eJournals lendemains 44/173

lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
10.2357/ldm-2019-0007
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2019
44173

La Reprise: Wiederholung und Ähnlichkeit als philosophische Prämissen eines politischen Dokumentartheaters

2019
Nicole Colin
ldm441730089
DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 89 Dossier Nicole Colin La Reprise: Wiederholung und Ähnlichkeit als philosophische Prämissen eines politischen Dokumentartheaters Im Mittelpunkt von La Reprise, deutsch: Die Wiederholung, des Schweizer Theaterregisseurs Milo Rau steht ein fait divers: der grausame Mord an Ihsane Jarfi, einem Homosexuellen mit maghrebinischen Wurzeln, 2012 in Lüttich, der von seinen Peinigern vier Stunden lang gequält, geprügelt und dann nackt und bewusstlos im Regen an einem Waldrand zum Sterben zurückgelassen wurde. Wie zumeist in den Projekten von Milo Rau ist die Vorstellung Teil einer umfänglichen Ermittlung. Auf der Grundlage von Recherchearbeiten 1 hat das Team, das aus vier professionellen Schauspielern und zwei Amateuren besteht, 2 Informationen zum Fall zusammengetragen; einer der Schauspieler, der aus Lüttich stammt, hat sogar selber den Gerichtsprozess verfolgt. Die Inszenierung erklärt die Theaterbühne zum rechtswissenschaftlichen Versuchslabor, wobei die Dokumentation des Mordfalles in fünf Akten den Prozess der Wahrheitsfindung in den Mittelpunkt rückt. Aber was ist das für eine Wahrheit, die hier ans Licht gebracht werden soll? Die objektiv messbare Wahrheit des Tathergangs - Zeitpunkt des Todes, Anzahl der Schläge der Tatbeteiligten, die zum Tode führten und der Ablauf der Gerichtsverhandlung - oder die subjektive Wahrheit der Beteiligten: die Motive der Täter, das Verhalten des Opfers, die Reaktionen seiner Familie? Die performative Untersuchung bewegt sich im Spannungsfeld dieser beiden Pole, wobei sich die Fakten mühelos wie Mosaiksteinchen zusammenfügen lassen und dennoch kein befriedigendes Bild über das sinnlose Verbrechen liefern wollen. Mit diesem aporetischen, in den Rezensionen zuweilen als problematisch kritisierten Ergebnis 3 stellt Milo Rau auch das Theater selbst auf den Prüfstein. Das Stück ist der erste Teil der Trilogie Histoire(s) du théâtre, eine indirekte Hommage an Jean-Luc Godards Histoire(s) du cinéma, die sich als „spielerische Langzeituntersuchung der ältesten Kunstform der Menschheit“ versteht. 4 Die Doppeldeutigkeit des Titels affirmiert dabei die Multiperspektivität der Analyse: Wie bei Godard geht es einerseits um die Geschichten (im Plural), die im Theater erzählt werden, andererseits aber auch die Geschichte des Theaters selbst. Hatte Godard es sich mit seinem zehn Jahre lang dauernden Projekt (1988-1998) zur Aufgabe gemacht, die vielschichtige Beziehung zwischen Geschichte und Kino im 20. Jahrhundert auf inhaltlicher wie formaler Ebene rückblickend zu beleuchten, konzentriert sich Milo Rau indes auf die aktuelle politische und soziale Rolle des Theaters. Hinterfragt wird dabei in La Reprise vor allem die Möglichkeit, sich auf der Bühne zu relevanten Themen zu Wort zu melden und Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen zu nehmen; gleichzeitig geht es aber auch um das Theater als Erinnerungsraum sowie die 90 DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 Dossier Effizienz der ästhetischen Darstellungsformen, d. h. die Frage, inwiefern es tatsächlich gelingen kann, tiefgehende Erkenntnisse mit anderen Mitteln als denen der Wissenschaft zu erzeugen. Zu erinnern ist daran, dass die beiden Dimensionen einer Histoire(s) du théâtre von Anbeginn theoretischer Untersuchungen zum Theater in Konkurrenz zueinander stehen. Bereits Aristoteles setzt in der