eJournals Italienisch 40/79

Italienisch
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
Nelle scuole tedesche ci sono relativamente pochi studenti di italiano. Questo solleva delle domande in riferimento al futuro della materia. La scelta di un percorso di studi in italiano (Lehramtsstudium) potrebbe pertanto essere condizionata da come gli aspiranti insegnanti valutano le chance per la propria carriera professionale e dalla possibilità di scegliere l’italiano come materia loro stessi a scuola. Particolarmente interessante è cosa ne pensano le persone che hanno un origine migratoria italiana. Nel presente saggio vengono date delle prime risposte a queste domande. Esse si basano sui risultati che sono stati condotti in un’intervista dal 2016 all’Università Ruhr di Bochum con ex ed attuali studenti.
2018
4079 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

«Italienisch ist für mich das Nonplusultra»

2018
Jan Scheitza
Judith Visser
77 JA N S C H E I T Z A / J U D I T H V I S S E R «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Zum Zusammenhang von Sprachlernbiographie und dem Berufswunsch ItalienischlehrerIn 1 1. Einleitung Das Statistische Bundesamt beziffert die Zahlen der Italienisch lernenden SchülerInnen an allgemeinbildenden Schulen für die Schuljahre 2014/ 15 sowie 2015/ 16 auf gut 50 .000 (+ ca 5 .000 an beruflichen Schulen) . 2 Das Fach steht damit weit abgeschlagen hinter dem Spanischen (> 400 .000 + > 125 .000 an beruflichen Schulen) und sogar deutlich hinter dem Russischen «Welche Sprache neben Englisch auf dem Stundenplan der weiterführenden Schulen steht», so zitiert der Spiegel im August 2015 eine Mitarbeiterin des Goethe-Instituts, sei «eine zutiefst pragmatische Entscheidung […] Es gilt: Sprachen aus wirtschaftlich prosperierenden Ländern sind attraktiver als die von Staaten in einer Dauerkrise» 3 Das Schulfach Italienisch dürfte die Sprache eines solchen Landes vertreten, das in der jüngeren Vergangenheit durch manche Krisen von sich hat reden lassen und zurzeit wohl nicht zu den «wirtschaftlich prosperierenden» Staaten zu zählen ist, die zumindest am Goethe-Institut Schülerzahlen positiv zu beeinflussen scheinen Bei Italienisch handelt es sich eher um ein Nischenfach, das nur an ausgewählten Schulen angeboten wird und für das wenige Lehrkräfte benötigt werden 4 , auch wenn das Bildungsportal des Landes NRW betont: «Vor dem Hintergrund intensiver Kultur- und Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Italien leistet der Italienischunterricht in Nordrhein-West- 1 Unser Dank gilt Laura Hache für die Transkription der Interviews und dem Center of Educational Studies der Ruhr-Universität Bochum für die Gewährung einer finanziellen Unterstützung 2 Https: / / www .destatis .de/ DE/ ZahlenFakten/ GesellschaftStaat/ BildungForschungKultur/ Schulen/ Tabellen/ AllgemeinBildendeBeruflicheSchulenFremdsprachUnterricht .html (07 .06 .2017) 3 Http: / / www .spiegel .de/ lebenundlernen/ schule/ europa-diese-fremdsprachen-lernenschueler-a-1046284 .html, 07 .06 .2017) 4 Zu NRW vgl https: / / www .schulministerium .nrw .de/ docs/ LehrkraftNRW/ Arbeitsmarkt/ Prognosen .pdf (07 .06 .2017) «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 78 falen einen wesentlichen Beitrag zur Erziehung von Mehrsprachigkeit in einem zusammenwachsenden Europa» . 5 Für deutsche Universitäten, die das Fach Italienisch allgemein, insbesondere aber den Master of Education (M .ed .) Italienisch anbieten, ist diese Bestandsaufnahme wenig vielverheißend Es drängt sich die Frage auf, ob sich die in Bezug auf den Unterricht am Goethe-Institut getroffene Feststellung, die Wahl der Sprache sei insbesondere pragmatisch bedingt, auch auf das Studienfach bzw den Beruf übertragen lässt Entscheiden sich potentielle angehende ItalienischlehrerInnen für oder gegen das Fach, weil die Berufsaussichten gering sind und das Land in einer ökonomischen Krise steckt, die auf kurze Sicht keine Erhöhung der SchülerInnenzahlen verspricht? Ist die Antwort auf die Frage ein Ja, steuert der M .ed Italienisch an manchen Universitäten möglicherweise in eine unsichere Zukunft Oder sind es andere Motive, die Studierende für die Wahl des Studienfachs begeistern? Und lassen sich aus diesen vielleicht Perspektiven für die Entwicklung des Faches ableiten? Erste Antworten auf diese Fragen sollen aus einer laufenden Interviewstudie gewonnen werden, die seit Sommer 2016 an der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wird Das Untersuchungsdesign ist breit gefasst und zielt auf die Systematisierung zahlreicher Beobachtungen auf verschiedenen Ebenen der LehrerInnenausbildung hin, die auf einen Zusammenhang zwischen Sprachlernbiographie und späterem LehrerInnenhandeln hindeuten (cf Caspari 2003) Für die nachfolgenden Ausführungen sollen diejenigen Fragen im Zentrum stehen, die sich den Motiven für die Wahl des Italienischen als Schulfach und insbesondere als Studienfach widmen Für die Kontextualisierung der Ergebnisse wird das Design der Studie mit ihrem Erkenntnispotenzial einleitend kurz skizziert 2. Ausgangslage für die Beobachtungen und die Befragung Die Ruhr-Universität Bochum ist in der Region die einzige Universität, die den M .ed .-Studiengang Italienisch anbietet Das Fach wird von vielen Studierenden gewählt, die einen italienischen Migrationshintergrund aufweisen In einer zunächst oberflächlichen Betrachtung scheinen sich diese Studierenden von denjenigen ohne familiäre italienische Mehrsprachigkeit z .B dadurch zu unterscheiden, dass Letztere Defizite in der Sprachbeherrschung aufweisen, aber Stärken im expliziten Wissen vorweisen können (Sprachwissen > Sprachkönnen), während Erstere über sehr gute sprachliche, häufig jedoch 5 Https: / / www .schulministerium .nrw .de/ docs/ Schulsystem/ Unterricht/ Lernbereicheund-Faecher/ Fremdsprachen/ Italienisch/ index .html (07 .06 .2017) Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 79 intuitive Kenntnisse (Sprachkönnen > Sprachwissen) verfügen, aber Schwierigkeiten haben, sich in die Perspektive des nicht-muttersprachlichen Lerners hineinzuversetzen In Bezug auf die Sprachkenntnisse ist allerdings anzumerken, dass die häufig keinem akademischen Elternhaus entstammenden Studierenden zu Hause eher dialektales Italienisch, i .d .R südlicher Provenienz (cf Bernhard, 2013, S 186), sprechen, das vom Standarditalienischen der Schulbücher sehr deutlich abweicht Die sich aus einer möglicherweise dialektalen sprachlichen Sozialisation ergebenden Konsequenzen in Hinblick auf die spätere Ausübung des Lehrerberufs können wesentlich sein Inwiefern sie relevant für die Wahl des Studienfachs Italienisch sind, soll die diesbezügliche Auswertung der Interviews zeigen 3. Design der Studie 3.1 Forschungsfragen Die Studie setzt sich aus auf den ersten Blick recht heterogen wirkenden Forschungsfragen zusammen, die sich in drei Komplexe bündeln lassen, von denen der erste im vorliegenden Beitrag im Zentrum stehen wird 1 Die erste zentrale Frage ist, welche Faktoren sich als ausschlaggebend für die Wahl des Studienfachs M .ed Italienisch erweisen: Gibt es systematisierbare Zusammenhänge zwischen der Sprachbiographie und dem Wunsch, ItalienischlehrerIn zu werden? 