eJournals Kodikas/Code 30/3-4

Kodikas/Code
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
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Das Spezifische an der Mensch-Umwelt-Beziehung ist die Relevanz von Sprache. Der Mensch tritt der Natur nicht unvermittelt gegenüber, sondern vermittelt durch Zeichen. Seit den 1980er Jahren erfuhr der traditionelle Metapherngebrauch deutlich weiterreichende Funktionen. Jede Metapher schafft nicht nur eine gewisse (neue) Ordnung der Dinge und Situierung der eigenen Person in verschiedenen "Welten", sie repräsentiert auch immer das, was man nicht sieht bzw. nicht sehen will. Metaphern können als Paradigmen unseres Naturverhältnisses aufgefasst werden.
2007
303-4

Naturmetaphern: Enthüllung und Verhüllung zugleich

2007
Wilhelm Trampe
Naturmetaphern: Enthüllung und Verhüllung zugleich Wilhelm Trampe (Osnabrück) It is the relevance of speech which is specific for the relation between humans and their environment. The individual does not face nature suddenly but via signs. Since the 1980th the traditional meaning of metaphors was complimented by the “cognitive turn” and the use of metaphors got a broader sense. Each metaphor not only creates a certain (new) arrangement of things and position of the very person in different “worlds”, it also, too, represents the unseen, willingly or not. Metaphors serve as paradigms of our understanding of nature. Das Spezifische an der Mensch-Umwelt-Beziehung ist die Relevanz von Sprache. Der Mensch tritt der Natur nicht unvermittelt gegenüber, sondern vermittelt durch Zeichen. Seit den 1980er Jahren erfuhr der traditionelle Metapherngebrauch deutlich weiterreichende Funktionen. Jede Metapher schafft nicht nur eine gewisse (neue) Ordnung der Dinge und Situierung der eigenen Person in verschiedenen “Welten”, sie repräsentiert auch immer das, was man nicht sieht bzw. nicht sehen will. Metaphern können als Paradigmen unseres Naturverständnisses aufgefasst werden. Mensch und Umwelt Ökologische Systeme existieren durch den permanenten Austausch von Materie, Energie und Information zwischen Organismen und deren Umwelt. Die Ökosysteme, in denen der Mensch lebt und die er wie keine andere Spezies beeinflusst und verändert, können als anthropogene Ökosysteme betrachtet werden. Das Spezifische an der Mensch-Umwelt- Beziehung ist die Relevanz von Sprache. D.h., der Mensch tritt der Natur nicht unvermittelt gegenüber, sondern vermittelt durch Zeichen. Die Sprache ist es bzw. die Sprachen sind es, die ihm seine eigenen kulturellen Welten schaffen lässt bzw. lassen. Seit der Etablierung des kognitivistischen Paradigmas in den Sprach- und Kommunikationswissenschaften Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wird besonders den Metaphern eine Schlüsselfunktion bei den Prozessen der Konstruktion von Wirklichkeit durch Sprache zugemessen. Dieses war nicht immer so. Metaphern in der philosophisch-philologischen Tradition In der philosophisch-philologischen Tradition wurden Metaphern lange Zeit als bloße rhetorische bzw. stilistisch-poetische Mittel gesehen, um etwas bildhaft bzw. bildlich darzustellen. Aus dieser Tradition heraus wird der Metapher sowohl Lob als auch Tadel gezollt: Während innerhalb der griechischen und römischen Antike (Aristoteles, Cicero, Quintilian), der Renaissance (Vico) und des Barock (Tesauro, Gracián) der Metapher vornehmlich K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 30 (2007) No. 3 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen Wilhelm Trampe 200 positive Funktionen zugesprochen wurden wie des etwas Vor-die-Augen-Führens, des Neuerkennen-Könnens und Ähnlichkeiten-sehen-Könnens findet sich in der Tradition der Aufklärung (Hobbes, Locke) eine Kritik des Gebrauchs von Metaphern, die in einen scharfen Gegensatz zu einem vernunftorientierten Sprachgebrauch gebracht werden, da sie Uneindeutigkeit, Verführung, Betrug und Täuschung ermöglichen. “Moderne” Metaphern Den primär auf die Betrachtung der poetischen Imagination und rhetorischen Geste ausgerichteten Auffassungen, die ich die traditionellen nennen will, steht nun durch die sog. ‘Kognitive Wende’ eine Auffassung gegenüber, die dem Metaphergebrauch deutlich weiterreichende Funktionen zuweist. Diese Vorstellung, die ich im Folgenden als die moderne bezeichne, geht davon aus, dass Metaphern konstitutiv sind für das Selbstverständnis des Menschen, das Verständnis der Mitmenschen als auch der sozialen, kulturellen und natürlichen Mitwelten. 