Poetik beide Momente gegeneinander ab, indem er Dichtung als „etwas Philosophischeres und Ernsthafteres als Geschichtsschreibung“ (Aristoteles 1994: 29) bezeichnet. Die Historie versucht einen konkreten unwiederbringlich vergangenen Einzelfall in seinem möglichst präzisen So-undnicht-anders-Gewesen-Sein zu schildern, lässt damit aber keinen Platz für die Einfühlung des Rezipienten, die für Aristoteles eine Voraussetzung von Lernen und Erkenntnis ist: Gelernt wird durch Imitation, die immer approximativ, vage und ungenau bleibt. Hierfür bietet die Dichtung den nötigen Spielraum. Die Tragödie stellt dar, wie etwas hätte sein können, ihre Geschichte ist eben nicht wirklich, sondern möglich - und zwar menschenmöglich, d. h. für jeden nachvollziehbar. Doch der Unterschied zwischen Geschichte und Geschichten ist kein Antagonismus. Im Gegenteil: Da die Grundlage einer Erkenntnis durch Nachahmung die Ähnlichkeit ist, können durchaus dokumentarisch-historische Elemente in die Dichtung einbezogen werden. „Bei der Tragödie halten sich die Dichter an die Namen von Personen, die wirklich gelebt haben. Der Grund ist, daß das Mögliche auch glaubwürdig ist; nun glauben wir von dem, was nicht wirklich geschehen ist, nicht ohne weiteres, daß es möglich sei, während im Falle des wirklich Geschehenen offenkundig ist, dass es möglich ist - es wäre ja nicht geschehen, wenn es unmöglich wäre“ (ibid.: 31). Der Dichter, so Aristoteles weiter, ist ja Dichter „im Hinblick auf die Nachahmung […] und das, was er nachahmt, sind Handlungen. Er ist also, auch wenn er wirklich Geschehenes dichterisch behandelt, um nichts weniger Dichter“ (ibid.). Für Aristoteles ist die Grundvoraussetzung der Möglichkeit einer durch das Theater generierten philosophischen Erkenntnis über die Welt, über Leben und Tod, Gewalt und Leiden also die Wahrscheinlichkeit, die (ebenso wie die Imitation) auf Ähnlichkeit basiert. Ausgehend von diesen Vorüberlegungen soll im Folgenden Milo Raus Inszenierung La Reprise im Kontext seines politischen Dokumentartheaterkonzeptes analysiert werden. Im Blick auf die historische Dimension des Projektes erscheint neben dem Begriff der Ähnlichkeit auch das Prinzip der Wiederholung bedeutsam. Obwohl die direkten inhaltlichen Beziehungen zwischen dem Theaterstück und Sören Kierkegaards Die Wiederholung (auf die sich Rau eigenen Angaben zufolge hier bezieht) als marginal zu bezeichnen sind, erscheint es dennoch überaus interessant zu untersuchen, in welcher Weise der Begriff der Wiederholung in der Inszenierung sowohl formal als auch inhaltlich aufgegriffen und interpretiert wird. Zur Debatte steht darüber hinaus aber auch ganz allgemein, inwiefern es Rau gelingt, die beiden sowohl künstlerisch als auch philosophisch suspekten Kategorien Ähnlichkeit und Wiederholung, die jeden Originalitätsanspruch unterlaufen und sich auf diese Weise DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 91 Dossier sowohl dem Geniekult als auch dem Gestus der Avantgarde verweigern, im Rahmen seiner histoire(s) du théâtre als innovative Konzepte zu aktivieren. Die Wiederholung Bereits eine Gegenüberstellung des deutschen und des französischen Titels führt uns ins Herz der Bühnenrealität: So wäre die korrekte Übertragung von „reprise“ ins Deutsche eigentlich „Wiederaufnahme“, die französische Übersetzung des Begriffs „Wiederholung“ hingegen „répétition“ als Theaterprobe. Indirekt reflektiert also schon die Namensgebung die Bedeutung des Theaters als Wiederholungsprozess und stellt in gewisser Weise die klassische Grundlage jeder Inszenierung selbst zur Debatte. Die Wiederholung besitzt damit also (mindestens) vier Dimensionen. Wiederholt wird erstens das reale Ereignis auf der Bühne, hier: der Mord an