2 Daran schließen sich Überlegungen an, wie hoch der Grad an Sprachreflexion bei den Studierenden mit unterschiedlichsten Sprachbiographien ist Wie ausgeprägt ist ihre Sprachbewusstheit 6 ? Worauf könnten die sich manifestierenden Unterschiede zurückzuführen sein? 3 Schließlich ist aus didaktischer Perspektive die Frage zu stellen, welche subjektiven Theorien bzw Hypothesen (Groeben et al ., 1988; Grotjahn, 1998; Kallenbach, 1996) sich aus den spezifischen (Sprach)biographien ergeben? Welche Faktoren (Borg 2006, S 41) beeinflussen diese? Lassen sich daraus erste Hypothesen zu Konsequenzen für den späteren Berufsalltag ableiten? 6 Angesichts der Tatsache, dass die Sprachbewusstheit als transversale Kompetenz inzwischen in den Kernlehrplänen einen zentralen Stellenwert einnimmt, ist die Frage der Fähigkeit metasprachlicher Reflexion von hoher Relevanz für das zukünftige Lehrerverhalten «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 8 0 3.2 Zielgruppe/ Informanten Gegenstand des Forschungsvorhabens sind (ehemalige) Studierende mit dem Berufsziel Lehramt Italienisch auf allen Ebenen der Ausbildung, also auch während und nach dem Referendariat Bislang wurden 31 Interviews durchgeführt, die zwischen 18 und 50 Minuten dauerten Die Informanten wurden direkt, z .B in Lehrveranstaltungen, und indirekt über entsprechende Verteiler angesprochen In einigen Fällen wurde die Möglichkeit zur Teilnahme aber auch unter den Interviewten selbst weiterverbreitet 21 der bislang befragten InformantInnen waren weiblich, zehn männlich Der/ Die jüngste InformantIn war 20, der/ die älteste 37 Jahre alt 7 Wenige InformantInnen befanden sich zum Zeitpunkt des Interviews noch im B .A ., der Großteil war hingegen bereits in den M .ed (in verschiedene Studienordnungen, in verschiedenen Semestern 8 ) eingeschrieben oder hatte ihn gerade beendet Einzelne Studierende befanden sich im ‘Übergangssemester’, konnten daher aus der hier interessierenden inhaltlichen Sicht, d .h bezogen auf die Frage, wie weit sie in der Ausbildung sind, nicht eindeutig dem B .A oder M .ed zugeordnet werden Vier InformantInnen hatten kurz vor ihrer Befragung den Vorbereitungsdienst abgeschlossen, drei befanden sich kurz bzw ein halbes Jahr vor dem Ende desselben, ein Informant hatte ihn kurz zuvor erst begonnen 3.3 Leitfrageninterview Als Erhebungsmethode wurde das leitfadengestützte Interview gewählt, das am besten geeignet erscheint, die Spracheinstellungen und subjektiven Hypothesen zu elizitieren Das Interview lässt sich in bestimmte Fragetypen systematisieren: a Biographische Fragen nach Alter, Geburtsort und Wohnorten, Herkunft der Familie; b Fragen nach der Sprachbiographie, Einflüssen auf die Sprachbiographie, nach der Präsenz des Italienischen im Alltagsleben; c nach dem Stand des schulischen und universitären Werdegangs, dem Stand der Ausbildung; 7 Gesamt: 2x20 Jahre, 4x24 Jahre, 3x25 Jahre, 4x26 Jahre, 7x27 Jahre, 1x28 Jahre, 3x30 Jahre, 1x31 Jahre, 2x32 Jahre, 1x33 Jahre, 1x34 Jahre, 1x35 Jahre, 1x37 Jahre 8 Für die vorliegende Zielsetzung ist eine Zuordnung zu geltenden Studienordnungen nicht von Belang Für weiterführende Analysen des Interviewmaterials wird dies nicht gelten, da z .B die Entwicklung der Sprachbewusstheit substantiell von der Frage abhängen könnte, ob die Studierenden ein Praxissemester durchlaufen haben, was wiederum von der studierten Studienordnung abhängig ist Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 81 d nach dem Grund der Wahl der Studienfächer, d .h der Fächerkombination und der Entscheidung für den M .ed Italienisch; e nach der Eignung der aktuellen Struktur des Studiengangs für die Sprachbiographie; f nach einer Selbsteinschätzung der Sprachkompetenz im Italienischen, bei der in Unterkategorien differenziert wurde; hier ist nicht zuletzt interessant, inwiefern die InformantInnen sich in Hinblick auf ihre Sprachkenntnisse im Varietätensystem verorten können; g nach Unterrichtserfahrung und einer Selbsteinschätzung der Vor- und Nachteile der Sprachbiographie im Unterricht; h nach der subjektiven Einschätzung der Stärken und Schwächen des Italienischunterrichts an deutschen Schulen; i nach subjektiven Einschätzungen zum Kompetenzbereich ‘Verfügbarkeit über sprachliche Mittel’ 9 Zu diesen sprachlichen Mitteln werden Wortschatz, Grammatik, Aussprache und Orthografie gezählt Zur Grammatik lautet die Frage z .B «Gibt es aus Ihrer Sicht Aspekte, die im deutschen Italienischunterricht besondere Berücksichtigung finden sollten? Wenn ja, welche und warum? » Das Interview erfolgte auf Deutsch, u .a um sprachliche Hemmungen zu vermeiden, am Schluss wurde dann aber eine offene Frage auf Italienisch gestellt, die einen oberflächlichen Referenzpunkt zu den Selbsteinschätzungen bieten sollte: «Quando è stato/ stata l’ultima volta in Italia? Per quale motivo ci è andato/ andata? » Beim Interview anwesend waren immer beide Verfasser des vorliegenden Beitrags 10 Für ein konstruktives und in einer ungezwungenen Atmosphäre ablaufendes Gespräch erschien es sinnvoll, sich immer zu zweit mit den zu Interviewenden zusammen zu setzen 9 Vgl Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2014) 10 Jan Scheitza ist in seiner Eigenschaft als abgeordnete Lehrkraft (50%) für das Fach Italienisch die unmittelbare Bezugsperson für die (aktuellen und ehemaligen) Studierenden des M .ed Judith Visser vertritt auf professoraler Ebene den Bereich Sprachdidaktik für alle romanischen Schulsprachen und kommt in dieser Funktion mit den Studierenden des Italienischen eher in Überblicksveranstaltungen sowie bei der Betreuung von Abschlussarbeiten in Kontakt «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 82 In der skizzierten Konstellation ist bei gewissen Fragetypen, z B bei Typ e (s .o .), eine Befangenheit bei den GesprächspartnerInnen denkbar Insgesamt war der Verlauf der Interviews von einer großen Offenheit gekennzeichnet, bei der die Befragten auch nicht auf kritische Bemerkungen verzichteten Sofern sich diese jedoch auf Studienstrukturen bezogen und die Kritik negativer Art war, wurde sie eher allgemein und nicht personenbezogen formuliert 4. Erste Ergebnisse der Auswertung Die hier vorgenommene Auswertung der 31 bislang vorliegenden Interviews konzentriert sich, wie einleitend angeführt, auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Sprach(lern)biographie bzw Migrationshintergrund und Motiven für die Wahl des Schulsowie Lehramtsfachs Italienisch 4.1 Sprach- und Migrationsbiographie Folgende Konstellationen konnten in Bezug auf den Migrationshintergrund systematisiert werden: • Bei acht Informanten stammen die Familien beider Eltern aus Italien • Bei vier Informanten hat der Vater einen italienischen Migrationshintergrund, die Mutter ist deutsch oder stammt aus einem anderen Land (Paraguay/ Brasilien 11 , Portugal, Serbien) • Der italienische Migrationshintergrund bezieht sich, sofern vorhanden, auf unterschiedliche Regionen (Sizilien, Apulien, Kalabrien, Basilikata, Abruzzen) Es ließ sich jedoch eine Konzentration für den Süden Italiens ausmachen, der eine typische Herkunftsregion für Arbeitsmigration