1 Damit besitzen sie auch eine entsprechende Indikatorqualität. Prominenteste Vertreter dieser modernen Sichtweise sind die Amerikaner Lakoff und Johnson, die ihre Theorie, dass Metaphern unsere kognitiven Konzepte von Innenwelt und Außenwelt bestimmen, ausführlich in ihrem erstmals im Jahre 1980 erschienenen Werk ‘Metaphors We Live By’ darstellten. Obwohl als Wegbereiter dieser kognitiven Metaphern-Theorie insbesondere die Überlegungen von Trier und Weinrich zu nennen gewesen wären, fehlt eine Aufarbeitung dieser Ansätze bei Lakoff und Johnson. Ähnlich wie Trier/ Weinrich gehen Lakoff/ Johnson davon aus, dass es einen bildspendenden Bereich gibt, aus dem die Metapher stammt, und einen bildempfangenden Bereich, auf den die Metapher übertragen wird - Lakoff und Johnson sprechen von der ‘resource domain’ und der ‘target domain’. Nach dieser Auffassung hat jede Metapher ihren Sitz im Leben. Metaphern perspektivieren unser Erleben, unsere Erfahrung und unsere Erkenntnis. Aus der Bedeutung der Funktion in ihren jeweiligen Wirkungsfeldern schöpfen sie ihre Wirkungskraft. Lakoff und Johnson gehen sogar so weit zu behaupten, dass die Wirklichkeit selbst durch Metaphern bzw. metaphorische Konzepte bestimmt werde, da sie integraler Bestandteil der alltäglichen Sprache seien. Da Metaphern von Kultur zu Kultur unterschiedlich seien, seien es auch die entsprechenden Wirklichkeiten: “Jede Kultur muss eine mehr oder weniger effiziente Methode haben, wie die Menschen mit ihrer Umwelt umgehen können, um sich ihr sowohl anpassen als auch sie verändern zu können.” (Lakoff and Johnson 1999: 169) Auch wenn hier nicht die Meinung vertreten wird, dass menschliche Wahrnehmung und Kommunikation von Metaphern bzw. metaphorischen Konzepten vollständig determiniert sei, kann die kognitivistische Auffassung insofern vertreten werden, dass Metaphern bzw. metaphorischen Konzepten eine Schlüsselrolle bei der Konstruktion von Wirklichkeit zugebilligt wird. 2 Metaphern als “blinde Flecken” Auf ein wesentliches Element der Theorie von Lakoff und Johnson beziehe ich mich hier jedoch explitzit; darauf verweist bereits der Titel des Beitrags - Verhüllendes und Enthüllendes zugleich. Jede Metapher schafft nicht nur eine gewisse (neue) Ordnung der Dinge und Situierung der eigenen Person in verschiedenen ‘Welten’; sie repräsentiert auch immer das, was man nicht sieht bzw. sehen will. Zu dem ‘Sichtbar-Machen an’ gehört also immer auch Naturmetaphern: Enthüllung und Verhüllung zugleich 201 das ‘Verdecken durch’ bzw. das ‘Ausblenden’. Metaphern provozieren geradezu ‘blinde Flecken’ in unserer Wahrnehmung. Metaphern ermöglichen und behindern bestimmte Sichtweisen und Umgangsformen mit Sachverhalten, indem sie gleichzeitig etwas sichtbar machen - also einerseits uns bestimmte Aspekte vor Augen führen - und andererseits etwas verhüllen - bestimmte Gesichtspunkte ausblenden. Oftmals offenbart sich in der gleichzeitigen Verhüllung und Enthüllung so etwas wie ein Gestaltwandel - vergleichbar mit Springbildern aus der Gestaltpsychologie. So ist es z.B. für das Naturverständnis grundlegend, ob ich zur Beschreibung von Natur die Metapher von einem Organismus oder von einem gigantischen Uhrwerk benutze. Welche Gefahren mit dominanten metaphorischen Konzepten verbunden sein können, brachte Wittgenstein in der bereits oben genannten Tradition der Aufklärung in seinen