dem jungen Mann, für dessen Nachspiel das gesamte Repertoire der Theaterillusion in Form eines Reenactments eindrucksvoll zum Einsatz kommt - vom Auto und den Motorengeräuschen bis zum Regen, der auf die Bühne prasselt und dem Schauspieler, der gut sichtbar auf den nackten Körper des Opfers uriniert. Diese Momente, welche die scheinbare Authentizität der Theatervorstellung nutzen, um eine möglichst intensive Einfühlung des Zuschauers zu evozieren, konterkariert Milo Rau durch eine doppelte Verfremdung, die ebenfalls auf dem Prinzip der Wiederholung beruht. So werden auf einem riesigen Bildschirm die auf der Bühne gespielten Szenen ausschnittartig wiederholt: einerseits um deren Eindruck zu verstärken, andererseits um ihn in Frage zu stellen. Aufgrund oft minimaler und manchmal deutlicher Abweichungen wird dem Zuschauer relativ schnell klar, dass das, was er auf dem Bildschirm sieht, nicht unbedingt das ist, was die Kamera auf der Bühne filmt; es ist zwar ähnlich, aber keine Eins-zu-eins-Wiedergabe. Eine dritte Wiederholungebene stellt dann die autoreferenzielle Rahmenhandlung dar, in der sich das Theater beständig selber thematisiert, den Probenprozess bzw. die répétions - vom Casting der Schauspieler und der Darstellung deren eigener Vorgeschichte bis zu ihrem Bericht über ihre Vorbereitung auf das Stück durch Gespräche mit den realen Tätern im Gefängnis und den Angehörigen der Opfer. Die vierte Dimension der Wiederholung ist vor allem für die Theatertruppe von entscheidender Bedeutung, die schließlich die Inszenierung mit jeder Vorstellung in gleicher bzw. ähnlicher Weise wiederholt. Mit dem (nur im deutschen Titel sichtbaren) Rückgriff auf Die Wiederholung (1843), einem „Versuch in der experimentierenden Psychologie“ von Sören Kierkegaard alias Constantin Constantinus, gibt es in La Reprise sogar noch eine fünfte Ebene der Wiederholung, eine Art inhärente theoretische Reflexion über den Begriff selbst. Es handelt sich um ein sehr komplexes und schwer verständliches Konzept, das laut Kierkegaard „eigentlich das ist, was man irrtümlicherweise Mediation genannt hat“ (Kierkegaard 1984: 22). Angespielt wird mit dieser Kritik auf Hegel, der Mediation als Vereinigung der Gegensätze in einem neuen dritten Begriff versteht. Kierkegaard zufolge ist dies jedoch zu statisch gedacht: 92 DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 Dossier In dieser Hinsicht ist die griechische Erwägung des Begriffs κíνησις , die der modernen Kategorie des ‚Übergangs‘ entspricht, in hohem Grade zu beachten. Die Dialektik der Wiederholung ist leicht; denn das, was wiederholt wird, ist gewesen, sonst könnte es nicht wiederholt werden, aber gerade dies, dass es gewesen ist, macht die Wiederholung zu dem Neuen (ibid.: 22sqq.). Will man die Referenz erst nehmen, dann steht im Zentrum von La Reprise weniger die in den Kritiken zumeist fokussierte Frage der Möglichkeiten und Grenzen der Darstellung von Gewalt auf der Bühne 5 als vielmehr die Sinnlosigkeit des Leidens, die sich, Kierkegaard folgend, aus dem Ausnahmecharakter der jeweiligen Situation ergibt. Ausgehend von einer sehr speziellen Lektüre der Hiobsgeschichte, deutet Kierkegaard dessen Schicksal in Die Wiederholung als Ausnahme, welche „den Rahmen argumentativ begründbaren Wissens“ (Janßen 1989: 151) sprengt. So beharrt Hiob darauf, „trotz der vernünftige Allgemeinheit beanspruchenden Erklärung der Freunde, seinem Leiden müsse doch irgendwie eine Schuld zugrunde liegen […], unschuldig zu sein vor Gott, ohne sich und den Freunden […] begreiflich machen zu können, wie es denn zugehe, daß der Unschuldige leide“ (ibid.). Die Interpretation der Hiobsgeschichte führt Kierkegaard letztlich zu einer grundsätzlichen Kritik des