielsweise in der Gesellschaft, über die er erst zum Individuum gelangt. Premack (1988) und Bruner (1983) wählen hingegen das Individuum als Ausgangspunkt, wobei Premack einen kognitivistischen, Bruner dagegen einen interaktionistischen, aber doch vom Einzelnen ausgehenden Ansatz vertritt. 1979b). We will speak of ‘perspective-taking’ when the learner is attempting to see the situation from another person’s point of view and of ‘intersubjectivity’ when both the learner and other person are doing this simultaneously and reciprocally (Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999: 103-104). 5 Die Bedeutung gerade des Verstehens intentionaler Zustände leitet Tomasello aus verschiedensten Studien und Befunden ab. So seien Kinder ab einem Alter von etwa neun Monaten in der Lage, konventionelle linguistische Symbole (cf. Bates 1979) und objektgerichtete Handlungen (cf. Meltzoff 1988) über Imitation zu lernen. In etwa zeitgleich träten weitere neue Fähigkeiten auf, die z.B. die gemeinsame Aufmerksamkeit (cf. Bakeman/ Adamson 1982) und die soziale Referenzbildung (cf. U giris/ Kruper 1992) beträfen. All diese neu auftretenden Verhaltensweisen seien nur auf der Grundlage eines Verstehens der Wahrnehmungen und Intentionen anderer Personen, die sich von unbelebten Objekten unterscheiden, möglich und sinnvoll (cf. Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999: 106-108). Nichtsdestotrotz kommt dem Verstehen anderer als intentionale Akteure noch nicht der ihm später (cf. Tomasello 2002) zugedachte Stellenwert zu. So ist zwar bereits von evolutionary adaptians (cf. Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999: 133) die Rede, dass es sich bei diesen Anpassungen um das Konzept intentionaler Akteure oder um eine Auffassung von anderen als mir ähnlich handelt, wird jedoch nicht expliziert. Dazu passend sprechen die Autoren das eigentlich spezifisch menschliche Imitationslernen mitsamt dem ihm zugrundeliegenden Konzept intentionaler Akteure in einem Sonderfall auch nichtmenschlichen Primaten zu. Akkulturierte (in menschlicher Umgebung aufgewachsene) Schimpansen verfügten nämlich sowohl über einfache Formen der Perspektivenübernahme als auch über die damit zusammenhängenden Formen des Lernens (cf. Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999: 127). Dies allein reiche für die Schaffung einer Kultur wie der menschlichen jedoch nicht aus. Erst in Kombination mit pädagogischen Instruktionen, also einem auf dem Verstehen anderer als mentale Akteure beruhenden instructed learning, entfalte das Imitationslernen demnach seine volle Wirkung - weshalb auch akkulturierten Affen die Errungenschaften der menschlichen Kultur verborgen blieben, obwohl sie andere als intentionale Akteure verstünden und somit durch Imitation lernten (cf. Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999: 131). Auch das Verstehen anderer als mentale Akteure fungiert aber nicht im Sinne eines ‘Grundlagenmoduls’ wie später das Verstehen anderer als intentionale Akteure. Vielmehr gehen die Autoren von einer allgemeinen, sich stufenweise entwickelnden Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und Intersubjektivität aus (cf. Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999). Diese ist in einer entscheidenden Hinsicht nicht mit den Überlegungen der späteren Theorie in Einklang zu bringen. Während das Verstehen anderer als intentionale Akteure in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens nämlich auf der angeborenen menschlichen Fähigkeit gründet, andere als mir ähnlich zu begreifen, und erst dann in Kraft tritt, wenn das Individuum sich seiner eigenen Intentionen bewusst wird, sodass es von ihnen auf die Intentionen anderer schließen kann (s. oben), ist die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme in Cultural Learning nicht davon abhängig, dass das Individuum sich über seine eigenen Intentionen, mentalen Zustände usw. im Klaren ist. Im Gegenteil: Erst durch die Übernahme Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 345 6 Der Verweis auf Mead bleibt auch in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens bestehen (cf. Tomasello 2002: 87). Da dort aber ein umgekehrtes, nicht mehr mit Mead vereinbares Konzept vertreten wird (das Individuum gelangt von der Selbsterfahrung zu einem neuen Verständnis anderer Personen), verweist Tomasello nun lediglich darauf, dass schon Mead die Bedeutung einer Analogie mit dem Selbst für das Verstehen anderer Personen erkannt habe. 7 Das in Cultural Learning vorgetragene Konzept des Verstehens anderer als intentionale (und mentale) Akteure vertritt Tomasello als alleiniger Autor auch an anderer Stelle (cf. Tomasello 1993, 1994), sodass die Abweichungen zur späteren Theorie nicht auf Einflüsse der anderen Autoren zurückzuführen sind. der Perspektive des Gegenübers werde das Kind sich seiner eigenen Intentionen bewusst (Tomasello verweist hier auf Mead 1934 6 , cf. auch Tomasello 1994). Simulationserklärungen, die ein Verstehen der eigenen mentalen Zustände voraussetzen, werden in Cultural Learning als problematisch betrachtet (cf. Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999: 117). Eine eben solche Simulationserklärung liefert Tomasello in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens aber selbst (cf. Tomasello 2002: 88; s. oben). Obwohl das Verstehen anderer als intentionale Akteure bereits identifiziert ist und als bedeutend angesehen wird, bestehen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Cultural Learning also noch einige Unterschiede zur späteren Theorie. 7 Das Verstehen anderer als intentionale Akteure ist in jedem Fall aber schon als gesonderter, fundamentaler Schritt in der kindlichen kognitiven Entwicklung dargestellt und wird nicht als bloßer precursor einer theory of mind (cf. Tomasello/ Kruger/ Ratner 1993/ 1999: 117) verstanden (cf. hierzu insbesondere Tomasello 1995a). Als evolutionäre Anpassung sieht Tomasello indes die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme an (cf. Tomasello 1994: 180). Entscheidende Veränderungen auf dem Weg zur späteren Theorie sind im Jahre 1995 zu verzeichnen. In Joint Attention as Social Cognition nutzt Tomasello nicht nur bereits den später üblichen Terminus understanding of others as intentional agents; er sieht die entsprechende Fähigkeit auch schon als entscheidende, eine theory of mind erst begründende kognitive Kompetenz des Menschen an. Zwar wird diese Sicht im Grunde bereits in Cultural Learning vertreten, während Tomasello dort aber von einer allgemeinen, mehrere Entwicklungsschritte beinhaltenden Fähigkeit zur Perspektivenübernahme ausgeht und erst mit dem Verstehen anderer als mentale Akteure die Einzigartigkeit des Menschen vollends gegeben sieht, betrachtet er das Verstehen anderer als intentionale Akteure nun nicht mehr nur als eigenständigen, sondern ganz ausdrücklich auch als entscheidenden und bereits spezifisch menschlichen Entwicklungsschritt, dem eine theory of mind (ein Verstehen anderer als mentale Akteure) nachgeordnet ist (cf. Tomasello 1995a: 126-127). Verändert hat sich auch Tomasellos Erklärung der Entstehung eines Verstehens anderer als intentionale Akteure. Er geht nun von zwei bedeutenden sozial-kognitiven Entwicklungssträngen aus. Zum einen nehme das Kind schon sehr früh an reziproken, imitierenden und konvergierenden Interaktionen teil, wodurch es mit der Zeit verstünde, dass es anderen ähnlich, jedoch nicht mit ihnen identisch ist. Zum anderen differenzierten Kinder gegen Ende ihres ersten Lebensjahres zum ersten Mal zwischen Mitteln und Zielen, verhielten sich somit intentional und verstünden diese Intentionalität auch (cf. Tomasello 1995a: 121-122). Die hier vertretene Ansicht kommt der