Philosophischen Untersuchungen zum Ausdruck, wenn er beispielsweise schreibt: “Ein Bild hielt uns gefangen. Und heraus konnten wir nicht, denn es lag in unserer Sprache, und sie schien es uns nur unerbittlich zu wiederholen.” (PU, 115). Damit verweist Wittgenstein auf Metaphern, die uns zu Gefangenen oder zu Komplizen einer bestimmten Lebensform machen können. Wittgenstein, für den die Vorstellung von Sprache als Lebensform innerhalb seiner Spätphilosophie als Schlüsselbegriff bezeichnet werden kann, benutzt zur Kennzeichnung der ideologischen Basis der Lebensformen den Begriff des “Weltbildes” (ÜG, 94). Innerhalb sprachlicher Lebensform entstehen somit zwangsläufig Weltbilder, die Naturbilder enthalten. Jede natürliche Sprache enthält also bestimmte Naturzustände und -bilder, die sich durch ihre metaphorischen Zugänge enthüllen. Metaphern als “Vehikel” Metaphern sind keine Abbilder der Wirklichkeit. Metaphern als Medium des menschlichen Selbst- und Naturverständnisses erweisen sich als Vehikel spezifischer Beziehungs- und Bedeutungsstiftung im Umgang mit Natur. Anthropogene ökologische Systeme werden also auf informationeller Ebene maßgeblich durch metaphorische Konzepte geprägt. Ein zerstörerischer Umgang mit der Natur zeigte sich in dem Phänomen, das hinlänglich als ökologische Krise bezeichnet wird. Diese wurde bislang primär als eine Krise des materiellen und energetischen Naturverhältnisses betrachtet. Dass die ökologische Krise auch - und vielleicht sogar primär - als eine Krise unserer informationellen Systeme bzw. Kommunikationssysteme gesehen werden kann, wurde erst vor einigen Jahren innerhalb der sog. ‘Umweltwissenschaften’ erkannt, insbesondere als es um Untersuchungen zum sog. ‘Umweltbewusstsein’ ging. Allerdings nehmen ‘Umweltwissenschaften’ wie auch Humanökologie derzeit die Erkenntnisse der ökologischen Linguistik, die sich intensiv mit der Erforschung der sprachlichen Naturverhältnisse beschäftigt, nur beiläufig oder gar nicht zur Kenntnis (Trampe 2002b). Wenn die ökologische Krise auch - oder vielleicht sogar primär - als Kommunikationskrise im Umgang mit Natur gesehen werden kann, und davon werde ich im Folgenden ausgehen, so kommt dem metaphorischen Zugang zur Natur eine Schlüsselrolle zu. Wenn ich von Naturmetaphern spreche, so werden damit nicht nur metaphorische Konzepte zur Definition des Begriffs “Natur” angesprochen, sondern alle metaphorischen Bezüge im Umgang mit Natur i.w.S. Mit “Natur” soll all das gemeint sein, was unabhängig vom willentlichen Wirken des Menschen existiert oder so gedacht werden kann. 3 Welche Natur-Beziehungen und -Bedeutungen sind es nun, die in unseren derzeitigen Sprachgebrauch durch Metaphern enthüllt bzw. verhüllt werden? Wilhelm Trampe 202 Metaphern der Anthropomorphisierung und Utilitarisierung von Natur Naturgeschehen wird und Verhaltensweisen anderer Lebewesen werden nach menschlichen Maßstäben bezeichnet und kategorisiert. Der Nutzen ist entscheidend für die Bezeichnung und enthüllt Informationen über die Brauchbarkeit für den Menschen. Beispiele: Raubvogel, Raubtier, Pelztier, Fleischrasse, Fleischtier, Honigbiene, Milchkuh, Grüngürtel, der tropische Regenwald als grüne Lunge, Vorfluter, Ödland, die Erde als Warenhaus Wer sich die Metapher vom Ödland zu eigen macht, dem kann es passieren, dass er überrascht wird von der natürlichen Vielfalt, die sich auf einem solchen als öde klassifizierten Gebiet seinem aufmerksamen Blick offenbart. Enthüllt wird die Bewertung der ökonomischen Brauchbarkeit, verhüllt die Vielfalt und der Selbstwert der Organismen, Pflanzen und Landschaft. Metaphern der Objektivierung von Natur Natur wird sprachlich zum leblosen Etwas, das behandelt werden kann wie Sachen und Maschinen. Beispiele: das System der Natur als Maschine, Entwässerungsobjekt, Erneuerung des Grünstreifens, Auswechselung von Bäumen, Austausch von Grünzeug, Flächenstilllegung, Straßenbegleitgrün, Landschaftsverbrauch, Verschleiß