darstellt(e): «Über 80% der italienischstämmigen Einwanderer stammten 2008 aus dem Mezzogiorno, die Hauptherkunftsregionen sind Sizilien (35%), Apulien (18%), Kampanien (14%) und Kalabrien (11%), die zusammen folglich knapp 80% der Gruppe stellen» (Schmid 2014, S 29) Der sprachliche Hintergrund der MigrantInnenfamilien lässt sich damit den süditalienischen Dialekten zuordnen, die zusammen mit den norditalienischen und zentralitalienischen oder toskanischen in diatopischer Hinsicht die Halbinsel charakterisieren (cf Graffi/ Scalise, ³2013, S 242) Die InformantInnen mit Migrationshintergrund sind also ggf mit den südlichen Dialekten 11 Die in Paraguay bzw Brasilien aufgewachsene Mutter hat einen mennonitischen und sprachlich deshalb plautdietschen Hintergrund; vgl dazu z .B Siemens (2012) Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 8 3 der Unterkategorien meridionale estremo bzw intermedio sprachlich sozialisiert worden (ibid .) • Ein Informant hat einen griechischen Migrationshintergrund, bei einem zweiten stammen beide Eltern aus dem Kosovo, ein dritter hat seine familiären Wurzeln in Kasachstan • Drei InformantInnen waren Teil der ersten, die Mehrzahl Teil der zweiten oder dritten Generation Die Zuordnung zu MigrantInnengenerationen (MG) erfolgte in Anlehnung an Kittler (2015) (u .a .) nach folgendem Schema: 1 MG = zum Zeitpunkt der Migration mindestens 13 Jahre intermediäre MG: Einreisealter zwischen 5 und 13 2 MG = < 5 Jahren bei Einreise oder im Migrantenland geboren 3 MG = SprecherInnen, deren Eltern als Mitglieder der 2 MG gelten können 12 Die Zuordnung zur zweiten bzw dritten Generation ist nicht immer eindeutig möglich, weil es InformantInnen gibt, deren Eltern nicht die gleiche Migrationsgeschichte aufweisen: Nr. MigrantInnengeneration (sofern vorliegend) (1) mütterlicherseits 3., väterlicherseits 2. [beide Eltern Sizilien] (2) - (= kein Migrationshintergrund) (3) - (4) - (5) 2.-3. (Eltern sind in Deutschland aufgewachsen, zwischenzeitlich zurück nach Griechenland gegangen, danach wieder nach Deutschland; Kind ist in Griechenland geboren und mit 2 Jahren nach Deutschland gekommen) (6) - (7) - 12 «Jüngere Studien im Bereich der Mehrsprachigkeit von Migranten […] konzeptionalisieren die Zugehörigkeit zur jeweiligen Migrantengeneration aufgrund des Alters zum Zeitpunkt der Migration und dem Stand der sprachlichen und schulischen Primärsozialisation, da ‘[…] das Alter bei der Migration bzw die Schulzeit (also die sprachliche und schulische Primärsozialisation) ausschlaggebend [ist], die in der Spracherwerbsforschung den Zeitpunkt darstellt, in dem die Sprachentwicklung weitgehend abgeschlossen ist’ (Gueli Alletti 2011, 131)» (Kittler 2015, S 23) «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 8 4 (8) - (9) väterlicherseits 2. Generation [Apulien], Mutter: Deutsche (10) - (11) 2. Generation [Apulien] (12) 1. Generation [Kalabrien] (13) - (14) - (15) 2. Generation [Kosovo] (16) 2.-3. (beide Eltern sind Intermediärer Generation zuzuordnen) [Vater: Sizilien; Mutter: Serbien] (17) 2. Generation [Kalabrien] (18) 1. Generation [Basilikata] (19) 2. Generation [Vater: Sizilien; Mutter: Paraguay/ Brasilien; mennonitischer/ plautdietscher Hintergrund] (20) 1. Generation [Abruzzen] (21) eher 2. Generation (Vater ist Intermediärer Generation zuzuordnen, Mutter 1. Generation) [Vater: Sizilien; Mutter: Portugal] (22) - (2 3) 2. Generation [Sizilien] (24) - (25) 2. Generation [Polen] (26) - (27) 2.-3. Generation (Vater: 1. Generation, Mutter: 2. Generation) [Sizilien] (28) - (29) mütterlicherseits 2. Generation [Bosnien], Vater: Deutscher (30) 2. Generation [Kasachstan] (31) - Tabelle 1: Zuordnung der InformantInnen zu MigrantInnengenerationen Bei insgesamt 31 InformantInnen konnten folglich 14, und damit weniger als die Hälfte, keinen Migrationshintergrund aufweisen Migrationshintergrund heißt keineswegs, dass die MigrantInnensprache automatisch die Muttersprache ist, wie eine genauere Analyse der Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 85 Sprachbiographien belegen wird Die in irgendeiner Form italienischstämmigen InformantInnen formulierten ein verschieden ausgeprägtes Verhältnis zu Deutschland, d .h sie sehen sich unterschiedlich stark als ItalienerInnen Dies äußert sich beispielsweise darin, ob sie einen italienischen Pass haben, sich sehr stark in der italienischen bzw dialektalen Community bzw einem entsprechenden Glossotop (Krefeld 2004) bewegen, umfangreiche Kontakte nach Italien pflegen, die/ der Ehe- oder LebenspartnerIn einen Migrationshintergrund aufweist etc Ohne dass im Detail darauf eingegangen werden kann und soll, sei an dieser Stelle zumindest darauf hingewiesen, dass die Befunde hier sehr unterschiedlich sind Einige InformantInnen haben sehr regen Kontakt in das eigene Heimatland bzw dasjenige der Vorfahren, andere weniger 4.2 Sprachbiographie Eine tabellarische Vorstellung der Sprachbiographien der Informanten soll einen Überblick geben für das Formulieren von Ergebnissen in Bezug auf die hier fokussierten Forschungsfragen: Die drei inhaltlich für die weitere Argumentation relevanten rechten Spalten enthalten die Angaben zur Muttersprache, zu weiteren Fremdsprachen sowie - davon aus Gründen der Übersicht getrennt - zum institutionalisierten Italienischunterricht Bei allen Angaben ist zu berücksichtigen, dass sie im Interview aus Erinnerungen rekonstruiert wurden, also nicht zwingend korrekt und vollständig sind Vier InformantInnen gaben das Standarditalienische als (eine) Muttersprache an, fünf einen italienischen Dialekt, und zwar Kalabresisch, Sizilianisch oder Apulisch Es gibt Eltern, die trotz dialektalem Hintergrund mit den Kindern zu Hause Standarditalienisch gesprochen haben Einigen Informanten fiel die genaue Einordnung ihrer Muttersprache schwer: • Informant (23)/ m/ 28/ 2 MG 13 z .B kann keine genaue Situierung zwischen Basilekt und regional gefärbtem sizilianischen Italienisch vornehmen Diese Einordnung auf dem Kontinuum dürfte für alle Beteiligten im Detail schwierig sein, weil genauere Angaben ein hohes Sprachbewusstsein, eine fundierte linguistische Ausbildung sowie intensiven Kontakt mit dem Basilekt voraussetzen • Informantin (27)/ w/ 27/ 2 .