in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens vorgetragenen Theorie schon recht nahe. In beiden Arbeiten muss das Kind sich zuerst seiner eigenen Intentionen bewusst sein, bevor es auf die Intentionen anderer schließen kann. In beiden Arbeiten muss es außerdem erkennen, dass es anderen Personen ähnlich ist. Ein entscheidender Unterschied besteht aber insofern, als das Kind in Joint Attention as Social Cognition erst im Rahmen von Rafael Mollenhauer 346 8 Wiederum stellt Tomasello auch die früher von ihm selbst vertretene Alternative vor, dieses Mal jedoch ohne Verweis auf seine eigenen Vorarbeiten, sondern lediglich unter Nennung einer (damals schon angeführten) Arbeit von Gopnik (1993). Interaktionen zu letzterer Erkenntnis gelangt, in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens aber über eine angeborene Auffassung anderer Personen als mir ähnlich verfügt. Tomasellos dort vertretene Ansicht lehnt sich eher an den im Kern nativistischen Ansatz von Meltzoff/ Gopnik (1993) als an die eigenen Vorarbeiten an: “Meine eigene Sichtweise stimmt mit Meltzoff und Gopnik darin überein, daß das frühkindliche Verstehen anderer als ‘mir ähnlich’ tatsächlich das Ergebnis einer spezifisch menschlichen biologischen Anpassung ist” (Tomasello 2002: 89). In seinem ebenfalls 1995 erschienenen Aufsatz Understanding the Self as Social Agent gibt Tomasello dann selbst an, die Entstehung des für seinen Ansatz so entscheidenden Verstehens anderer als intentionale Akteure in vorangegangenen Arbeiten (in Abhängigkeit von der genauen Fragestellung) auf zweierlei Weise erklärt zu haben, und äußert die Ansicht, beide Ansätze hätten etwas Wahres für sich (cf. Tomasello 1995b: 454). Dennoch sind die weiteren Ausführungen nahezu identisch mit den in Joint Attention as Social Cognition dargelegten Überlegungen (cf. Tomasello 1995b: 456). Ob die Identifikation mit anderen hier noch als allein über Interaktionen mit anderen erworben angesehen wird oder bereits als angeborene Fähigkeit, bleibt vage. Einerseits äußert Tomasello wie schon in Joint Attention as Social Cognition ganz deutlich die Ansicht, Kinder gelangten erst über regelmäßige Interaktionen mit anderen zu einer Identifikation mit anderen (cf. Tomassello 1995b: 456). Andererseits deutet der Verweis auf die Defizite autistischer Kinder (cf. Tomasello 1995b: 457-458) ebenso die Angeborenheit dieser Fähigkeit an wie nachfolgendes Zitat: “What is new in the current account relative to my previous accounts is that even though self-understanding and self-concept are not the objects of direct selection pressures in phylogeny, the mechanism by which humans come to understand others involves as a precondition identification with others” (Tomasello 1995b: 457). In Primate Cognition (1997, gemeinsam mit Josep Call), Tomasellos zweiter Monographie, scheint schließlich eine Entscheidung zu Gunsten der Angeborenheit gefallen. Im Abschlusskapitel des Werkes, das bereits zahlreiche Gedanken der späteren Theorie enthält (cf. insbesondere Tomasello/ Call 1997: 401-429), wird diesbezüglich aber weiter nicht durchgängig eindeutig Stellung bezogen. Der Ausgangspunkt bleibt bestehen: Während alle Primaten sich intentional verhielten, verfüge allein der Mensch über die Fähigkeit, sich mit anderen zu identifizieren, und gelange so zum Verstehen anderer als intentionale Akteure (cf. Tomasello/ Call 1997: 417). 8 Ob diese Identifikation mit anderen angeboren ist, wird unter Hinzuziehung des nativistischen Ansatzes von Meltzoff/ Gopnik (1993) sowie des lernorientierten Ansatzes von Barresi/ Moore (1996) zunächst zur Diskussion gestellt, ohne dass bereits eine Entscheidung getroffen würde (cf. Tomasello/ Call 1997: 416-417). Kurz darauf nimmt Tomasello aber wiederum Bezug auf autistische Kinder und spricht ganz explizit von einem biologischen Defizit hinsichtlich der Identifikation mit anderen (cf. Tomasello/ Call 1997: 418), womit ohne Zweifel eine Hinwendung zu dem von Meltzoff und Gopnik (1993) vertretenen starting state nativism verbunden ist. Andererseits werden akkulturierten Affen aber menschenähnliche Entwicklungspfade zugeschrieben, sowohl ihre sozial-kognitiven Fähigkeiten betreffend als auch in Bezug auf ihre Erfahrungen soziokultureller Interaktionen (cf. Tomasello/ Call 1997: 420). Es ist auch erneut davon die Rede, die Tiere könnten andere als intentionale Akteure verstehen (cf. Tomasello/ Call 1997: 394). Was man den Tieren aber Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 347 absprechen könne, seien narrative und taxonomische Formen kognitiver Organisation, sodass davon auszugehen sei, “that, in addition to certain kinds of social and cultural experience, individuals must bring to the process certain biological preparations as well” (Tomasello/ Call 1997: 420). Man würde an dieser Stelle wohl kaum vermuten, dass es sich bei diesen biologischen Vorbereitungen um die Identifikation mit anderen handelt - wäre dem so, könnten akkulturierte Affen andere Personen nicht als intentionale Akteure verstehen. Dennoch heißt es nur zwei Seiten später: “Our overall point of view is that there is ultimately one key adaption that makes human cognition different from that of other primates: the identification of self with others” (Tomasello/ Call 1997: 422). Die in Primate Cognition bestehenden Unklarheiten sollten jedoch nicht daran hindern, die dortigen Gedankengänge bereits als in weitgehender Übereinstimmung mit dem Ansatz in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens zu betrachten. Denn auch Tomasellos Hauptwerk stellt letztlich einen Zwischenschritt einer im stetigen Wandel befindlichen Forschung dar und beinhaltet seinerseits weiterhin Widersprüche. So wird das Verstehen anderer als intentionale Akteure mit Blick auf die Leistungen akkulturierter Affen zwar nicht mehr explizit benannt, dafür aber das von dieser Fähigkeit abhängige Imitationslernen (cf. Tomasello 2002: 47), obwohl die Identifikation mit anderen in Anlehnung an Meltzoff/ Gopnik dort ganz eindeutig als biologische Anpassung angesehen wird (cf. Tomasello 2002: 89). Dass besonders die Leistungen akkulturierter Affen Probleme für die Theorie mit sich bringen, gesteht Tomasello in seinem Aufsatz Social Cognition and the Evolution of Culture (1998) selbst ein: “If we could leave human-raised apes out of the picture, the story would be straightforward” (Tomasello 1998: 240). Er hält zu diesem Zeitpunkt zwei Erklärungen für möglich. Zum einen könne über frühe Interaktionen mit Menschen eine Sozialisierung der Aufmerksamkeit stattfinden - eine Ansicht, die er auch in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens vertritt. Zum anderen bestehe die Möglichkeit, dass die von den Tieren gezeigten Leistungen des Imitationslernens auf anderen sozial-kognitiven Fähigkeiten beruhen als diejenigen Fähigkeiten, hinsichtlich derer die Affen Begrenzungen zeigen. Insofern hier von Beschränkungen in Bezug auf shared intentions and attention (cf. Tomasello 1998: 240) die Rede ist, darf diese zweite Vermutung schon als Vorausblick auf Tomasellos spätere Forschung und das Konzept geteilter Intentionalität (cf. Tomasello 2009) verstanden werden. IV Nicht nur die Suche nach den entscheidenden kognitiven Grundlagen menschlicher Kultur, die schließlich in der Annahme einer spezifisch menschlichen Fähigkeit des Verstehens anderer als intentionale Akteure mündet, deutet darauf hin, dass Tomasello seine Forschung aus einer klassisch psychologischen, sprich am Individuum und seiner Kognition orientierten Position heraus angeht. Tomasello bezieht sich daneben sowohl in seiner frühen Spracherwerbs- (cf. z.B. Tomasello 1992) und Primatenforschung (cf. z.B. Tomasello/ Call 1997) als auch in seiner frühen Forschung zur