von Landschaft, Fluss-, Gewässer- und Geländekorrektur, Nutzungsdauer von Tieren, sauberer Rasen, Pferdematerial, Empfängermaterial. Verhüllt wird dagegen ein Naturzugang, der getragen ist von einer Achtung vor der Natur, die jeden Organismus als teleologisches Zentrum von Leben auffasst. Ein noch radikalerer Entwicklungsschritt in Richtung Objektivierung zeigt sich in einer Technokratisierung von Natur. Metaphern der Technokratisierung von Natur Natur wird vom Standpunkt der Technik, der Verwaltung und des Funktionierens der Abläufe bezogen auf den Menschen betrachtet; die “Beherrschung” der Natur ergibt sich aus der Überzeugung von der Überlegenheit des Menschen gegenüber anderen Lebewesen, damit verbunden ist eine emotionale Distanzierung. Beispiele: die Erde als Raumschiff, Umweltmanagement, Ökosystemmanagement, Umweltverträglichkeitsprüfung, Ökosystemreparatur, Tierproduktion (Maisproduktion, Ferkelproduktionsanlage), Wachstumsstabilisatoren, Grünordnungsplan. Das Verhüllende an dieser Metaphorik ist die Einsicht von der letztendlich Nicht-Beherrschbarkeit von Natur, das Enthüllende die Hybris des Menschen. Die Metapher von der Produktion ist, ökologisch gesehen, irreführend, denn im Naturhaushalt bleibt der Mensch lediglich Konsument; diese bescheidene Rolle kann er nur durch sprachliche Fiktion überwinden. Naturmetaphern: Enthüllung und Verhüllung zugleich 203 Metaphern der Tabuisierung Alles, was mit anthropogenen Naturzerstörungen und Tötungen von Pflanzen und Tieren zusammenhängt, wird metaphorisch verhüllt, ausgeblendet. Beispiele: Artenrückgang, das Eingehen von Tierbeständen, das Verschwinden der Arten, Unkrautbehandlung, Pflanzenschutz, Ackerfreihaltung, Präventivspritzung von Ackerflächen, Landschaftsverbrauch, Umweltverschmutzung. Wer lediglich die Umwelt als verschmutzt sieht, wird sich des Verhüllten nicht auf den ersten Blick bewusst werden. Dem Enthüllten ist das Verhüllte entgegenzustellen: Umwelt als Mitwelt, deren Teil wir sind, und die Bedrohung durch die Gefährdung der Lebensgrundlagen, die die Schmutz-Metapher verhüllt. Eine Enthüllung der Tabus beispielsweise durch eine differenzierte Darstellung der Zerstörungspotentiale und die Herausstellung des Agens würde das Ausmaß der ökologischen Krise erst in das Bewusstsein bringen, statt dessen greifen Techniken der Verschleierung, Euphemisierung und Verdrängung. Die Perspektive bestimmt die Metapher Die hier vorgestellte Auflistung ist sicherlich ergänzungsfähig. Einige Beispiele lassen sich durchaus verschiedenen Klassen zuordnen. Hier ging es lediglich darum, einen ersten Versuch zur Klassifizierung der metaphorischen Zugänge im Sprachgebrauch zur Perspektivierung unseres sprachlichen Naturverhältnisses vorzustellen. Auffällig ist, dass bildspendende Bereiche für Naturmetaphern häufig Technik und Ökonomie sind. Die Beispiele lassen - um mit Lakoff und Johnson zu sprechen - auf entsprechende Netze semantisch verwandter Konzepte schließen. Metaphern können als Paradigmen unseres Naturverständnisses aufgefasst werden. Paradigmatische Naturzugänge können metaphorisch wiederum als ‘ideologische Landschaften’ bezeichnet werden. Der Beispielkatalog und die vier aufgezeigten Tendenzen zeigen, wie es uns gelingt, durch Metaphern eine durchgehend anthropozentrische Perspektive und damit ein anthropozentrisches Welt- und Leitbild zu konstruieren. Innerhalb anthropozentrischer metaphorischer Konzepte wird Natur degradiert zu einem Objekt, das der Mensch technisch und ökonomisch zur Verfügung hat - ein Objekt, das nur einen Wert besitzt in Bezug auf menschliche Werte. So spricht beispielsweise Goatly (2001) - in Anspielung auf den Titel des Buches von Lakoff und Johnson - bei der Bewertung der Gefahren durch einen entsprechenden Metapherngebrauch von ‘metaphors we die by’, wenn diese nicht durch Alternativen korrigiert werden können. Im Gegensatz dazu betont eine bio- oder