eJournals Italienisch 40/80

Italienisch
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
2018
4080 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

Marco Faini: L'alloro e la porpora. Vita di Pietro Bembo. Roma: Edizioni di Storia e Letteratura 2016 [ristampa 2018], 201 Seiten, € 26,00

2018
Rafael Arnold
135 Kurzrezensionen Marco Faini: L’alloro e la porpora. Vita di Pietro Bembo. Roma: Edizioni di Storia e Letteratura 2016 [ristampa 2018], 201 Seiten, € 26,00 Dem Leben Pietro Bembos (1470-1547) sind bereits einige Bücher gewidmet worden. 1 Dem Titel der hier anzuzeigenden Biographie des Literaturwissenschaftlers Marco Faini ist bereits zu entnehmen, dass hier der Dichter und der Kardinal im Mittelpunkt stehen; Bembos philologische und grammatikographische Tätigkeit wird zwar ebenfalls erwähnt, spielt aber keine prominente Rolle. Insofern kann diese Biographie komplementär zu Giuseppe Patotas Buch (s.o.) gelesen werden. Am Beginn steht ein unvermittelt im Jahre 1487 einsetzender Prolog: Pietro, Sohn des venezianischen Botschafters Bernardo Bembo, ist ein junger Mann und befindet sich in Venedig mit einem Bündel Papieren unter dem Arm auf dem Weg zum Gericht. Plötzlich wird er vom einem anderen jungen Mann, einem gewissen Giusto, angegriffen, es kommt zu einer Rauferei, Waffen werden gezückt, und am Ende verliert Pietro fast den kompletten Zeigefinger, was für ihn ein lebenslanges Handicap bedeutete. Jahre später, 1502, berichtet Pietro in einem Brief an Giuliano de’ Medici, Sohn Lorenzos des Prächtigen, in gelassenem Ton über diesen Vorfall und Verlust. Giuliano kannte sich aus, hatte er doch selbst als Vierzehnjähriger durch einen Unbekannten nachts in Florenz ein Glied des linken Zeigefingers verloren (wie man auf der Kopie eines Porträts nach Raffael, das im Metropolitan Museum in New York hängt, sehen kann). Und noch eine andere berühmte Person der Zeit, der Schriftsteller und Dichter Pietro Aretino, wurde ebenfalls an der Hand verletzt - diesmal allerdings mit voller Absicht. Die drei in Marco Fainis Prolog zusammengebrachten Personen teilten aber nicht nur das Schicksal der körperlichen Versehrung, sondern vielmehr die Zeitgenossenschaft in der Hochphase der Renaissance. Marco Faini beginnt mit dieser nur scheinbar willkürlichen suggestiven Synopse seine Erzählung von Bembos Leben. Bedauerlich ist, dass der Kind- 1 Siehe die zeitgenössische Biographie von Giovanni della Casa, Vita di Pietro Bembo (a cura di Claudio Piga e Giancarlo Rossi), Torino 2016 und Ludovico Beccadelli, Vita del Cardinale Pietro Bembo alla quale succedono alcune lettere inedite del medesimo, Bologna 1799 sowie Vittorio Cian, Un decennio della vita di M. Pietro Bembo. Appunti biografici e saggio di studi sul Bembo (1521-1531), Torino 1885. Und aus jüngerer Zeit: Carlo Dionisotti, Scritti sul Bembo (a cura di C. Vela, Torino 2002) und - mit Vorsicht zu genießen - C. Kidwell, Pietro Bembo. Lover, Linguist, Cardinal, Montreal et al. 2004. Italienisch_80.indb 135 01.03.19 12: 09 136 Kurzrezensionen heit Bembos auch hier - wie in anderen Biographien - nicht mehr Raum gegeben wird, ist sie doch bislang wenig ausgeleuchtet worden. Er führt uns einen selbstbewussten, freigebigen, geselligen Menschen vor Augen, dessen Umgang von vielen Zeitgenossen, speziell den weiblichen, als besonders angenehm geschildert wurde, einen Mann, der sich in den obersten Gesellschaftskreisen zu bewegen wusste und der sich mit großem