abendländischen Wahrheitsbegriffs, der auf dem Prinzip der Objektivität basiert und das Kriterium der Allgemeingültigkeit absolut setzt: „Auf die Dauer wird man ihrer überdrüssig, dieser ewigen Rederei von dem Allgemeinen und dem Allgemeinen, die sich wiederholt bis hin zur langweiligsten Fadheit, Ausnahmen sind da. Kann man sie nicht erklären, so kann man auch das Allgemeine nicht erklären“ (Kierkegaard 1984: 80). Der Logik der Objektivität folgend, weigern sich Hiobs Freunde, den Ausnahmecharakter seines unverschuldeten Leidens zu akzeptieren. Eine solche Anerkennung würde aus ihrer Perspektive die Allgemeingültigkeit des (alttestamentarischen) Gesetzes Gottes, das Leiden als Folge von Schuld bestimmt, in Frage stellen und damit das System an sich unterwandern. Deutlicher als in der Wiederholung erklärt Kierkegaard dieses philosophische Problem drei Jahre später in seiner Ersten unwissenschaftlichen Nachschrift zu den philosophischen Brocken (1846). So gerät laut Kierkegaard die sich aus der scholastischen Adäquationsformel ergebende Bestimmung der Wahrheit als Übereinstimmung von Vorliegendem und Gesagtem, von Subjekt und Objekt, in ihrer Konzentration auf objektive Überprüfbarkeit zum Dilemma: „Versteht man […] das Sein in der Weise, so ist die Formel eine Tautologie, d. h. Denken und Sein bedeuten ein und dasselbe, und die Übereinstimmung, von der gesprochen wird, ist nur die abstrakte Identität mit sich selbst“ (Kierkegaard 1980: 180sq.). Mit Kierkegaard gedacht, lassen sich daher die wesentlichen philosophischen - und das heißt für ihn: die Existenz des Subjektes betreffenden - Fragen mit einem objektiven Wahrheitsbegriff nicht beantworten, da dieser „gleich-gültig“ ist. Da das existierende, an seiner Existenz interessierte Subjekt im realen Dasein jedoch niemals einer solchen Forderung nach Gleichgültigkeit folgen kann, plädiert Kierkegaard zwar nicht für eine Aufhebung des traditionellen Wahrheitsbegriffes zugunsten der Willkür, aber eine Erweiterung desselben. DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 93 Dossier Das Problem der mangelnden Integrierbarkeit der Ausnahme in das Prinzip der objektiven Allgemeingültigkeit, das Kierkegaard in Die Wiederholung am Fall Hiob vorführt, 6 spiegelt sich in der in La Reprise durchgeführten performativen Untersuchung des Mordes an Ihsane Jarfi insbesondere in der Darstellung der Befragung der Beteiligten wider, die sich aus genau diesem Grund besonders quälend für die Angehörigen des Opfers gestaltete. Wie die Darsteller auf der Bühne berichten, wurden die Zeugen geradezu zwanghaft immer wieder zu den Details des Tatherganges befragt und diese nach Hinweisen auf einen Grund bzw. Auslöser des Mordes überprüft. Warum hatte es Ihsane Jarfi überhaupt akzeptiert, in den Wagen der Täter einzusteigen? Welche Bemerkung des Opfers hatte letztlich den ersten Schlag provoziert und welche seiner Reaktionen in die Eskalation der Gewalt geführt? Die Suche nach einem Grund bzw. Anlass läuft zwangsläufig auf die Behauptung einer Mitschuld des Opfers hinaus, insofern diesem damit (direkt oder indirekt) unterstellt wird, sich in irgendeiner Weise provozierend gegenüber seinen Mördern verhalten oder zumindest einen folgenschweren Fehler begangen zu haben. Die beschriebene Befragung durch das Gericht zeigt, ganz im Sinne Kierkegaards, wie schwierig, ja unmöglich es sich gestaltet, sich der Logik der objektiven Wahrheit zu entziehen und den Ausnahmecharakter der Gewalttat und ihre reine Sinnlosigkeit zu akzeptieren. In diesem Sinne besitzt Kierkegaards Ansatz, ebenso wie La Reprise, aber auch einen Appellcharakter. Hannah Arendt fasst dies in folgender Weise zusammenfasst: Es ist die Aufgabe des Menschen, ,subjektiv zu