Ontogenese der Sozialkognition (cf. z.B. Tomasello 1994) in großer Regelmäßigkeit auf die Arbeiten Jean Piagets, dessen kognitivistischer Ansatz die Spracherwerbsforschung nachhaltig geprägt hat (cf. auch Klann-Delius 2008: 98). Auch in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens finden Piagets Studien (1970, 1974, 1981, 1992) starke Berücksichtigung, und Tomasello äußert hier gar die Ansicht, dass Piagets Werk jedem mit der kindlichen Kognition befassten Forscher als Ausgangspunkt Rafael Mollenhauer 348 9 Tomasello gibt hier nicht die Studien selbst als Quelle an, sondern bezieht sich hinsichtlich der Studie(n) von Baillargeon und Kollegen auf eine Übersicht bei Baillargeon (1995) und mit Blick auf die Studie(n) von Spelke und Kollegen auf eine Übersicht bei Haith/ Benson (1998). Da in der Übersicht von Baillargeon zahlreiche thematisch passende (in Tomasellos Literaturverzeichnis allesamt nicht angegebene) Studien gelistet sind, ist nicht ganz klar, auf welche dieser Studien Tomasello Bezug nimmt. Auch in der Übersicht bei Haith und Benson sind mehrere von Elizabeth Spelke gemeinsam mit anderen Forschern durchgeführte, thematisch passende Studien aufgeführt. Davon taucht lediglich die Arbeit Origins of Knowledge (Spelke/ Breinlinger/ Macomber/ Jacobson 1992) auch in Tomasellos Literaturverzeichnis (in dem weitere Arbeiten von Spelke und Kollegen gelistet sind) auf. seiner Studien diene (cf. Tomasello 2002: 72). Entsprechend lehnt Tomasello selbst seine Theorie in vielerlei Hinsicht an Überlegungen Piagets an: Wie Piaget (1981) vermutet er, dass das am Ende der frühen Kindheit auftretende moralische Verständnis weniger durch Regeln als vielmehr über die Einfühlung in andere - insbesondere gleichgestellte - Personen gestaltet wird (cf. Tomasello 2002: 209-211); die von Piaget hinsichtlich des Zahlbegriffs herausgestellten Aspekte der Serialität (oder Ordinalität) und Kardinalität nutzt er in ihrer Korrelation mit syntagmatischen und paradigmatischen Beziehungen innerhalb der Sprache zur Stützung seiner These, dass der Zahlbegriff und damit letztlich auch die Mathematik auf der soziokulturellen Kognition gründet (cf. Tomasello 2002: 218-219); mit Piaget (1970) nimmt er an, dass die Systematisierung mathematischer Begriffe durch die Reflexion auf eigene mathematische Operationen zustande kommt (cf. Tomasello 2002: 228); und unter Berufung auf den frühen Piaget betont er die Durchdringung schon der frühkindlichen Kognition von Prozessen der Perspektivenübernahme (cf. Tomasello 2002: 230). Gleichwohl stimmt Tomasello natürlich nicht in jeder Hinsicht mit Piaget überein, beanstandet z.B., dass Piagets Formalisierung der Kognition “in terms of mathematical group theory” (Tomasello 1992: 6) dem wissenschaftlichen Fortschritt eher hinderlich gewesen sei, und äußert des Weiteren die Ansicht, dass Piaget Sprachsymbole lediglich als Etiketten schon bestehender Begriffe betrachtet und so die Bedeutung des Spracherwerbs (in Form der Intersubjektivität und Perspektivität sprachlicher Symbole) für die weitere kognitive Entwicklung (vor allem für die Herausbildung kognitiver Repräsentationen) unterschätzt habe (cf. Tomasello 2002: 148). Besonders interessant ist Tomasellos Bezugnahme auf Piaget aber im Bereich des Verstehens von Dingen und dem für Tomasello so entscheidenden Verstehen anderer Personen. Hier wird ebenso eine Verwurzelung der Tomaselloschen Arbeiten im Werk Piagets sichtbar, wie Tomasello die Besonderheiten seiner Position in Distanzierung vom Gedankengut Piagets deutlich macht. Zunächst nimmt Tomasello Bezug auf Piagets (1974, 1992) Befunde, nach denen Kinder mit etwa vier Monaten beginnen, nach Gegenständen zu greifen, mit ungefähr acht Monaten anfangen, verschwundene Gegenstände zu suchen (und bei Greifversuchen Hindernisse beiseite zu räumen), und mit zwölf bis achtzehn Monaten anfangen, unsichtbare Ortsveränderungen von Gegenständen zu verfolgen sowie räumliche, zeitliche und kausale Beziehungen zwischen Dingen zu verstehen (cf. Tomasello 2002: 72). Während Piaget diese schrittweise Entwicklung auf die aktive kindliche Erkundung und Manipulation von Gegenständen, bei der aus konvergierenden Strängen sensorischer und motorischer Information Wirklichkeit konstruiert werde, zurückführt, hätten die Studien von Baillargeon et al. sowie Spelke et al. 9 aufgezeigt, dass bereits drei bis vier Monate alte Kinder gewisse Fähigkeiten bezüglich Objektpermanenz aufweisen. Da bis zu diesem Alter - wie von Piaget bemerkt - noch keine Erkundungen und Manipulationen von Gegenständen stattgefunden haben, könnten jene Fähigkeiten aber nicht als Resultat eines Umgangs mit Dingen angesehen Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 349 werden (cf. Tomasello 2002: 72-73). Vielmehr sei zu beachten, dass sowohl die kindlichen Fähigkeiten im Hinblick auf Objektpermanenz als auch andere, später auftretende kognitive Vermögen hinsichtlich des Verstehens von Dingen (kognitive Landkarten, mentales Drehen von Gegenständen usw.) in vergleichbarer Form auch bei nichtmenschlichen Primaten anzutreffen seien. Somit “[…] spielen menschliche Kleinkinder einfach nur ihre Primatenerbschaft aus. Nur daß sie eben länger dafür brauchen, weil sie in einem Zustand schwach entwickelter Wahrnehmung und Motorik geboren werden.” (Tomasello 2002: 73) Dass Tomasello mit Blick auf das kindliche Verstehen von Dingen im Gegensatz zu Piaget von angeborenen Fähigkeiten ausgeht, scheint zunächst einer von ihm zuvor getätigten Aussage zu widersprechen, nach der die Suche nach angeborenen Strukturen insofern wenig sinnvoll sei, als sie nichts zum Verständnis von Entwicklungsprozessen beitrage (cf. Tomasello 2002: 64-65). Tomasello betont an gleicher Stelle aber auch, dass die Suche nach angeborenen Faktoren der Kognition schon zu bedeutenden wissenschaftlichen Erkenntnissen geführt habe - und nennt beispielhaft die eben geschilderte augenscheinliche Widerlegung Piagets. Die Entscheidung darüber, ob ein Merkmal angeboren ist oder nicht, sei letztlich insoweit von wissenschaftlicher Bedeutung, als sie helfe, “[…] die Entwicklungsprozesse zu verstehen, die während der menschlichen Ontogenese am Werk sind, einschließlich aller Faktoren, die dabei eine Rolle spielen, zu welcher Zeit und wie genau sie das tun.” (Tomasello 2002: 65-66) Tomasello grenzt sich demnach dadurch von Piaget ab, dass er frühkindliche kognitive Fähigkeiten in Bezug auf das Verstehen von Dingen nicht als über die Erkundung und Manipulation von Gegenständen (also durch den Umgang mit der dinglichen Umwelt) erlernt ansieht, sondern sie vielmehr als angeboren betrachtet. Keinesfalls verlässt er damit die von Piaget eröffneten kognitivistischen Pfade; im Gegenteil: Tomasello stützt sich in diesem Punkt allein auf die individuelle Kognition und betritt gar den von ihm selbst so stark kritisierten nativistischen Zweig des Kognitivismus. Dabei scheint der Wert der genannten (aber nicht mit einer genauen Quellenangabe versehenen) Studien, aus denen die Angeborenheit angeblich geschlossen werden könne, gar nicht so klar. Was dem Leser nämlich zunächst als unhintergehbare wissenschaftliche Erkenntnis verkauft wird, versieht Tomasello anschließend mit dem Vermerk, dass es “[…] natürlich methodologische Streitfragen bezüglich der neuen Methode […]” (Tomasello 2002: 73) gebe. Nur allzu gut passen die Ergebnisse dieser Studien - im Gegensatz zu den diesbezüglichen Annahmen Piagets - aber in das Bild der Tomaselloschen Theorie und untermauern die Annahme einer kulturellen Evolution, die für alle Spezifika des menschlichen Denkens verantwortlich zeichnet, jedoch erst mit neun bis zwölf Monaten und auf einer angeborenen, sozial-kognitiven Grundlage (das Verstehen anderer