ökozentrische Perspektive den Subjektcharakter von Natur und die Natureingebundenheit des Menschen (vgl. dazu Trampe 2002a). Dem Menschen werden hier grundsätzlich nicht mehr Rechte eingeräumt als anderen Spezies; auch von einer Überlegenheit des Menschen gegenüber den anderen Lebewesen kann - evolutionsökologisch gesehen - nicht mehr die Rede sein. Damit verbunden ist auch eine Haltung der Achtung vor der Natur, wie sie sich beispielsweise bei einigen sog. ‘Naturvölkern’ finden lässt. Anthropozentrische Metaphorik verwenden heißt, Natur in ihrem Eigenwert nicht zur Sprache kommen zu lassen und damit die ökologische Krise zu manifestieren und die Überlebensbedingungen der Vielfalt der Kreaturen auf diesem Planeten zu verschlechtern. Wilhelm Trampe 204 Die Entwicklung und Verwendung einer nicht-anthropozentrischen Metaphorik stellt aus einer ökozentrischen Perspektive einen wichtigen Schritt im Hinblick auf die Etablierung eines nachhaltigen Naturschutzes dar, der diese Bezeichnung auch verdient. Erste Ansätze einer alternativen Metaphorik zeigen sich in einem spielerisch-satirischen Gebrauch von Metaphern in Abgrenzung von einer anthropozentrischen Metaphorik, indem beispielsweise statt von einer Hühnerproduktionsanlage von einem Hühner-KZ oder einer Hühner-Fabrik oder statt von Intensivlandbau von einer Agrarsteppe gesprochen wird. Wie eine nicht anthropozentrische Metaphorik aussehen könnte, muss die Zukunft zeigen. Hier ist die sprachliche Kreativität der Sprecher-Hörer-Individuen gefragt, wenn Natur in ihrem Selbstwert zur Sprache kommen soll. Literatur Bertau, M.-C. 1996: Sprachspiel Metapher. Denkweisen und kommunikative Funktion einer rhetorischen Figur, Opladen Goatly, A. 2001: “Green Grammar and Grammatical Metaphor, or Language and Myth of Power, or Metaphors We Die By”, in: Fill, A. und P. Mühlhäusler (eds.): The Ecolinguistics Reader. Language, Ecology and Environment, London/ New York, S. 203-225 Harré, R., J. Brockmeier and P. Mühlhäusler 1999: Greenspeak. A Study of Environmental Discourse, Thousand Oaks, London, New Delhi Lakoff, J. and M. Johnson 1980: Metaphors We Live By, Chicago (dt.: Leben in Metaphern, Heidelberg 1999) Meisner, M.S. 1995: “Metaphors of Nature. Old Vinegar in New Bottles? ”, in: Trumpeter 12.1 (1995): 11-18 Trampe, W. 2002 a: “Gibt es einen biozentrischen Sprachgebrauch? ”, in: Rapp, R. (ed.): Sprachwissenschaft auf dem Weg in das dritte Jahrtausend, Bd. 2: Sprache, Computer, Gesellschaft, Frankfurt a.M., Berlin u.a., 529-537 Trampe, W. 2002 b: “Ökologische Linguistik und Humanökologie”, in: Fill, A. / H. Penz, W. Trampe (eds.): Colourful Green Ideas, Bern, Berlin u.a., 89-102 Trampe, W. (ed.) (in Vorb.): Metapher und Ökologie - Metaphor and Ecology, Münster-Hamburg-Berlin-London Wittgenstein, L. 1984: Werkausgabe, Bd. 1: Philosophische Untersuchungen, Bd. 8: Über Gewissheit, Frankfurt a.M. Anmerkungen 1 Innerhalb einer Typologie der Metapherntheorien wären neben den derzeit einflussreichsten Kognitionstheorien als weitere Theorien beispielsweise die Vergleichstheorie, Substitutionstheorie und Interaktionstheorie der Metapher zu nennen, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann (s. dazu z.B. Bertau 1996). 2 Kritisch angemerkt sei an dieser Stelle auch, dass Lakoff und Johnson in ihrer Theorie keinen Weg von der Sprache oder den Begriffen zurück zu den Erfahrungsstrukturen aufzeigen. Eine ökolinguistische Theorie der Metapher, die an dieser Stelle nicht dargestellt werden kann, geht von einer dynamischen Interpendenz aus (Trampe ed., [in Vorb.]). 3 Nach Harré, Brockmeier und Mühlhäusler (1999: 93ff.) lassen sich historisch mindestens drei paradigmatische Naturmetaphern unterscheiden: Natur als Buch, das von Gott geschrieben wurde (Mittelalter); Natur als menschlicher Körper/ Organismus (Renaissance) und Natur als Maschine (Aufklärung bis heute). Meisner (1995: 12) spricht zusätzlich von Natur als etwas Wunderbarem.