werden‘, ein mit Bewußtsein existierendes Wesen, das die paradoxen Implicationen seines Lebens in der Welt dauernd realisiert. Alle wesentlichen Fragen der Philosophie wie etwa die nach der Unsterblichkeit der Seele, der Freiheit des Menschen, der Einheit der Welt, das heißt alle Fragen, deren antinomische Struktur Kant in den Antinomien der reinen Vernunft erwiesen hatte, sind nur als ,subjektive Wahrheiten‘ zu ergreifen, nicht aber als objektive zu erkennen (Arendt 1990: 23). Übertragen auf die Inszenierung von Milo Rau und die Frage, nach welcher Wahrheit hier eigentlich gesucht wird, führt dies recht klar in die beschriebene Aporie: Wenn die Wahrheit nicht objektiv festgestellt werden kann, ist es unmöglich, zu einem allgemeingültigen Urteil zu gelangen. Das aber bedeutet, dass die Inkohärenz der verschiedenen Perspektiven akzeptiert und der Fall als sinnlose Ausnahme anerkannt werden muss. Ganz im Sinne der Kierkegaard’schen Bestimmung der Wahrheit als einer subjektiv zu ergreifenden, spielt Milo Rau am Schluss der Inszenierung den Ball an die Zuschauer in Form einer Allegorie zurück. Bereits im ersten Teil der Inszenierung hatte ein Schauspieler die ‚Urszene‘ des Theaters beschrieben: Ein Schauspieler steigt auf einen Stuhl, legt sich eine Schlinge um den Hals und kündigt an, sich zu erhängen. Er tritt den Stuhl um, und das Publikum hat die Wahl: zu reagieren und einzugreifen oder auf die Illusionsmaschine des Theaters zu vertrauen und damit die Gefahr einzugehen, den Schauspieler sterben zu lassen. In der letzten Szene der Vorstellung, wird diese Urszene nun wiederholt: Der Darsteller des Opfers 94 DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 Dossier steigt auf einen Stuhl und legt sich eine Schlinge um den Hals. Paradoxerweise ist es aber dann doch das Theater, das ihn rettet, indem die Bühne verdunkelt wird. Die Ähnlichkeit Der zweite, philosophisch ebenfalls sehr komplexe und ausgesprochen problematische Begriff, der in Anlehnung an die Wiederholung eine zentrale Rolle in La Reprise spielt, ist die Ähnlichkeit. Einer der Hauptgründe dafür, warum die Ähnlichkeit als Paradigma oft vernachlässigt und häufig sogar rigoros abgelehnt wird, liegt in ihrem ungenauen Charakter: „Ähnlichkeit bleibt allen philosophischen Bemühungen zum Trotz ein vager Begriff, und vage Begriffe, so lautet das Verdikt der Philosophiegeschichte von Aristoteles bis Quine, sind philosophisch unbrauchbar“ (Kimmich 2017: 24). Die hier beschriebene Schwierigkeit lässt sich in eine direkte Beziehung zu Kierkegaards Kritik des objektiven Wahrheitsbegriffes setzen und umgekehrt als Stärke bezeichnen. Folgt man Kierkegaards Argumentation und definiert die Wahrheit als eine subjektiv zu ergreifende, die maßgeblich durch Interesse und Leidenschaft beeinflusst ist, erscheint die Vagheit der Ähnlichkeit nicht als Problem, sondern kann im Gegenteil als ein Konzept „mit unscharfen Grenzen“ (ibid.: 9) als besonders produktiv bezeichnet werden, insofern es eben nicht statisch ist, sondern „Evolution, Wandel und Metamorphose“ (Kimmich 2015: 14) impliziert. Dies erscheint insbesondere im Blick auf die Aufarbeitung der Geschichte produktiv, die sich jeder Form von Präzision entzieht. Wie es Kierkegaard formuliert, ist „nichts leichter einzusehen, als daß im Bezug auf das Historische die größte Gewissheit doch nur eine Approximation ist“ (Kierkegaard 1980: 18). Verstanden als „‚Figur des Kontinuierlichen‘, Übergänglichen“ (Kimmich 2015: 14), lässt sich das Konzept der Ähnlichkeit insofern gerade zum Erkennen einer approximativen Wahrheit, die ja keineswegs als Beliebigkeit missverstanden werden darf, in historischen Kontexten einsetzen. Ähnlichkeit korrespondiert mit einem subjektiven