-3 MG weist darauf hin, dass das in italienischen Communitys in NRW gesprochene Italienisch von Germanismen durchsetzt ist: «[W]enn wir in Italien [scil in den Ferien, J .S ., J .V .] sagen, 13 Die Angaben entsprechen (Nr der/ des Interviewten)/ Geschlecht/ Alter/ MigrantInnengeneration Vgl dazu Tabelle 2 «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 86 äh, geh mal bitte in den Keller, hol […] Wasser, ne, dann sagen wir nicht, per favore va in cantina a prendere l’acqua, sondern vai ‘nta kella e [pija] l’acqua […] und ich war auch selbst der festen Überzeugung, dass la kella, dass das ein italienisches Wort ist, bis ich an der die Uni kam und gemerkt hab, oh, ist ja gar nicht so» 14 • Informant (15)/ m/ 27/ 2 MG ist sich unsicher in Hinblick auf die von seinen aus dem Kosovo stammenden Eltern gesprochenen Sprachen Er identifiziert drei Sprachen und benennt ‘Zigeunisch’ als ‘heimlich’, d .h nicht vor den Kindern gesprochene Sprache, und Albanisch, das seiner Einschätzung nach aber nicht die Muttersprache der Eltern ist Sich selbst ordnet er als Muttersprache Deutsch zu Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass selbst die Auseinandersetzung mit der Innensicht der Betroffenen die genaue Rekonstruktion von Sprachbiographien schwierig macht Es illustriert auch, in welchem Ausmaß Personen mit migrantischen Familienbiographien mit einer Mehrsprachigkeit konfrontiert sind, die in ihrer Dimension und Vielgestaltigkeit weit über das hinausgeht, womit ein einsprachig aufgewachsenes und im Mutterland beschultes Kind durchschnittlich in Kontakt kommt Viele der Informanten beherrschen zahlreiche weitere Fremdsprachen Fast alle sind vor der Aufnahme des Studiums mit institutionalisiertem Italienischunterricht in Kontakt gekommen: Nr. Geschlecht Alter Muttersprache(n) weitere (Fremd-) Sprachen (ohne Italienisch) institutionalisierter Italienischunterricht 2. Studienfach (1) w 24 Sizilianisch Deutsch (ab Kindergarten) Englisch (ab 5. Kl.) Latein (ab 7. Kl.) Spanisch (ab 9. Kl.) muttersprachlicher Unterricht (ab 1. Kl.) Spanisch (2) w 30 Deutsch Latein (ab 5. Kl.) Englisch (ab 7. Kl.) Altgriechisch (ab 9. Kl.) Französisch (Universität, als zusätzlich gelernte Fremdsprache) Arabisch (Universität) Italienisch (ab Stufe 11) Deutsch 14 Für die vorliegende inhaltlich orientierte Auswertung wird auf eine Transkription nach GAT-2 (Selting et al 2009) verzichtet Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 87 (3) w 30 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Spanisch (Universität) Italienisch (ab Stufe 11) Französisch (4) w 24 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Latein (ab 9. Kl.) Italienisch (ab Stufe 11) Englisch (5) m 3 4 Griechisch Deutsch Englisch (ab Klasse 5) Französisch (Schule) Altgriechisch (Schule) Latein (Schule/ Universität) Spanisch (Universität) Aufnahme des Italienischstudiums ohne vorherige Italienischkenntnisse Sozialwissenschaften (6) w 24 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Latein (ab 7. Kl.) Russisch (Universität) Italienisch (ab Stufe 11) katholische Theologie (7) w 27 Deutsch Englisch (ab Grundschule) Französisch (ab 7. Kl.) Latein (ab 9. Kl.) Gälisch (Universität, Ausland) Italienisch (ab Stufe 11) Englisch (8) w 25 Deutsch Französisch (ab 5. Kl.) Englisch (ab 7. Kl.) Russisch (AG an der Schule, Universität) Lettisch (AG an der Schule, Praktikum) Latein (Universität) Chinesisch (Praktikum) Italienisch (AG an der Schule, Sprachkurs in Italien) Französisch (9) m 32 Deutsch (Erstsprache) Italienisch (Zweitsprache) [präzisiert nicht, welches Italienisch] Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Spanisch (ab Stufe 11) muttersprachlicher Unterricht (ab 1. Kl.); nicht lange; bald abgebrochen, wegen zu wenig Grundlage im Elternhaus Spanisch (10) w 20 Deutsch Englisch (ab 4. Kl.) Französisch (ab 6. Kl. Türkisch (Auslandsaufenthalt) Italienisch (ab Stufe 10) Geschichte «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 8 8 (11) m 26 Italienisch (Standardsprache) Deutsch (ab Kindergarten) Französisch (wg. Verwandtschaft in Belgien) Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Spanisch (über Freundeskreis) Latein (Universität) Italienisch (ab Stufe 11) Geschichte (12) m 37 dialektales Italienisch Deutsch (Caritaskurs, Deutschland) Französisch (ab 6. Kl.) Latein (ab 9. Kl.) Spanisch (Universität) Schulbildung in Italien bis zum Abschluss der Scuola Media Spanisch (13) w 26 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Türkisch (Universität) Italienisch (ab Stufe 11) Englisch (14) w 27 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.; bilingualer Zweig) Französisch (ab 7. Kl.) Latein (ab 9. Kl.) Spanisch (Universität) Portugiesisch (Universität) Italienisch (ab Stufe 11) Spanisch (15) m 27 „eher Deutsch oder Deutsch- Albanisch“ Englisch (ab 5. Kl. und vorher über Freundschaft) Französisch (ab 7. Kl.) Spanisch (Universität) Okzitanisch (Universität, Frankreich) Latein (Universität) Italienisch (ab Stufe 11) Französisch (16) w 27 Deutsch Sizilianisch bis 5 Jahre Serbisch mit Großmutter Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl. und Universität) Spanisch (ab Stufe 11) Latein (Universität / „Crashkurs“) muttersprachlicher Unterricht Spanisch Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 8 9 (17) m 25 Kalabresisch Deutsch (Kindergarten) Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Niederländisch (ab 9. Kl.) Spanisch (ab 9. Kl.) Latein (Universität) muttersprachlicher Unterricht (1.-4., 9. Kl.) Englisch (18) w 32 Italienisch (Standardsprache) Englisch (ab 6. Kl.) Französisch (ab 9. Kl.) Deutsch (ab Stufe 11) italienisches Schulsystem durchlaufen Englisch (19) w 31 Deutsch Italienisch (Standardsprache) Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Portugiesisch (Universität) muttersprachlicher Unterricht (ab 2. Kl.) Philosophie (20) m 30 Italienisch (Standardsprache) Zweitsprache: Dialekt in Chieti (Abruzzen) Englisch (ab 3. Kl.) Französisch (ab 6. Kl.) Latein (ab 9. Kl.) Portugiesisch/ Brasilianisch (über Freundin) Deutsch (Integrationskurs, ASTA) Griechisch (Universität) Hebräisch (Universität) Arabisch (Universität) italienisches Schulsystem durchlaufen Latein (21) w 35 Deutsch Sizilianisch mit Großeltern Portugiesisch mit Großeltern Spanisch mit spanischen Verwandten Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Spanisch (ab Stufe 11) Latein (Universität) Italienisch (ab 9. Kl.) muttersprachlicher Unterricht (schon vor der 5. Kl. und von da an noch ca. 2-3 Jahre) Französisch (22) w 27 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Spanisch (ab Stufe 11) Latein (Universität) Italienisch (ab 9. Kl.) Spanisch «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 9 0 (2 3) m 28 regionales Italienisch („irgendwas zwischen“ Italienisch und Sizilianisch) Deutsch Deutsch (mit Nachbarschaft, Grundschule) Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Spanisch (ab Stufe 11) Latein (Universität) muttersprachlicher Unterricht (ab 1. Kl.) Geschichte (24) w 24 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Latein (ab 7. Kl.) Französisch (ab 9. Kl.) Italienisch (ab Stufe 11, ab Stufe 12 Leistungskurs) Deutsch (25) w 27 Deutsch über Eltern und Familie in Polen bedingt Polnisch Englisch (institutionell ab 5. Kl., vorher aus persönlichem Interesse) Französisch (ab 7. Kl.) Italienisch (ab Stufe 11) Englisch (26) w 27 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl.) Latein (ab 9. Kl.) Schwedisch (Universität) Portugiesisch (Universität) Italienisch (ab Stufe 11, ab Stufe 12 Leistungskurs) Deutsch (27) w 27 Kalabresisch ab ca. 3. Lebensjahr durch Bücher und Kindergarten Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Französisch (ab 7. Kl., für ein Jahr) Spanisch (ab Stufe 11, kurz) Polnisch (Universität) italienische Schule (1.