als intentionale Akteure) in Kraft tritt. Was das kindliche Verstehen anderer Personen betrifft, lehnt Tomasello sich aber wieder ganz entscheidend an die Überlegungen Piagets an und stützt sich auch auf dessen Experimente. Zunächst hätten die Studien von Piaget (1974, 1992) in Bezug auf ein Verständnis des eigenen Handelns gezeigt, dass Kinder in den ersten Lebensmonaten zwar verstehen, dass sie mit ihren Handlungen Resultate in der äußeren Umgebung erzielen, jedoch nicht, wie und aus welchem Grund sie dies tun (cf. Tomasello 2002: 89). Wenn unter acht Monate alte Kinder die Möglichkeit erhielten, interessante Wirkungen bei äußeren Gegenständen zu reproduzieren, akkomodierten sie sich kaum an abweichende Situationen, wohingegen Piaget bei älteren Kindern (a) den Gebrauch verschiedener Verhaltensmittel für denselben Zweck und (b) die Identifikation und den Einsatz verhaltensmäßiger Zwischenglieder feststellte, sodass Tomasello unter Übernahme der Ausführungen Piagets auf ein neues Niveau intentionaler Tätigkeiten schließt (cf. Tomasello 2002: 89-91). Rafael Mollenhauer 350 10 Anders als bei Tomasello ist der Terminus Imitation bei Piaget nicht für Lernprozesse reserviert, die auf dem Verstehen anderer als intentionale Akteure gründen, da Piaget nicht zwischen einem Verstehen anderer als Quellen von Selbstbewegung und einem Verstehen anderer als intentionale Akteure unterscheidet (s. Fortgang des Textes). 11 Mit der Betonung der Vorzüge einer an der Kognitiven Linguistik ausgerichteten Forschung ist bei Tomasello teilweise auch eine Argumentation für die Funktionale Linguistik verbunden. Diese wird von Tomasello teils als unabhängig entstandener companion (cf. Tomasello 1996: 275) der Kognitiven Linguistik aufgefasst (cf. hierzu auch Tomasello 1998a: VIII), teils aber auch als der Kognitiven Linguistik übergeordnet angesehen (cf. Tomasello 1998b: 477). Da Tomasello sich aber nie ausschließlich der Funktionalen Linguistik, sondern entweder allein der Kognitiven Linguistik oder einem cognitive-functional approach (cf. Tomasello 1998a: XIII) zuwendet und die Argumente in beiden Fällen in weitgehender Übereinstimmung vorgetragen werden, soll der Fokus des vorliegenden Abschnitts allein auf der für sich schon kaum überschaubaren Kognitiven Linguistik liegen. Wie schon Piaget (1974) glaubt Tomasello außerdem, dass die kindliche Zuschreibung kausaler Kräfte zu äußeren Entitäten zunächst auf andere Personen zielt (cf. Tomasello 2002: 91). Piaget führt dies auf Imitation 10 zurück: In Analogie zu ihren eigenen Handlungen schrieben Kinder den Handlungen anderer Personen ihre Wirkungsfähigkeit zu (cf. Piaget 1974: 307; Tomasello 2002: 91). Obwohl sich diese Ansicht weitgehend mit Tomasellos Annahme einer frühen Identifikation mit anderen deckt, betont Tomasello, dass seine Theorie insoweit über die Ausführungen Piagets hinausgehe, als dieser die aus seiner Sicht so wichtige Unterscheidung zwischen einem Verständnis anderer als Quellen von Selbstbewegung und Kraft und einem Verständnis anderer als intentionale Akteure (beruhend auf einem Verständnis der eigenen Intentionen) nicht treffe (cf. Tomasello 2002: 91-92). Dass Tomasello sich hier in einem seiner Meinung nach entscheidenden Detail von Piaget distanziert, sollte jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass Piagets Ansichten bezüglich des Verstehens anderer Personen entscheidenden Einfluss auf Tomasellos Werk genommen haben. Sowohl das von Tomasello angenommene Verstehen der eigenen Handlungen bei unter und über 8-9 Monate alten Kindern als auch die Identifikation mit anderen werden weitgehend von Piaget übernommen (wenngleich Tomasellos Theorie hier, wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt, wohl viele weitere Einflüsse beinhaltet). Lediglich die auf der Grundlage der bereits von Piaget implizierten Identifikation mit anderen angenommenen, das Verstehen anderer Personen betreffenden Korrelate des Verstehens eigener Handlungen gehen eindeutig über die Ausführungen Piagets hinaus. Tomasello schließt sich den Überlegungen Piagets letztlich in vielerlei Hinsicht an, distanziert sich nichtsdestotrotz in manchen Punkten von ihnen, verlässt dabei aber nie das schon von Piaget betretene kognitivistische Terrain, sondern lässt stattdessen gewisse Hinwendungen zum Nativismus erkennen. V In der Spracherwerbsforschung, seinem ursprünglichen Forschungsschwerpunkt, weist Tomasello sich an verschiedenen Stellen als Befürworter und Vertreter der Kognitiven Linguistik aus (cf. Tomasello 1992, 1995, 1996, 1998a, 1998b, 2002). 11 Nun ist die Kognitive Linguistik jedoch kein einheitliches, kohärentes Forschungsfeld und schon bei der Frage nach ihren Ursprüngen offenbaren sich unterschiedliche Positionen. Manch einer sieht die Wurzeln des Paradigmas in den Arbeiten Chomskys (1957, 1965), der mit seiner Kritik am behavio- Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 351 12 In Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens bezieht Tomasello sich gleich mehrfach auf Lakoff (cf. Tomasello 2002: 20, 196-198) und Langacker (cf. Tomasello 2002: 142, 160, 177-179), aber auch in früheren Arbeiten (cf. z.B. Tomasello 1992, 1995) stützt er sich immer wieder auf deren Thesen. ristischen Ansatz Skinners (cf. Chomsky 1959) die Kognitive Wende einleitete und damit eine mentalistische Sprachtheorie begründete (cf. hierzu Schwarz 2008: 16-17). Zum Teil definieren sich Vertreter der Kognitiven Linguistik aber gerade in Abgrenzung von der Generativen Grammatik und sehen den Ursprung des Forschungszweigs in psycholinguistischen Arbeiten der 1970er Jahre (cf. z.B. Evans/ Green 2006: 3; Lee 2001: XI). Auch nach Tomasellos Auffassung erwuchs die Kognitive Linguistik einer sich bei Chomskys Schülern mehr und mehr einstellenden Unzufriedenheit mit der Ablehnung kognitiver und sozialer Dimensionen sprachlicher Kommunikation (cf. Tomasello 1998a: VIII). Da aber auch der Großteil der in den 1970er Jahren entstandenen psycholinguistischen Arbeiten im Kern noch mit Chomskys Gedankengut, vor allem der Annahme einer autonomen Syntax, belastet sei (cf. Tomasello 1998a: VIII), sieht Tomasello die eigentlichen Wurzeln der Kognitiven Linguistik im Jahre 1987 und der Veröffentlichung von George Lakoffs Women, Fire and Dangerous Things: What Categories Reveal about the Mind und Ronald Langackers erstem Band der Foundations of Cognitive Grammar sowie der Gründung der International Cognitive Linguistics Association (cf. Tomasello 1998b: 477-478). Die unterschiedlichen Auffassungen über die Ursprünge der Kognitiven Linguistik sind nach Schwarz (2008: 48-56) darauf zurückzuführen, dass innerhalb der kognitiv geprägten Linguistik zwischen einem modularen und einem holistischen Ansatz zu unterscheiden sei und letzterer den ersteren nicht als Kognitive Linguistik zur Kenntnis nehme. Während Vertreter der modularen Position Sprache in Anlehnung an Chomsky als eigenständiges Subsystem der Kognition betrachteten, sich u.a. durch ihre interdisziplinäre Ausrichtung und ihr Interesse an “repräsentationalen sowie prozeduralen Schnittstellen der Sprache mit anderen Kenntnissystemen” (Schwarz 2008: 53) aber doch von der traditionellen Generativen Grammatik emanzipiert hätten, betone die holistische Kognitive Linguistik die enge Verbindung zwischen sprachlichen und allgemeinen kognitiven Prinzipien, sodass auch und vor allem in der Spracherwerbsforschung nativistische Erklärungsansätze strikt abgelehnt würden (cf. Schwarz 2008: 56). Entsprechend wird auch speziell die kognitiv-linguistisch arbeitende Spracherwerbsforschung betreffend unterschieden zwischen einem modularen und einem holistischen (cf. Schwarz 2008: 141-150) bzw. einem nativistischen und einem sozialkognitiven Ansatz (cf. Rickheit/ Weiss/ Eikmeyer 2010: 88-91). Zweifellos können Tomasellos Überlegungen zum Spracherwerb oberflächlich betrachtet nur dem besonders in der Entwicklungspsychologie verbreiteten (cf. Schwarz 2008: 148) holistischen bzw. sozial-kognitiven Ansatz innerhalb der Kognitiven Linguistik zugerechnet werden. Wie für Vertreter dieser Position üblich nimmt Tomasello modulare Ansätze nicht als der Kognitiven Linguistik zugehörig wahr. Vielmehr spricht er sich mit aller Vehemenz gegen nativistische Modultheorien aus, widmet der Kritik an derartigen Ansätzen sogar ganze Aufsätze (cf. Tomasello 1990, 1995), und trägt auch seine Argumente für die Kognitive Linguistik ausschließlich in Abgrenzung von der Generativen Grammatik vor. Des Weiteren bezieht Tomasello sich nicht nur immer wieder auf Jean Piaget (s. oben) als wohl bekanntesten Vertreter einer holistischen Position des Spracherwerbs (cf. Schwarz 2008: 145), sondern in großer Regelmäßigkeit auch auf George Lakoff (1987, 1990), Ronald W. Langacker (1987, 1987a, 1991) und andere prominente Vertreter des holistischen Ansatzes. 