Eifer der Literatur widmete. Zudem kommt als weitere Seite seiner Persönlichkeit die eines stillen Sammlers von Büchern und Kunstwerken zum Vorschein, und - nicht zuletzt - auch die des zurückgezogenen Gelehrten («sepolto fra i libri»). Die vielen Lebens- und Reisestationen (Ferrara, Padua, Florenz, Urbino, Messina und immer wieder Rom), die das unstete Leben dieses Humanisten prägten, werden von Faini dabei nicht stur der Chronologie nach aufgesucht, stattdessen verfolgt und bündelt er die Ereignisse nach bestimmten Themen oder Fragestellungen, was dem Buch einen sehr abwechslungsreichen Charakter verleiht. So folgen wir im ersten Kapitel nicht weiter dem Siebzehnjährigen und seinen zwei Leidensgenossen, sondern begegnen dem knapp sechzigjährigen Bembo, der auf einen Besucher wartet. Es handelt sich dabei um den berühmten Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini, der im Auftrag Bembos eine bedauerlicherweise nicht erhaltene Medaille mit Porträt des arrivierten Humanisten herstellen sollte. Während Pietros Vater hohe Ämter in seiner Heimatstadt Venedig bekleidete und schließlich sogar Mitglied des Consiglio de’ Dieci wurde, ist die politische Karriere des Sohnes von zahlreichen Rückschlägen geprägt. Immer wieder wurden seine Kandidaturen zurückgewiesen. Fast schien es ihm, als sei es sein Schicksal, überall Erfolg zu haben - nur nicht in seiner Heimat («dalla mia patria solo ho sempre ricevuto vergogna e desamorevolezza e incommodi» 2 . Ob er darüber aber wirklich so unglücklich war, mag angezweifelt werden, fehlte ihm doch laut Faini der politische Ehrgeiz. 1530 erhielt der bisher in seiner Heimat Geschmähte jedoch den Auftrag, eine Geschichte seiner Vaterstadt («Historia vinitiana») zu schreiben, was er zuerst auf Latein tat, um sie dann selbst ins volgare zu übersetzen. Endlich scheint er Frieden mit seiner Vaterstadt geschlossen zu haben. Inzwischen hatte er sich längst auf einem ganz anderen Gebiet einen Namen gemacht: Sein Werk De Aetna war 1496 bei Aldus Manutius in einer besonderen, von Francesco Griffo eigens geschaffenen Schrifttype erschienen, die bis heute den Namen Bembo trägt. Faini macht nachvollziehbar, von welch tiefgreifender Bedeutung die Zusammenarbeit mit dem venezianischen Drucker für Bembos philologische Tätigkeit war. Es folgten die bahnbrechen- 2 So schrieb Bembo rückblickend in einem in Fainis Werk zitierten Brief, den er nach 1525 an seinen Freund Giovanni Battista Ramusio verfasste. Italienisch_80.indb 136 01.03.19 12: 09 137 Kurzrezensionen den Ausgaben von Petrarcas Gedichten (1501) und der Göttlichen Komödie Dantes (Le Terze Rime di Dante, 1502), für die Bembo kostbare Handschriften kollationiert hatte. Faini kommt immer wieder auf die Zusammenarbeit mit Manutius und das brodelnde kulturelle und intellektuelle Milieu in der Lagunenstadt zurück und berichtet etwa von den Zusammenkünften eines Humanistenzirkels, für den Bembo Statuten (Leggi dell’Amicitia oder Leggi della Compagnia degli Amici) verfasste, die handschriftlich überliefert sind. Von Hause aus mit den Themen und Vorlieben eines humanistisch geprägten Publikums vertraut, wurde Bembo durch Begegnungen mit herausragenden Persönlichkeiten seiner Zeit, darunter Angelo Poliziano, Costantino Lascaris und Baldassare Castiglione, stark geprägt. Sie beförderten seine Studien und seine Auffassungen von Sprache, Literatur und Kultur. Mit einigen teilte er seine Passion für das Lateinische («più