-5. Kl.) Italienisch (ab Stufe 11) Deutsch (28) m 26 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Latein (ab 7. Kl.) Spanisch (Universität) Italienisch (ab Stufe 11) Latein Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 91 (29) w 3 3 Serbokroatisch Deutsch (kurz im Kindergarten; außerdem „T V-Immersion“; umfassend ab Grundschule) Englisch (ab 5. Kl.) Latein (ab 7. Kl.) Spanisch (Universität) Französisch (autodidaktisch) Italienisch (ab Stufe 11) Englisch (30) m 20 Russisch Deutsch ab Kindergarten (3 Jahre) Englisch (ab 3. Kl.) Französisch (ab 6. Kl.) Japanisch (Universität) Italienisch: autodidaktisch, ab Einführungsphase Mathematik (31) w 26 Deutsch Englisch (ab 5. Kl.) Latein (ab 7. Kl.) Französisch (ab 9. Kl.) Italienisch (ab Stufe 11, ab Stufe 12 Leistungskurs) Latein Tabelle 2: Sprachbiographien der InformantInnen Deutsche MuttersprachlerInnen, die ItalienischlehrerInnen werden wollen, haben tendenziell Italienischunterricht ab Kl 10 (G8) bzw Jahrgangsstufe 11 (G9) genossen Einige Studierende hatten einen Leistungskurs Dies muss nicht heißen, dass das Belegen eines Leistungskurses die Wahl des Studienfachs Italienisch begünstigt, dennoch ist denkbar, dass sich der Rückgang von Leistungskursen im Fach seit Einführung der Kernlehrpläne negativ auf die Studierendenzahlen auswirken wird oder schon auswirkt Die Verordnung über den Bildungsgang und die Abiturprüfung in der gymnasialen Oberstufe (APO-GOSt) 15 legt in §7 (4) fest, dass die neu einsetzende Fremdsprache nicht als Leistungskurs unterrichtet werden kann Das Italienische gehört zu den Fremdsprachen, die bei vielen Schulen erst ab der Oberstufe bzw Einführungsphase angeboten werden, und ist von dieser Einschränkung besonders deutlich betroffen Eine Informantin ((2)/ w/ 30), die nach G9 Abitur gemacht hat, zu einer Zeit, als die Option des Leistungskurses noch in größerem Maße gegeben war, benennt als Missstand, dass dieser in ihrem Fall wegen Lehrermangels nicht zustande kam: «ähm wir haben […] dann im Endeffekt ’n Grundkurs Italienisch gehabt In der elf hatten auch genügend Schüler die ’n Lei- 15 Https: / / www .schulministerium .nrw .de/ docs/ Recht/ Schulrecht/ APOen/ GY-Oberstufe- SekII/ APO-GOSt .pdf (22 .06 .2017) «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 92 stungskurs dann gewählt hätten in der zwölf äh, der kam nicht zustande weil’s keine Lehrer gab» Italienische MuttersprachlerInnen der 2 bzw 3 Generation haben i .d .R muttersprachlichen Ergänzungsunterricht gehabt oder waren auf einer ‘italienischen Schule‘, d .h sind früh mit dem Standarditalienischen in Kontakt gekommen Es deutet sich allerdings bei mehreren InformantInnen an, dass dieser Unterricht qualitativ nicht immer hochwertig war und es an klaren Informationen z .B zu damit verbundenen Berechtigungen mangelte, wie nachfolgende Beispiele exemplarisch illustrieren: J .V .: Sie haben also durch den muttersprachlichen Italienischunterricht Ergänzungsunterricht auch das Standarditalienische (23)/ m/ 28/ 2 MG: Ja - Das war nicht besonders also, das ist, der ist sehr unstrukturiert, ich weiß nicht, wie das heutzutage ist, es saßen eigentlich von der elften - ersten bis zur elften Klasse alle an einem Mittwochnachmittag in einer Stunde zusammen und die Lehrerin hat so ein bisschen vermittelt, es wurde viel gespielt Ich hab das Lehrwerk letztens noch gefunden sogar, aber das war fast ungebraucht, die ersten zwei Kapitel haben wir damals benutzt wie alle auch in so Kisten rum Linea diretta ich weiß nicht [unverständlich] J .V .: Also Sie haben nicht das Gefühl, dass Sie da systematisch in die italienische Sprache eingeführt worden sind? (23)/ m/ 28/ 2 MG: Nein - Nein, das wurde ich nicht Eine weitere Informantin gibt an, insgesamt fünf Jahre an vermutlich drei Nachmittagen in der Woche für mehrere Stunden in einer ‘italienischen Schule’ gewesen zu sein, kann sich an vermittelte Inhalte aber nicht erinnern: (27)/ w/ 27/ 2 .-3 MG: ich habe von der boh, ich glaube, von der also von der ersten Schulklasse bis zur fünften Schulklasse habe ich auch eine italienische Schule besucht, aber meine Erinnerungen daran sind wirklich minimal, weil ich hab mich, das war für mich keine Schule, das war Freunde treffen Diese offenbar wenig nachhaltige Einführung in das Standarditalienische könnte Auswirkungen auf die Studienfachwahl haben Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 93 Aufschlussreich in Hinblick auf Überlegungen zur Motivation ebendieser ist auch die Kombination der M .ed .-Fächer: Immerhin sechs Interviewte, also fast 20%, haben sich für Italienisch und Spanisch entschieden Vor Beginn der Interviews war angenommen worden, dass diese Kombination typisch für Studierende mit italienischem Migrationshintergrund ist, da wenige Schulen in NRW sowohl das Spanische als auch Italienische als Schulfach anbieten, also davon ausgegangen werden kann, dass Nicht-Muttersprachler zumindest im institutionalisierten Fremdsprachenunterricht nicht mit beiden Sprachen in Kontakt kommen Tatsächlich waren aber unter den Interviewten auch zwei deutsche Muttersprachlerinnen, die sich für die Kombination Spanisch-Italienisch entschieden hatten 4.3 Explizit genannte Gründe für die Studienfachwahl Bei der Frage nach den Gründen für die Wahl des M .ed .-Fachs Italienisch werden zahlreiche Aspekte von verschiedenen Studierenden bzw (fertigen) LehramtsanwärterInnen mehrfach genannt Der Fokus soll im vorliegenden Beitrag auf der Wahl des Faches Italienisch liegen und weniger auf der Entscheidung für den Lehrerberuf Für manche ist die Wahl zum Teil pragmatisch motiviert und hat keinen unmittelbaren Bezug zur Sprache selbst Mehrere InformantInnen verweisen auf gute Schulnoten im Fach bzw sehen dort ihre besonderen Kompetenzen Informantin (13)/ w/ 26 hat die Kombination Englisch/ Italienisch gewählt, «weil’s da einfach die besten Noten gab» Informantin (8)/ w/ 25 gibt an, sie habe gerne zwei Sprachen studieren wollen, sei aber in den Spanischkurs der Schule ‘leider nicht reingekommen’ Sie habe sich schließlich parallel für einen Au Pair-Aufenthalt in Italien und Spanien beworben und sei dann von einer italienischen Familie genommen worden Informantin (7)/ w/ 27 hat sich immer schon für Sprachen interessiert: ich hatte [bei der Studienfachwahl, J .S ./ J .V .] die Wahl zwischen Italienisch und Spanisch, ich hab auch erst überlegt Spanisch zu wählen allein aufgrund dessen, weil man damit ja schon ’n bisschen mehr anfangen kann äh außerhalb der Schule und der Universität, aber daran scheitert es einfach an äm an Plätzen, die vorhanden waren Sie ergänzt: «ich glaube, hätte ich Französisch [in der Schule, J .S ./ J .V .] nicht abwählen müssen, hätt ich dann heute äh gleich Französisch anstatt Italienisch studiert» «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 9 4 Informantin (29)/ w/ 33/ 2 MG (mütterlicherseits) hat sich für die Fächerkombination Italienisch-Englisch entschieden, weil sie ‘Kulturen liebt’ und das die zwei Sprachen sind, die sie «ganz gut kann» Die Entscheidung, Italienisch als Schulfach zu wählen, die diesem Können zugrunde liegt, scheint aber auch bei ihr eher zufällig gefällt worden zu sein: «[W]enn Spanisch angeboten wäre oder Russisch, hätte ich das auch genauso gemacht» Befunde dieser Art legen die Annahme nahe, dass die Entscheidung, Fremdsprachen als Schul- und Studienfach zu wählen, sich oft auf Fremdsprachen allgemein und nicht auf eine spezifische Sprache bezieht Insbesondere die