12 Tomasellos Theorie beinhaltet außerdem kein autonomes Sprachmodul; sie beruht stattdessen Rafael Mollenhauer 352 - wie oben dargelegt - auf der Annahme einer umfassenderen Anpassung im sozialkognitiven Bereich. Doch macht die hiermit angesprochene Identifikation mit anderen ihrerseits nur einen Teil des Denkens aus (und wird zudem als angeboren erachtet), sodass es leichtfertig wäre, Tomasellos Ansatz von jedem modularen Denken freizusprechen. Hier ist also eine nähere Charakterisierung der Tomaselloschen Position innerhalb der Kognitiven Linguistik notwendig. Einen entscheidenden Vorteil gegenüber formalistischen Modultheorien sieht Tomasello darin, dass die Kognitive Linguistik dem Forscher erlaube, Sprachstrukturen in Begriffen psychologischer (kognitiver und sozial-kognitiver) Prozesse zu beschreiben. Nur so könne die menschliche Sprache in Beziehung gesetzt werden zur allgemeinen menschlichen Kognition und Sozialkognition (cf. Tomasello 1992: 2-3). Mit diesem Argument ist das auf George Lakoff (1990) zurückgehende cognitive commitment angesprochen - eine mit der holistischen Perspektive getroffene Übereinkunft, nach der Sprache und ihre Organisation allgemeine kognitive Prinzipien wiederzuspiegeln haben und mit den Erkenntnissen anderer kognitiv orientierter Disziplinen in Relation zu setzen sind (cf. hierzu Evans/ Green 2006: 40-44). Für Tomasello sind Sprache und ihre Strukturen somit in gleicher Art und Weise zu studieren und zu erforschen wie andere kognitive Fertigkeiten auch: [T]he structures of language are taken directly from human cognition, and so linguistic communication, including its grammatical structure, should be studied in the same basic manner using the same basic theoretical constructs as all other cognitive skills. (Tomasello 1998a: XX) (Hervorh. von mir, R.M.) Ich möchte an dieser Stelle insbesondere drei Punkte hervorheben, die mit einer derartigen Sichtweise einhergehen: die Auffassung von Sprache als einer dem Individuum zugehörigen Fertigkeit oder Fähigkeit; die Forderung nach Interdisziplinarität; und die schon angeführte Ablehnung formalistisch-modultheoretischer Positionen. Dass Sprache als kognitive Fertigkeit verstanden wird, unterstreicht nochmals das kognitive Fundament des Ansatzes. Tomasello betont zwar immer wieder die Bedeutung sozialer und kultureller Phänomene, bettet diese (im hier angeführten Fall die Sprache) aber letztlich doch wieder in das Individuum ein. Interdisziplinär ist die Kognitive Linguistik insofern, als neben Linguisten und Psychologen auch Philosophen und Neurowissenschaftler zusammenkommen, vor allem aber psycholinguistische und neurolinguistische Strömungen zusammentreffen und einander ergänzen. Dabei rückten die neuronalen Grundlagen in jüngerer Vergangenheit verstärkt in den Fokus kognitionswissenschaftlicher Untersuchungen (cf. Schwarz 2008: 37-38). Obwohl Tomasello die Vorzüge seiner Forschung gerade in ihrer interdisziplinären Ausrichtung sieht und das Leipziger Max-Planck-Institut sich eben dieser interdisziplinären Arbeit verschrieben hat (cf. Tomasello 2002: 7-9), zeigt er sich dennoch skeptisch, was die neuronalen Grundlagen von Sprache und vor allem die Lokalisation von Sprachfunktionen im Gehirn betrifft. Er erklärt, dass selbst neueste Technologien nicht aufzeigten, welcher Bereich des Gehirns mit welchen Aspekten des Sprachgebrauchs und Sprachverstehens in Verbindung stehen, und fügt unter Berufung auf die Kognitionswissenschaftlerin Elizabeth Bates (1994) hinzu: “Indeed, the more we know about the brain the more we find that strict localization of language functions is not the case” (Tomasello 1995: 143), zumal “die Lokalisierung von Funktionen im Gehirn eine Folge vieler verschiedener Entwicklungsprozesse sein kann, und es keine genetische Spezifikation von Wissensinhalten gibt.” (Tomasello 2002: 236) Tomasello hebt demgegenüber vor allem die Bedeutung einer Zusammenarbeit von Linguisten und Psychologen hervor (cf. Tomasello 1998a: XXI). Da die ursprünglichen Ver- Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 353 13 Nichtsdestoweniger definieren sich heute auch sprachwissenschaftlich arbeitende Vertreter der Kognitiven Linguistik gerade über Experimente (cf. z.B. Rickheit/ Weiss/ Eikmeyer 2010). treter der Kognitiven Linguistik der Sprachwissenschaft entstammten (cf. Tomasello 1998a: XX), sei auch die Methodik typischerweise hauptsächlich durch die Beobachtung des Gebrauchs und Verstehens bestimmter sprachlicher Ausdrücke in bestimmten natürlichen Situationen geleitet. 13 Eine diesbezügliche Kritik von psychologischer Seite hält Tomasello für nicht gerechtfertigt, denn zum einen böten auch Beobachtungen natürlichen Verhaltens gute Belege für die kognitive Fundierung der Sprache, zum anderen hätte erst die Arbeit der Linguisten eine neue (kognitive) Perspektive auf Sprache eröffnet, die hochgradig kompatibel mit der psychologisch-kognitionswissenschaftlichen Sicht auf Verhalten, Wahrnehmung, Kognition und Kommunikation sei (cf. Tomasello 1998a: XX-XI). Letztlich sei es Aufgabe der Psychologen, kontrollierte Experimente durchzuführen, und psycholinguistische Methoden böten sich hier durchaus an: Cognitive linguists typically pursue their investigations by looking at how people use and understand particular types of linguistic expressions in particular types of naturalistic situations, a method not especially familiar to mainstream cognitive scientists. But the goals of cognitive linguistics may also be pursued by means of traditional psycholinguistic methods such as learning experiments, error analysis, and reaction time studies[.] (Tomasello 1998b: 486) Tomasellos eigener Ansatz stützt sich nur in wenigen Fällen auf Beobachtungen natürlicher Situationen (cf. z.B. Tomasello 1992) und basiert - wie von einem Entwicklungspsychologen kaum anders zu erwarten - in der Regel auf experimentellen Untersuchungen, von denen er sich tiefere Einblicke in das menschliche Sprachverhalten erhofft (cf. Tomasello 1998a: XXI). Seine an der Kognition orientierte, klassisch psychologische Perspektive verliert Tomasello demnach auch auf methodischer Ebene nicht aus den Augen. Überhaupt scheint die von ihm vertretene Kognitive Linguistik trotz - womöglich aber auch aufgrund - der Bezugnahme auf das cognitive commitment nur insofern interdisziplinär, als Tomasello ein mehr und mehr in Mode gekommenes und von kognitionswissenschaftlich ausgerichteten Linguisten (wie Lakoff oder Langacker) ausgearbeitetes Konzept aufgreift und es nutzt, um die ohnehin eingenommene entwicklungspsychologische Position verstärkt auf den Untersuchungsgegenstand Sprache und