degna lingua») und das Griechische, anderen war er durch seine Prose della volgar lingua, aber auch durch die Asolaner Gespräche (Gli Asolani, 1505) zum bewunderten Vorbild in der italienischen Volkssprache geworden. Marco Faini schildert auf spannende Weise das humanistische Projekt, dessen Motor Bembo war, mit allen Facetten und kommt zu dem Schluss, dass Bembos sprachliche und kulturelle Leistung in der Res publica litteraria gewissermaßen dem patriotischen Dienst für die Republik von Venedig, für den er sich auf Wunsch des Vaters so oft vergeblich beworben hatte, gleichkommt. Darüber hinaus sieht Faini in dem Bemühen der Befürworter des volgare um eine sprachliche Einheit, die den Austausch von Ideen und literarischen Erzeugnissen ermöglichen sollte, einen Gegenentwurf zu den turbulenten politischen Ereignissen, die zu einer Zersplitterung Italiens in viele Kleinstaaten und Fremdherrschaft geführt hatten. Aber nicht alles drehte sich bei Bembo um die ‘großen Dinge’. Seine ausgeprägte Leidenschaft für das schöne Geschlecht brachte manche Turbulenz in sein Leben, machte ihn aber zugleich besonders auf dem Gebiet der Dichtung auch äußerst produktiv. Faini konzentriert sich auf drei Frauen, die eine zentrale Rolle in Bembos Leben spielten: Maria Savorgnan, eine verheiratete Adlige und Dichterin aus Venedig, Lucrezia Borgia, Tochter von Papst Alexander VI. und femme fatale, sowie Faustina Morosina della Torre, bekannt unter dem Namen «La Morosina». An der Seite der Asolani, die bekanntermaßen nicht nur von Liebe handeln, sondern vor allem ein literarisches Modell darstellten, wie man über Liebe schreiben und reden konnte, stehen viele lyrische Produktionen Bembos, wie beispielsweise das Gedicht «Ad Lucretiam Borgiam», in der Tradition Petrarcas, aber auch andere, die in frivoler Weise die Körperlichkeit der Liebe besingen (an erster Stelle die wenig gelesenen Motti). Sie alle zusammen können als literarische Früchte seiner Liebe angesehen werden. Italienisch_80.indb 137 01.03.19 12: 09 13 8 Kurzrezensionen So erfolgte Bembos Erhebung zum Kardinal im Jahr 1539 auch gegen gewisse Widerstände angesichts seiner amourösen Beziehungen und der Tatsache, dass er mit «La Morosina» more uxorio zusammenlebte und mit ihr drei Kinder (Lucilio, Elena und Torquato) hatte. Aber nicht nur diese ‘fleischliche’ Seite Pietro Bembos war es, die seiner kirchlichen Karriere zunächst im Weg stand, auch seine Vorliebe für Kunstwerke, speziell für Medaillen - der in der umfassenden Ausstellung «Bembo e l’invenzione del Rinascimento» im Frühjahr 2013 in Padua zu Recht eine hervorgehobene Stellung zugemessen wurde -, «questa sua sensualità» machte ihn, wie ihm bewusst war, in den Augen frommer Kirchenmänner verdächtig. Und doch sollte in den Jahren bis zu seinem Tod 1547 eine ernst gemeinte kirchliche Laufbahn folgen. Es ist das Verdienst von Marco Fainis Biographie, Pietro Bembo hinter dem erstarrten Bild des humanistischen Sprachmeisters und kirchlichen Würdenträger wieder lebendig zu machen. Durch die anschauliche und kenntnisreiche Lebensschilderung dieses leidenschaftlichen, an Widersprüchen nicht armen, hochgebildeten und einflussreichen Gelehrten der Renaissance gelingt es Faini, dem Leser einen Eindruck davon zu vermitteln, dass Kultur auf unablässiger Tätigkeit von Individuen beruht, in deren Leben das Streben nach einem bestimmten kulturellen Ideal manifestiert. Rafael Arnold Italienisch_80.indb 138 01.03.19 12: 09