romanischen Fremdsprachen scheinen bis zu einem gewissen Grad austauschbar zu sein Auffällig ist auch, dass zwanzig von 31 Befragten eine Kombination aus zwei Fremdsprachen studieren: 7x Italienisch-Englisch, 6x Italienisch-Spanisch, 4x Italienisch-Französisch, 3x Italienisch-Latein Das zweite Studienfach ist nur bei sieben Befragten keine Philologie und davon nur in einem Fall kein geisteswissenschaftliches Fach Wenn die Entscheidung für das Italienische bei einigen eher vom Zufall bedingt ist und in Bezug zum Sprachenangebot der besuchten Schule steht, ist für die Entwicklung des Fachs entscheidend, wie sich Schulen in Zukunft in Hinblick auf eben dieses Sprachenangebot positionieren Bei einigen Studierenden mit italienischem Migrationshintergrund ist die Wahl des Studienfaches ebenfalls pragmatisch bedingt: Informantin (18)/ w/ 32/ 1 MG hat in Italien ein Deutschstudium abgeschlossen Auf die Frage, warum sie als Lehramtsfach Italienisch und nicht Deutsch gewählt hat, antwortet sie «das machte für mich keinen Sinn, ich bin ja keine Muttersprachlerin […] .» Italienisch sei für sie «natürlich […] viel einfacher, auch wenn ich korrigier, das geht viel schneller als in Englisch zum Beispiel, mein zweites Fach» Auch Informant (23)/ m/ 28/ 2 MG gibt als einen Grund für das Italienischstudium an, er dachte, das sei ‘einfacher’ Bei der Wahl des Studienfachs kommt jedoch eine pragmatische Überlegung, die sich bei Informantin (7)/ w/ 27/ 2 .-3 MG andeutet, nur wenig zum Tragen: die Einstellungschancen Die Tatsache, dass immerhin sechs InformantInnen die Fächerkombination Italienisch/ Spanisch gewählt haben, zeigt, dass die schlechten beruflichen Perspektiven zumindest zu Beginn des Studiums eher ausgeblendet werden Im Interview wird von einigen Befragten aber durchaus auf die Problematik verwiesen Für zahlreiche InformantInnen ist die Wahl emotional bedingt: Oft wird von Nicht-MuttersprachlerInnen eine Affinität zur Sprache und Kultur bekundet Italiens Sprache und Kultur wird als ‘interessant’, ‘schön’, ‘reizvoll’ etc wahrgenommen Informantin (10)/ w/ 20 findet das Italienische «halt auch sehr schön» Auch Informantin (6)/ w/ 24 hat die Sprache in der Schule ‘gut gefallen’, «und Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 95 ähm ähm ja, nachdem ich dann gemerkt hab, ok mit dem NC, das wird nichts [scil Englisch, J .S ./ J .V .], ähm hab ich gedacht, was könnt ich mir sonst noch vorstellen als Beruf» Informantin (4)/ w/ 24 äußert sich ähnlich: «das Land interessiert mich, die Kultur interessiert mich, ähm alle Dinge, die irgendwie Italienisch aussehen oder sind, das interessiert mich einfach voll und ganz» Für Informantin (3)/ w/ 30 ist Italienisch eine der Sprachen, die sie «am meisten mag, die [ihr] am besten gefallen» Informantin (14)/ w/ 27 hatte «immer große Freude an der Sprache» Informant (28)/ m/ 26 hatte durch Urlaube in der Kindheit und daraus resultierende Briefkontakte, später Kontakte in sozialen Netzwerken, immer schon Berührung mit dem Italienischen Faszination für die Sprache zu entwickeln, setzt voraus, dass ein Kontakt mit der Sprache in irgendeiner Form zustande kommt Hierbei handelt es sich um ein Kriterium für die Studienfachwahl, das im Einzelfall unabhängiger von institutionellem Wandel sein kann als Schulnoten, schulische Sprachenfolge o .Ä So bringt sich Informant (30)/ m/ 20/ 2 MG aufgrund der Tatsache, dass er das Italienische als das ‘Nonplusultra’ unter den Sprachen betrachtet, selbiges während seiner Schullaufbahn autodidaktisch bei, weil die von ihm besuchte Schule keinen entsprechenden Kurs anbietet Zahlreiche Befragte mit italienischem Migrationshintergrund sehen das Italienischstudium als Möglichkeit, ihre Wurzeln näher kennenzulernen: (1)/ w/ 24/ 2 .-3 MG) dadurch, […] dass meine Wurzeln in Italien liegen äm, hab ich mich schon immer für die italienische Kultur interessiert Ich hab schon von klein auf äh italienische Filme oder auch Bücher oder auch äh sei es Musik alles Mögliche auf Italienisch gehört, weil mich das immer interessiert hat, woher ich komme, also dadurch dass ich hier geboren bin, hier aufgewachsen bin […] ich hab mich dann dafür entschieden das zu studieren, um dann meine eigenen Wurzeln besser kennen zu lernen, sei es in Literatur, äm einfach die die Ent die Entstehung meiner Heimat, also ne, das ist genau, also dadurch, dass ich dann zwischen zwei Kulturen äh stehe, hab ich gedacht, die eine leb ich, kenn ich, die deutsche, und die andere muss ich dann auf diesem Wege kennenlernen Einige Befragte setzen explizit die Wahl des Faches mit der eigenen Identität und Identitätsfindung in Verbindung: (9)/ m/ 32/ 2 MG (väterlicherseits): je älter man wird, desto mehr setzt man sich auch auseinander mit dem, wer man ist, wer seine Familie ist, und dann würd ich sagen, ist das schon auf «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 9 6 jeden Fall ‘n Grund gewesen, warum ich mich für das Fach Italienisch auch entschieden habe, keine Frage (21)/ w/ 35/ 2 MG: es ist nicht nur eine Muttersprache, es ist die eigene Identität Interessanterweise verbinden auch die Informanten mit griechischem und kosovarischem Migrationshintergrund die Wahl des Fachs mit einer Identitätssuche Sie geben an, sich in dieser Kultur gewissermaßen ‘wiederfinden’ Der Informant mit griechischen Wurzeln sieht eine sprachliche und geographische Nähe zwischen Griechenland und Italien Der Informant, dessen Eltern aus dem Kosovo stammen, ‘findet sich’ nach eigenen Angaben in der ital Kultur ‘wieder’, steht der albanisch-kosovarischen Herkunft seiner Eltern aber so negativ gegenüber, dass er darin nicht den Grund für seine Hinwendung zum Italienischen sieht: (15)/ m/ 27/ 2 MG: Es war einfach die ganze Kultur […] Es gefällt mir: die Sprache, die Kultur, die Menschen, die ganze Art Und irgendwie habe ich gesagt: Das bin ich auch Also, ne, ich find mich da wieder […] Es war wirklich mehr vielmehr die Kultur einfach, der Lifestyle und hm, die Sprache einfach an sich, dieser Gesang und dann passt’s einfach Sowohl InformantInnen mit als auch ohne Migrationshintergrund geben an, dass sie durch das Studium ihre eigenen Italienischkenntnisse (Sprache, Kultur, Literatur) verbessern wollten: (11)/ m/ 26/ 2 MG: ich wollt unbedingt Geschichte studieren und man brauchte ein zweites Fach und dann hab ich mir überlegt, Deutsch oder Italienisch, und am Ende hab ich mich eher für Italienisch entschieden, weil das meine Muttersprache ist J .V .: ähm können sie das mal n bisschen spezifizieren also weil das ihre Muttersprache ist also was steckt da für ne Motivation hinter? (11)/ m/ 26/ 2 MG: ja weil weil ich das von das ist die erste Sprache, die ich gelernt habe, und deswegen wollt ich die dann lieber weiter vertiefen Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 97 Informantin 27 hat den Anspruch, als ‘Italienerin Italienisch zu können’, hat das Fach also gewählt, weil sie aufgrund ihrer kalabresischen sprachlichen Sozialisierung und der mangelnden Erinnerung an den Ergänzungsunterricht die italienische Standardsprache nicht in der für sie wünschenswerten Weise zu beherrschen glaubt Diese Antworten lassen vermuten, dass der