Kommunikation zu projizieren. Eben diese Form der Interdisziplinarität findet schließlich nicht nur im Rahmen einer an der Kognitiven Linguistik orientierten Spracherwerbsforschung, sondern auch auf übergeordneter Ebene Eingang in Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens. Dort nämlich sieht Tomasello eine interdisziplinäre Ausrichtung seiner Untersuchung allein durch die Verwendung naturwissenschaftlicher Methoden (an der Entwicklungspsychologie und der Vergleichenden Psychologie orientierte Experimente) für einen seiner Ansicht nach klassischen Untersuchungsgegenstand der Geisteswissenschaften (die Rolle sozialer und kultureller Tätigkeiten für die menschliche Kognition) gegeben (cf. Tomasello 2002: 8-9). Methodologische Offenheit, wie sie von Bühler (2000) vorbildlich demonstriert wird, geht mit einer derartigen Vorgehensweise nicht einher. Vielmehr erfährt die Hypothese einer Tomasellos Arbeiten von vornherein gegebenen klassisch psychologischen, am Individuum und seinen kognitiven Fähigkeiten orientierten Ausrichtung nochmalige Bestätigung. Modultheoretische Ansätze kritisiert Tomasello mit Blick auf das cognitive commitment vor allem insofern, als diese eben nicht versuchten, ja sich stattdessen sogar dagegen wehrten, Rafael Mollenhauer 354 Relationen zwischen Sprache und anderen kognitiven Vermögen herzustellen. Aufgrund ihrer Argumentation für ein angeborenes Sprachmodul behaupteten sie zum Beispiel, es gebe keinerlei Verbindung zwischen Nomen und Verben auf der einen Seite und Objekten und Aktionen auf der anderen Seite (cf. Tomasello 1992: 3). Die Annahme einer Autonomie der Syntax sei dabei einfach eine das Paradigma definierende Hypothese und Resultat eines nach mathematischen Prinzipien aufgebauten Ansatzes, nicht aber das Ergebnis empirischer Studien. Diese habe man erst nachträglich und zur Bestätigung eines angeborenen Sprachmoduls durchzuführen begonnen, wobei Inselbegabte (Linguistic Savants) oder der Spracherwerb unter erschwerten Bedingungen als Belege angeführt worden seien (cf. Tomasello 1998a: X). In der Regel werde nicht berücksichtigt, dass eine biologische Grundlage nicht allein die Sprache betreffen muss, sondern - wie von Tomasello (2002) angenommen - auch auf grundlegenderer Ebene gegeben sein kann (cf. Tomasello 1998a: X-XI). Dem cognitive commitment entsprechend nehme die Kognitive Linguistik daher keine strikte Trennung von Syntax und Semantik an, sondern stelle die Opposition von linguistischen Symbolen bzw. Strukturen (sei es auf lexikalischer, morphologischer oder syntaktischer Ebene) einerseits und den von ihnen stets verkörperten Bedeutungen und Funktionen (Semantik und Pragmatik) andererseits in den Vordergrund (cf. Tomasello 1995: 149). Nur wenn Sprache als Manifestation des Denkens aufgefasst werde, könne z.B. erklärt werden, dass dem Sprecher in Abhängigkeit von seinen Intentionen, dem Kontext seiner Äußerung und dem Wissen, das er dem Hörer zuschreibt, unendliche Möglichkeiten der sprachlichen Konstruktion einer referentiellen Situation offenstehen (cf. Tomasello 1998b: 479). Auch die Besonderheiten etwa von Metaphern oder Idiomen gerieten nicht aus dem Blick, sofern der Fokus nicht auf kategorialen und abstrakten Aspekten der Syntax, sondern auf Äußerungen, die reale Personen in realen Diskursen produzieren, liege (cf. Tomasello 1998a: XIII). Natürliche Sprachen dürften folglich nicht wie in der Generativen Grammatik losgelöst von anderen Aspekten der Kognition betrachtet werden, sondern seien als “ways of symbolizing cognition for purposes of communication” (Tomasello 1998b: 478) aufzufassen, weshalb Tomasello hinsichtlich der Kognitiven Linguistik auch von einer new psychology of language (cf. Tomasello 1998a: XX) spricht. Mögen Tomasellos Einwände gegenüber dem Vorgehen Generativer Grammatiker auch ihre Berechtigung haben, stellt sich unter Berücksichtigung seiner methodologischen Ausrichtung sowie seiner Form der (Pseudo-)Interdisziplinarität dennoch die Frage, inwiefern sein eigenes Vorgehen sich von dem der Generativen Grammatiker unterscheidet. Auch seine Experimente sind in ihrem Untersuchungsdesign entscheidend bestimmt durch ein von vornherein vertretenes Paradigma und seine an der Kognition des Individuums ausgerichtete psychologische Position veranlasst ihn erst, nach den kognitiven Grundlagen spezifisch menschlicher Errungenschaften wie der Sprache zu suchen und diese kognitiven Eigenschaften bzw. Fähigkeiten auch als Erklärungsgrundlage menschlicher Kultur heranzuziehen. Ein entscheidender Vorteil der Kognitiven Linguistik liegt für Tomasello folglich darin, dass sie eine Anwendung der in der Kognitionswissenschaft üblichen Untersuchungsdesigns für den Untersuchungsgegenstand Sprache rechtfertigt: “This [cognitive linguistics] view of human cognition and linguistic communication lends itself readily to all kinds of empirical investigations of the type common in cognitive science.” (Tomasello 1998b: 486) Die tatsächlich stattfindenden Prozesse erst einmal zu beschreiben und die Methoden in Abhängigkeit vom Explanandum auszuwählen, wäre ein alternativer Weg, mit dem sich aus einer methodologischen Voreingenommenheit resultierende Erklärungsbeschränkungen und damit möglicherweise verbundene Probleme vermeiden ließen. Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 355 14 Daneben vertritt Tomasello in seiner Primatenforschung die Kognitive Verhaltensforschung und in seiner Forschung zur Ontogenese der Sozialkognition das sozial-kognitive Paradigma der Joint-Attention-Forschung. 15 Hier sind insbesondere Tomasellos Joint-Attention-Forschung und seine Spracherwerbsforschung angesprochen, denn sowohl das Phänomen joint attention als auch der Spracherwerb sind bei Tomasello nur auf der Grundlage eines Verstehens anderer als intentionale Akteure denkbar. In der Primatenforschung spielt diese Fähigkeit erst später eine Rolle - dann nämlich, wenn Tomasello sie über empirische Studien auch für nichtmenschliche Primaten nachgewiesen glaubt (s. unten). 16 Tomasello verweist hier beispielhaft auf die Arbeiten von Spelke/ Newport (1998) (bei Tomasello mit 1997 angegeben), Tooby/ Cosmides (1989) und Pinker (1998). VI Bis hierhin ist Tomasellos (damalige) Theorie zumindest als kognitiv geprägter Ansatz ausgewiesen. Charakterisiert ist sie u.a. durch das Streben, die entscheidenden kognitiven Fähigkeiten des Menschen identifizieren zu wollen, durch eine theoretische Verwurzelung in den kognitivistischen Arbeiten Jean Piagets und durch die methodologische Orientierung an der (holistischen) Kognitiven Linguistik. 