Teil der Studierenden des Italienischen, die einen entsprechenden Migrationshintergrund aufweisen, insofern stabil bleiben wird, als die Motive für die Wahl des Faches eher in der privaten Sprachbiographie liegen als in der institutionell gesteuerten Die LehrerInnenpersönlichkeit spielt in der Argumentation vieler Informanten ebenfalls eine prominente Rolle Insbesondere deutsche Muttersprachlernnen waren durch ihre eigenen LehrerInnen positiv motiviert, andere wollten es ‘besser machen‘ (14)/ w/ 27: ich weiß noch, dass meine Klasse vorrübergehend äh immer bei Italienisch gesagt hat, oh nee nicht wieder bei Herrn [X], weil der eben so blöd war, und dadurch auch irgendwie dieser Fokus auf die Sprache komplett verloren gegangen ist, also meiner Meinung nach Ich war immer diejenige, die da total Spaß dran hatte, aber die anderen hatten meistens keinen Spaß daran, haben immer gesagt, aah Italienisch, da krieg ich eh wieder ne fünf Ein Informant der 2 MG fühlte sich als Person mit Migrationshintergrund in der Lehrerschaft unterrepräsentiert und hatte besonders positive Erinnerungen an einen muttersprachlichen Italienischlehrer: (17)/ m/ 25/ 2 MG: ich hatte das Gefühl, dass ähm ich selbst als Migr also in Anführungszeichen als halber Migrant oder aus mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert bin in der Lehrerschaft Ich hatte immer sehr viele deutsche Lehrer und ich hatte einen italienischen Lehrer später in der Oberstufe, und ähm ich fand, das war nochmal ne andere Herangehensweise und ich find das sehr interessant, mir hat das sehr gut gefallen Er hatte nochmal ‘n ganz anderen Zugang und konnte eventuell Probleme der Schüler ähm anders betrachten, das hat mir sehr gut gefallen, er hat mich unglaublich inspiriert und deswegen fand ich das schön, eben auch das Italienische zu machen «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 9 8 J .V .: Können sie versuchen ähm diese andere Herangehensweise noch so ’n bisschen greifbarer zu machen, was was ist da anders? (17)/ m/ 25/ 2 MG: […] Er hatte so ne interkulturelle Fähigkeit Er hatte zum Beispiel verstehen können, dass meine Eltern nicht das äh Deutsche so gut sprachen, als dass diese zum Beispiel ähm zum Elternsprechtag aufgetaucht sind, oder dass die ähm ohne dass äh sie sich äh in größeren Kontext jetzt in der Schule engagiert hatten oder so was J . .V .: mhm (17)/ m/ 25/ 2 MG: Und schon allein das Verständnis dafür, dass ähm dass man eben aus einem Kontext kommt, wo die Eltern auch bildungsfern sind, zum Beispiel, und eben nicht einem Kind jedes Mal alles vorgelesen haben oder bei der Sprache geholfen haben, und das war schon eine Herangehensweise Er hatte nicht diese so dieses ähm diese Prädisposition diese diese Vorstellung von äh jeder Schüler hat irgendwie äh alles verfügbar zu Hause und äh so funktioniert das eben und ähm ja und einfach diese diese andere Herangehensweise an ähm an an so ne Interkulturalität Auch Informantin (10)/ w/ 20 verweist darauf, dass ihr eigener Italienischlehrer einen wichtigen Beitrag zur Wahl des Studienfachs geleistet hat: J S : Sie haben vorhin eingangs gesagt dass ihr eigener Italienischlehrer (10)/ w/ 20: ja J .S .: auch ein Teil der Motivation ausmacht (10)/ w/ 20: auf jeden Fall ja J .S .: dass sie Italienisch gelernt haben Inwiefern können sie das präzisieren? (10)/ w/ 20: ähm, weil er selber Italiener war, das war mir auch ganz wichtig, das hab ich auch gemerkt bei der bei der Sprach- Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 99 reise, die ich in England gemacht habe, das war ne Spanierin und ich finde es eher unvorteilhaft, wenn eine Nicht-Muttersprachlerin versucht ähm andern Nicht-Muttersprachlern die Sprache beizubringen, das find ich immer ’n bisschen problematisch und ähm ich fand es gut, wie er seinen Unterricht aufgezogen hat, also wie die Sachen, die er gemacht hat, man konnte ihn alles fragen und er wusste auch immer auf alles ne Antwort und ähm ja er hat es einfach gut so beigebracht fand ich, also manchmal kann man das ja auch nicht sagen woran’s liegt, dann ist das einfach so, man man versteht den Lehrer und dann passt es alles ja J .V .: Aber können sie noch ’n bisschen sagen ähm das ist ja eigentlich, wenn man das weiterdenkt, ein Totschlag-Urteil für unseren Master of Education, wenn man sagt, eigentlich sollte ein Muttersprachler den äh den Unterricht machen Können sie sagen (10)/ w/ 20: oder nee er war nicht er war nicht Muttersprachler, aber die äh Eltern, also er war nicht also er war Deutscher, aber die Eltern kamen aus Italien so J .V .: ja also er konnte Italienisch auf muttersprachlichem Niveau (10)/ w/ 20: ja J .V .: wie auch immer er da (10)/ w/ 20: genau J .V .: an dieses Niveau gekommen ist, können sie noch ’n bisschen versuchen zu präzisieren, was sie daran so wichtig finden? (10)/ w/ 20: ja es fängt schon an bei der Aussprache, einfach dass man so ’n bisschen ich mein, man lernt die Sprache neu, man braucht irgendwo ja auch so ’n so ’n so ne Orientierung, so ’n Vorbild, wie es dann mal sein soll, ne also ich glaub das ist ja auch eine Funktion von ’ner Lehrperson ähm ja genau Aussprache ja auch einfach, dass man dass man ich glaube das bringt «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 10 0 Schülern sehr viel Sicherheit, wenn sie merken, dass der der vor einem steht auch da da Ahnung hat von dem, was er macht ne, was jetzt also Aussprache, Grammatik ähm einfach, wie er wie er die Texte vorliest, ähm ja so was also ich glaub das spielt alles so miteinander ja Die Zahl der InformantInnen lässt keine starke Verallgemeinerung zu, aber die Ergebnisse weisen zumindest darauf hin, dass der muttersprachliche Hintergrund bei einer Lehrkraft eher von Vorteil ist Mehreren InformantInnen ist es ein Anliegen, den Status des Italienischen als Schulfremdsprache zu stärken: Informantin 2 nimmt an, der Leistungskurs Italienisch sei wegen Lehrermangels nicht zustande gekommen (s .o .) und hat offenbar das Anliegen, einen Beitrag zur Kompensation dieses Lehrermangels zu leisten: (2)/ w/ 30: Ja, äh, eigentlich also ich mochte meinen Italienischlehrer wirklich wirklich sehr gerne Der war aber im Grunde eigentlich nur Latein- und Altgriechischlehrer Und Italienisch hat der so ein bisschen so aus Leidenschaft gemacht damals Wir hatten tatsächlich gar keinen Italienischlehrer, obwohl wir mit zwei anderen Schulen […] eine äh Koop hatten um mit … […] wir haben […] dann im Endeffekt ’nen Grundkurs Italienisch gehabt inner Elf Hatten auch genügend Schüler, die einen Leistungskurs dann gewählt hätten in der Zwölf Äh der kam nicht zustande, weil es keinen Lehrer gab Vielleicht ist mir das haften geblieben Informant (5) (Griechischer Migrationshintergrund) findet, Italienisch sei eine Sprache, die unterrichtet werden sollte, und begründet dies u .a damit, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Italien bedeutender seien als diejenigen zu Spanien: (5)/ m/ 34/ 2 .-3 .MG: Aber ähm Italienisch ist für mich einfach mal eine Sprache, die unterrichtet werden muss Nicht vielleicht überall, aber ist immer noch eine schöne Sprache Wir haben gute Wirtschaftsbeziehungen mit Italien, deutliche bessere als mit Spanien Ich denke schon, also wenn man wirklich also leistungsorientiert jetzt vielleicht denkt, was ich nicht immer so mag, ähm, müssten dann Italienisch irgendwie etwas mehr gefördert werden jetzt demnächst Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 101 Er positioniert sich damit konträr zu Entwicklungen, die Informant (28)/ m/ 26 in seiner Ausbildungsschule beobachtet, in der offenbar auf Wunsch der Eltern und unter Verweis auf den ökonomischen Wert der Sprache das Spanische im Schuljahr 17/ 18 zusätzlich zum Italienischen eingeführt wird Seine subjektive Sichtweise des Stellenwerts des Italienischen widerspricht auch den Beobachtungen der Mitarbeiterin des Goethe-Instituts 5 Fazit Welche vorläufigen Schlussfolgerungen lassen sich aus der Teil-Auswertung der Interviews ziehen? Welche Forschungsdesiderata schließen sich daran an? Die Antworten auf ausgewählte Fragen zu Sprachbiographie und Motiven für die Wahl des Studienfachs haben gezeigt, dass bei SchülerInnen und Studierenden unterschiedliche Gründe dazu führen, sich für das Italienische zu entscheiden Der Entscheidung für das Fach liegen bei den Interviewten keineswegs immer ‘zutiefst pragmatische’ Kriterien zugrunde, und wenn pragmatische Kriterien vorliegen, sind diese eher selten ökonomischer Natur Darüber, ob die Entscheidung gegen das Fach ökonomisch motiviert ist, geben die Daten natürlich keinerlei Auskunft, weil sie niemanden erfassen, der von dem Wunsch, Italienisch zu lernen bzw zu studieren, Abstand genommen hat Viele Antworten deuten darauf hin, dass es gewisse konstante Faktoren gibt, die zu der Entscheidung beitragen, den Beruf der Italienischlehrerin bzw des Italienischlehrers wahrnehmen zu wollen • Die italienische Sprache wird von einigen Lernenden als ‘schön’ angesehen In welchem Maße dieses Werturteil auf persönlichen Erfahrungen beruht, wie z .B bei Informant (28)/ m/ 26, der in der Kindheit häufiger in Italien war, oder ob hier gewisse Sprachstereotypen (cf z .B Yaguello 1988) einwirken, müssten weiterführende Studien eruieren • Personen mit italienischem Migrationshintergrund, oder einem Migrationshintergrund, der geographisch und ggf auch kulturell dem Italienischen als in irgendeiner Form affin wahrgenommen wird (im vorliegenden Fall Griechenland, Kosovo), verbinden das Italienischstudium, nicht so sehr aber das Berufsziel Lehramt, mit einer Identitätssuche Sie erhoffen sich, gerade im Falle einer dialektalen sprachlichen Sozialisierung, bessere Sprachkenntnisse insbesondere im distanzsprachlichen Bereich (Koch/ Oesterreicher 2011 u .ö .) Außerdem sehen sie das Studium als Möglichkeit, das Heimatland ihrer Familie in kultureller und literarischer Hinsicht stärker zu durchdringen «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» Jan Scheitza / Judith Visser 102 • Ein Teil der Studierenden entscheidet sich aus Gründen für das Italienische als Lehramtsfach, die weitgehend dem Zufall obliegen: Das Vorliegen einer Sprachbegabung, die eine wesentliche Voraussetzung für die Aufnahme eines entsprechenden Studiums ist, bezieht sich häufig nicht nur auf das Italienische Sie hängt ab davon, welche Optionen der Fremdsprachenwahl der/ dem betreffenden SchülerIn während der Schulzeit offenstanden Wird das Italienische an der jeweiligen Schule nicht angeboten, besteht offenbar die Gefahr, dass sich sprachbegabte SchülerInnen im späteren Studium tendenziell für andere Schulsprachen entscheiden • Schließlich scheint auch die Lehrperson, der die befragten Studierenden früher im Italienischunterricht begegnet sind, sehr wesentlich für ein Interesse am Berufsziel ItalienischlehrerIn zu sein Faktoren, die dabei eine Rolle spielen, sind Authentizität, die in einem italienischen Migrationshintergrund begründet sein kann, sprachliche Kompetenz, die mit selbigem korrelieren kann aber nicht muss, sowie Begeisterungsfähigkeit Für die Zukunft des Italienischen als Schul- und Universitätsfach resultiert aus den vorgestellten Interviewergebnissen mindestens zweierlei: Die Entwicklung der Zahl der Studierenden bzw (angehenden) LehrerInnen mit italienischem Migrationshintergrund kann, sofern sie ansteigen sollte 16 , positive Auswirkungen auf die Begeisterung für das Fach haben Auch nicht-muttersprachliche (angehende) ItalienischlehrerInnen müssen, um potentiellen Nachwuchs heranzubilden, ein sehr gutes sprachliches Vorbild sein Die Frage der hinreichenden sprachpraktischen Ausbildung in aktuellen M .ed .-Studiengängen, aber auch im Schulalltag, wurde in der vorliegenden Auswertung der Interviews nicht berücksichtigt und ist als Gegenstand weiterer Beiträge geplant Es sollte jedoch hier angemerkt werden, dass in dieser Hinsicht in der Ausbildung (auch anderer romanischer Fremdsprachen) aus Sicht der Studierenden, zweifellos aber auch aus derjenigen vieler Lehrenden, deutlicher Optimierungsbedarf bestünde 16 Entsprechende Daten liegen unseres Wissens bislang nicht vor Nimmt man an, dass die Existenz von zweiten und dritten MigrantInnengenerationen zu einer zunehmenden Integration italienischstämmiger Migranten in Deutschland auch in Hinblick auf Zugang zu höheren Bildungswegen zunimmt, könnten die Zahlen steigen Die Ergebnisse der Interviewstudie zeigen großes Forschungspotential auch in Bezug auf den Themenkomplex ‘Vielfalt im Lehrerzimmer’ (vgl Georgi/ Ackermann/ Karakas, 2011) Jan Scheitza / Judith Visser «Italienisch ist für mich das Nonplusultra» 103 Abstract Nelle scuole tedesche ci sono relativamente pochi studenti di italiano Questo solleva delle domande in riferimento al futuro della materia La scelta di un percorso di studi in italiano (Lehramtsstudium) potrebbe pertanto essere condizionata da come gli aspiranti insegnanti valutano le chance per la propria carriera professionale e dalla possibilità di scegliere l’italiano come materia loro stessi a scuola Particolarmente interessante è cosa ne pensano le persone che hanno un origine migratoria italiana Nel presente saggio vengono date delle prime risposte a queste domande Esse si basano sui risultati che sono stati condotti in un’intervista dal 2016 all’Università Ruhr di Bochum con ex ed attuali studenti Summary In German schools only a few students study Italian This fact raises questions with regard to the future of the subject The decision to study Italian at University could also be conditioned by the job opportunities for future teachers but also by the possibility to choose Italian as a subject at school for themselves The opinions of people with an Italian migration background in this respect might be particularly interesting The present article presents first answers to these questions They are founded on results of interviews held from 2016 with exand current students at Ruhr-University Bochum Literatur Bernhard, Gerald: «Transnationale soziale Räume: Blicke auf die sprachliche Identitätenbildung bei Italienern im Ruhrgebiet», in: Stehl, Thomas et al (Hrsg .), Sprachkontakt, Sprachvariation, Migration: Methodenfragen und Prozessanalysen, Frankfurt a .M et al: Peter Lang 2013, S 177-196 Borg, Simon: Teacher Cognition and Language Education. 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