14 Von vornherein vertritt Tomasello eine klassisch psychologische Position und fokussiert in diesem Rahmen die Kognition des Individuums. Dabei äußert er sich stets kritisch gegenüber nativistischen Modultheorien. Insbesondere betrifft seine Kritik die Aspekte (a) Angeborenheit, (b) Modularismus und (c) Formalismus. Während Tomasello sich in der Ablehnung einer formalistischen Perspektive weitgehend konsequent zeigt - seine Theorie des Erstspracherwerbs ist usage-based (cf. Tomasello 2003) und berücksichtigt den situativen Kontext (ohne dass dem Interaktionsprozess aber die ihm gebührende Beachtung geschenkt würde) -, sind hinsichtlich der beiden anderen Aspekte Zweifel angebracht. Zwar geht Tomasello bezüglich der Sprache nicht von einem eigenen Modul aus, glaubt zudem nicht an angeborenes Sprachwissen, er betont aber z.B. entgegen Piaget die Angeborenheit von Fähigkeiten des Verstehens von Dingen. Vor allem stellt er aber die Bedeutung der angeborenen Fähigkeit des Verstehens anderer als intentionale Akteure (bzw. der Identifikation mit anderen) heraus. Jene Fähigkeit nämlich ist entscheidend für die Säulen Tomasellos (früherer) Forschung 15 und begründet zugleich die gesamte Theorie zur artgeschichtlichen Erklärung des menschlichen Denkens. Inwieweit genau Tomasellos Ansatz nun als ‘Modultheorie’ gekennzeichnet werden darf, soll nachfolgend mit Blick auf die übergeordnete Theorieebene diskutiert werden. Nach Tomasello stellen sich nativistisch-modultheoretischen Ansätzen im Kontext einer artgeschichtlichen Erklärung der Entstehung menschlichen Denkens zwei elementare Probleme (cf. hierzu Tomasello 2002: 235-239, 68-70), die hier als (1) das Problem der Identifikation und Lokalisation von Modulen sowie (2) das zeitliche Problem bezeichnet werden sollen. So bestehe für Nativisten, die in der Gefolgschaft von Chomsky (1980) und Fodor (1983) eine gewisse Zahl angeborener Module annehmen 16 , zum einen die Schwierigkeit, derartige Module überhaupt erst einmal identifizieren zu müssen. Zwar würden manche Module wie die Sprachfähigkeit besonders häufig angenommen (weil man sie für die eindeutigsten Fälle halte), doch auch hier komme es unter Nativisten zu Kontroversen, zum Beispiel, was die Notwendigkeit der Annahme von Mini-Modulen betrifft (cf. Tomasello 2002: 235). Dass Tomasello den diesbezüglichen Versuch, bestimmte Module im Gehirn lokalisieren zu wollen, für besonders problematisch hält, wurde bereits erwähnt. Zum Zweiten sieht Tomasello Nativisten in besonderer Weise mit dem bereits oben angesprochenen zeitlichen Problem konfrontiert. Er stellt sein Modell der dualen Vererbung einem nativistischen Szenario gegenüber und gelangt dabei zu der Ansicht, dass man nicht für jeden einzelnen spezies- Rafael Mollenhauer 356 spezifischen Aspekt der Kognition (Sprache, Mathematik etc.) ein eigenes Modul veranschlagen könne, da maximal sechs Millionen, viel wahrscheinlicher aber gerade einmal 250 Tausend Jahre die menschliche Kognition von derjenigen anderer Primaten trennten (cf. Tomasello 2002: 68-70). Eine Theorie müsse daher vor allem die Bedeutung der schneller verlaufenden ontogenetischen und geschichtlichen Prozesse (statt phylogenetischer Anpassungsleistungen) in Rechnung stellen und untersuchen, inwiefern diese Prozesse bestimmte kognitive Funktionen erzeugen. Wenngleich nicht alle kognitiven Funktionen in gleichem Maße von ontogenetischen und geschichtlichen Prozessen abhingen, seien doch besonders sprachliche Symbole und soziale Institutionen die Produkte sozialer Interaktionen (cf. Tomasello 2002: 236). Demnach bestehe das zweite Hauptproblem von Modultheorien darin, dass […] sie versuchen, von der ersten Seite der Geschichte, nämlich der Genetik, zur letzten Seite, der gegenwärtigen menschlichen Kognition zu springen, ohne einen Blick auf die dazwischenliegenden Seiten zu werfen. Diese Theoretiker lassen somit in vielen Fällen formgebende Elemente sowohl des geschichtlichen als auch des ontogenetischen Zeitrahmens außer Betracht, die zwischen dem menschlichen Genotyp und Phänotyp eingeschaltet sind. (Tomasello 2002: 236-237) Anders als die Vertreter nativistischer Modultheorien nimmt Tomasello nur eine biologische Anpassung des Menschen mit Hebelwirkung an, nämlich das Verstehen anderer als intentionale Akteure (s. oben). Wenn diese neue Form der Sozialkognition auch nur zu einem bestimmten Zweck entstanden sein mag, entfalte sie ihre Wirkung aufgrund der Flexibilität kognitiver Anpassungen doch in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen (Kommunikation, Kooperation, soziales Lernen) und bei der Lösung verschiedener Probleme. So sei durch Interaktionen von Individuen im Laufe der Geschichte Soziales in Kulturelles umgewandelt worden und so finde in einem ontogenetischen Zeitrahmen eine Transformation von Fertigkeiten der Primatenkognition und kognitiven Repräsentation in Fertigkeiten des kulturellen Lernens und der perspektivischen Repräsentation statt (cf. Tomasello 2002: 237, 239). Einzelne Module für Bereiche wie Kooperation, Kommunikation und soziales Lernen anzunehmen, sei somit wenig sinnvoll: “Ich sehe also nicht, warum man die menschliche Kognition modularisieren sollte, und die vielen verschiedenen Vorschläge dafür, wie die Liste der menschlichen Module aussehen soll, belegen die praktischen Schwierigkeiten.” (Tomasello 2002: 239) Tomasellos derart aufgestellte Kritik an Modultheorien kann letztlich auf seinen eigenen Ansatz zurückgelenkt werden. So handelt es sich beim Verstehen anderer als intentionale Akteure (bzw. der diesem zugrundeliegenden Identifikation mit anderen) für Tomasello um die entscheidende evolutionäre Anpassungsleistung des Menschen und somit zweifellos um eine angeborene Fähigkeit. Diese Fähigkeit entfaltet ihre Wirkung nach Tomasello zwar in den verschiedensten Bereichen des Denkens, sie selbst macht aber nur einen Teil des Denkens aus und kann damit als ‘Modul’ aufgefasst werden. Neben ihr existiert aus Tomasellos Perspektive mindestens noch das Verstehen von Dingen. Da Kinder in diesem Bereich ihre Primatenerbschaft ausspielten (cf. Tomasello 2002: 73, s. oben), handelt es sich wiederum um eine angeborene Fähigkeit. Dass auch hier von einem umfassenden, in verschiedenen Bereichen des Denkens zur Anwendung gelangenden ‘Grundlagenmodul’ ausgegangen wird, geht aus Tomasellos Schilderungen nicht eindeutig hervor, ist angesichts des Umgangs mit dem Verstehen anderer als intentionale Akteure aber durchaus wahrscheinlich. Nicht ausgeschlossen ist aber auch eine Aufgliederung in ‘Mini-Module’, die Objektpermanenz, kog- Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 357 17 Im Original: Origins of Human Communication (2008), ausgezeichnet mit dem Eleanor Maccoby Book Award. nitive Landkarten etc. betreffen. Auch in dem von Tomasello behandelten Verstehen relationaler Kategorien ist schließlich eindeutig ein angeborenes ‘Modul’ zu sehen, da Tomasello hier von einem evolutionären Vorläufer des spezifisch menschlichen Verstehens von Intentionalität und Kausalität ausgeht (cf. Tomasello 2002: 28). Insofern in diesem Punkt auch von einer Zwischenstation die Rede ist, muss davon ausgegangen werden, dass das Verstehen anderer als intentionale Akteure auf dieser Fähigkeit aufbaut und sich erst auf diesem Fundament entfalten kann. Tomasello wird kaum annehmen, dass das Verstehen relationaler Kategorien wegfällt, sobald eine noch umfassendere neue Anpassung eintritt. Auch im Falle des Verstehens relationaler Kategorien muss es sich in Tomasellos Ansatz demzufolge um ein ‘Modul’ menschlicher Kognition handeln, sodass für Tomasellos damalige Forschung mindestens drei eigenständige, angeborene kognitive ‘Module’ des Menschen zu veranschlagen sind, von denen zwei mit nichtmenschlichen Primaten geteilt werden. Es ist zu vermuten, dass diese nativistisch-‘modultheoretischen’ Züge in Tomasellos Ansatz als direkte Folge seiner klassisch-psychologischen, am Individuum und der Kognition orientierten Grundausrichtung aufzufassen sind. Stehen nämlich die kognitiven Kompetenzen eines Individuums am Anfang der Betrachtung, entsteht zwangsläufig die Frage nach dem Ursprung dieser Fähigkeiten. Im Gegensatz zu klassischen Modultheorien beantwortet Tomasello diese Frage nicht, indem er für jedes spezifisch menschliche Vermögen ein eigenes angeborenes Modul veranschlagt. Er bemüht stattdessen verstärkt ineinander verzahnte ontogenetische und historische Prozesse, die allerdings erst auf dem Fundament eines angeborenen leistungsstarken ‘Grundlagenmoduls’ wirksam werden. Dieses wiederum existiert neben anderen, ebenfalls angeborenen ‘Modulen’, die mit der Primatenverwandtschaft geteilt werden. Tomasello unterscheidet sich von klassisch nativistischen Modultheorien demnach dadurch, dass nur ein spezifisch menschliches ‘Modul’ angenommen wird. Er unterscheidet sich von ihnen jedoch nicht in der grundlegenden Idee eines modularisierten Denkens. VII Wenn bisher von Tomasellos damaliger oder früherer Forschung die Rede war, ist damit schon impliziert, dass es eine neuere Forschung gibt, dass also ein (weiterer) Wandel in Tomasellos Theorie stattgefunden haben muss. In der Tat setzt Tomasellos zweites Hauptwerk, das ebenfalls preisgekrönte Buch Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation (2009) 17 , mit der Fokussierung spezifisch menschlicher Formen der Kooperation und Kommunikation - und speziell deren Genese - nicht allein andere Schwerpunkte. Zwar baut es in vielerlei Hinsicht auf früheren Überlegungen auf, während aber zuvor das Verstehen anderer als intentionale Akteure (bzw. die Identifikation mit anderen) als entscheidende evolutionäre Anpassung kognitiver Art für alle Besonderheiten des menschlichen Geistes verantwortlich zeichnen sollte (cf. Tomasello 2002), sind es nun Fertigkeiten geteilter Intentionalität, denen eben diese Rolle zukommt (cf. Tomasello 2009). Es ist nicht zu leugnen, dass hier ein besonders deutlicher Bruch in Tomasellos Theorie vorliegt. Dennoch wurde oben bereits gezeigt, dass Tomasellos Forschung einem stetigen Wandel unterliegt. Dieser wiederum ist verbunden mit einer immer stärkeren Betonung sozialer und kultureller Phänomene. Dass Tomasello sich in diesem Zuge allerdings schon Rafael Mollenhauer 358 18 Es gilt zu beachten, dass der Einfluss der Kultur an dieser Stelle nicht zum ersten Mal vorgebracht wird und von Tomasello schon früher in ganz ähnlicher Weise dargestellt wurde (cf. z.B. Tomasello 1992: 267-271). Angesichts der auf einen speziellen Aufsatz ausgerichteten Kritik anderer Autoren erfährt dieser Aspekt hier lediglich besondere Betonung früh dagegen wehrt, seine kognitionswissenschaftlichen Grundlagen aufzugeben, zeigt ein bereits 1996 erschienener Aufsatz mit dem Titel Cultural Learning and Learning Culture (Kruger/ Tomasello 1996). Der Artikel versteht sich als Antwort auf kritische Stimmen, die Tomasello, Kruger und Ratner für ihren Aufsatz Cultural Learning (1993) entgegengebracht wurden. Dem von Kulturanthropologen und Kulturpsychologen vorgebrachten Einwand, der Fokus habe in Cultural Learning zu sehr auf den Fähigkeiten des individuellen Kindes gelegen, schließen sich Kruger und Tomasello grundsätzlich an: “It is clear that our theory of cultural learning as we originally formulated and presented it focused too narrowly on the cognitive capacities of the individual child.” (Kruger/ Tomasello 1996: 370) Sie betonen, dass eine Theorie kulturellen Lernens nicht nur beachten müsse, “what the child brings to the culture”, sondern auch, “what the culture brings to the child” (Kruger/ Tomasello 1996: 370). 18 Zugleich stellen sie aber klar, ihre Orientierung an der Kognition des Individuums nicht aufgeben zu wollen (cf. Kruger/ Tomasello 1996: 369-370). In Anlehnung an Cole (1990) unterscheiden sie zwei grobe Richtungen der Kulturpsychologie und ihre Anwendung auf die menschliche Entwicklung. Während die eine den Fokus auf Kultur als kollektives Unterfangen lege und die individuelle Entwicklung aufgrund der Sozialität aller wichtigen Formen des Lernens weitgehend außer Acht lasse, folge die andere traditionellen psychologischen Ansätzen und betrachte das Individuum innerhalb der Kultur. Die Autoren rechnen ihre bisherige Arbeit der zuletzt genannten, klassisch psychologischen Richtung zu und sehen keinerlei Veranlassung, ihre Vorgehensweise zu ändern: “We have seen no data and heard no arguments to dissuade us from our more psychologically based view of cultural psychology” (Kruger/ Tomasello 1996: 370). An dieser Einstellung hat sich bis heute wenig geändert. Ein Blick in Tomasellos Werk zu den Ursprüngen der menschlichen Kommunikation (cf. Tomasello 2009) genügt, um festzustellen, dass das Fundament der Tomasellsochen Forschung noch immer in der Kognition des Individuums besteht, dass seine Ausrichtung also noch immer klassisch psychologisch ist. Ausgangspunkt der Überlegungen zur Genese der spezifisch menschlichen Kommunikation ist die Zeigegeste, die im Vergleich zur konventionellen sprachlichen Kommunikation deutlich weniger Information im Kommunikationsmittel selbst enthalte, trotzdem aber ein äußerst komplexes Kommunikationsmittel darstelle, mit dem in ein und derselben Situation höchst unterschiedliche Dinge ausgedrückt werden könnten (cf. Tomasello 2009: 13-14). Eine Antwort auf die Frage nach den Gründen für diese Komplexität müsse “sich stark auf kognitive Fertigkeiten beziehen […], die manchmal Fertigkeiten des Erfassens geistiger Zustände oder des Erfassens von Intentionen genannt werden.” (Tomasello 2009: 14) Im Fokus steht die Fähigkeit, mit anderen an Akten geteilter Intentionalität teilzunehmen. Deren psychologische Grundlage wiederum bestehe in einem Verstehen anderer als kooperative Akteure, das sich zusammensetzte aus (a) kognitiven Fertigkeiten zur Erzeugung gemeinsamer Intentionen und Aufmerksamkeit mit anderen und (b) sozialen Motivationen, anderen zu helfen und Dinge mit ihnen zu teilen (cf. Tomasello 2009: 84-85). Im Kern bleibt Tomasellos Ansatz damit am Individuum und dessen kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten orientiert und ist auch weiterhin von ‘modularem’ Denken geprägt. Das Verstehen anderer als intentionale Akteure wird in seiner Bedeutsamkeit durch ein Ver- Tomasello: Kultur- oder Kognitionstheorie? 359 stehen anderer als kooperative Akteure (gleichzusetzen mit geteilter Intentionalität) ersetzt. Geschuldet ist dieser Theoriewandel vermutlich den Ergebnissen verschiedener Studien, die das Verstehen der Intentionen anderer auch für nichtmenschliche Primaten nachgewiesen haben sollen (cf. z.B. Tomasello/ Carpenter 2005; Warneken/ Tomasello 2006), womit auf der Basis der Tomaselloschen Vorannahmen ein neues kognitives Alleinstellungsmerkmal des Menschen benötigt wurde. Dieses ist im Vergleich zum Verstehen anderer als intentionale Akteure insofern komplexer, als auch sozial-motivationale Faktoren und gemeinsame Intentionen eine Rolle spielen. Auch das augenscheinlich Soziale ist hier aber in das Individuum eingebettet. Sozial sind Intentionen und Motivationen bei Tomasello also nur insoweit, als sie auf etwas bzw. jemanden in der sozialen Umwelt gerichtet sind. In Konsequenz der von Tomasello gewählten kognitiv-‘modultheoretischen’ Grundlage können seine Überlegungen zur phylogenetischen und ontogenetischen Entstehung spezifisch menschlicher Kommunikation nur zu einer Theorie der Entstehung von Kommunikationsmitteln und der dahinterstehenden kognitiven Fertigkeiten, nicht aber zu einer Theorie der Entstehung spezifisch menschlicher Kommunikationsprozesse führen. Da Kommunikationsmittel ihrerseits aber immer schon ausschließlich in Kommunikationsprozessen Verwendung finden, der Kommunikationsprozess zudem mehr ist als die Summe seiner Teile, stellt sich die Frage nach der Erklärungsreichweite eines Ansatzes, der Kommunikationsmittel und ihnen mutmaßlich zugrundeliegende Aspekte der Kognition weitgehend isoliert betrachtet (wenn später auch soziale Aspekte addiert werden mögen). Dies betrifft nicht allein Tomasellos Überlegungen zur Entstehung menschlicher Kommunikation, sondern auch seine Thesen zur Entstehung des menschlichen Geistes, die sich ebenfalls nicht losgelöst von Interaktionsprozessen vollzogen haben kann. Literaturverzeichnis Baillargeon, Renee (1995): »Physical Reasoning in Infancy«. In: Gazzaniga, Michael (Hrsg.): The Cognitive Neurosciences. Cambridge, MA: MIT Press, S. 181-204. Bakeman, Roger / Adamson, Lauren B. (1982): »Coordinating Attention to People and Objects in Mother-Infant and Peer-Infant Interactions«. 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