Wahrheitsbegriff, weil sie ebenfalls nicht objektiv festgelegt, sondern subjektiv erkannt werden muss. Laut Aleida Assmann entsteht Ähnlichkeit „im Auge des Betrachters und ist kontingent, ephemer, unvorhersehbar, vielleicht sogar unverfügbar. Sie hat sich von der Substanz gelöst und ist in die Situation eingewandert“ (Assmann 2015: 168). Ähnlichkeiten zu erkennen erfordert daher vom Betrachter Urteilsvermögen (cf. Kimmich 2017: 11). Genau dieses Urteilsvermögen steht im Mittelpunkt von Milo Raus La Reprise: Weder im Blick auf die historische Dimension der Inszenierung als Teil der Trilogie Histoire(s) du théâtre, noch den zeitlichen Ablauf der Theatervorstellung ist es möglich, die Wiederholungsebenen zu beschreiben, ohne auf das Prinzip der Ähnlichkeit zurückzugreifen. Der Effekt der Wiederholung der Theater-Allegorie als Schlusspunkt des Stückes basiert wesentlich auf Wiedererkennung, obwohl keine präzise Übereinstimmung, sondern lediglich eine Ähnlichkeit zwischen beiden Szenen besteht. Darüber hinaus besitzt das Prinzip aber auch für die Besetzung eine wichtige DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 95 Dossier Rolle. Bereits zu Beginn des Stücks wird in dem auf der Bühne nachgespielten Casting explizit die Ähnlichkeit der Darsteller mit den realen Personen hervorgehoben. Fabian Leenders, der (unter anderem) den Haupttäter verkörpert, hebt am Ende des Stückes noch einmal die Ähnlichkeit seines Lebenslaufs mit dem des Dargestellten hervor: schwierige Jugend, ähnliches soziales Umfeld, alkoholkranke Mutter, die sich umbringt, Ausbildung als Lagerarbeiter und anschließende Arbeitslosigkeit. Dies erzeugt ein intensives Spiel von Nähe und Ferne: Ähnlichkeitsbeziehungen sind verwendbar für die Beschreibung von Verhältnissen, die eine relative Nähe und eine relative Ferne zugleich implizieren und dabei die jeweilige Entfernung nicht als unüberwindbar, sondern immer eher als eine zu überbrückende präsentieren. Ähnlichkeiten markieren einen Ort, der nicht identisch ist mit dem eigenen, der aber auch nicht in der Fremde liegt. Es ist der Ort zwischen dem Fremden und dem Eigenen und damit der Ort bzw. Raum […], der als dritter Raum Begegnung und Kommunikation ermöglicht (ibid.: 41). Dieser dritte Raum ist in La Reprise die Bühne. Das reale Leben der Schauspieler, ihre Biographie (als dargestelltes Leben) sowie die Verkörperung der Figuren und die Darstellung der Geschichte greifen hier zusammen und bilden ein nicht zu entwirrendes Ensemble, das den Begriff der Ego-Pluralität, wie ihn Foucault hinsichtlich der Autorfunktion eingeführt hat (cf. Foucault 1988: 22) gewissermaßen auf die Spitze treibt. Paradoxerweise wird durch diese vage Ähnlichkeit gleichzeitig verhindert, die Schauspieler womöglich mit den dargestellten Personen gleichzusetzen. Die Nähe der Schauspieler zu den Figuren erzeugt also in paradoxer und zugleich produktiver Weise Distanz und Verfremdung und stellt ein Differenzdenken in den Kategorien Identität und Alterität und damit die Möglichkeit einer klaren Grenzziehung zwischen Dargestelltem und Darzustellendem grundsätzlich in Frage. Dieses Konzept konterkariert die Momente des Reenactments, in denen die Illusionsmaschinerie Theater höchste Emotionalität erzeugt. Auch die Tatsache, dass die Schauspieler immer wieder andere Rolle übernehmen oder als Schauspieler nicht nur das Leben der Dargestellten, sondern auch das der Darsteller kommentieren, unterläuft jeden Versuch einer Erzeugung von Authentizität. Der Schauspieler wird so auf einer zweiten Ebene ebenfalls zur Figur erklärt. Als dreifache Verschachtelung - Theater auf dem Theater auf dem Theater - wird die Ähnlichkeit zum Generalprinzip erhoben, um das letztlich unscharfe Spannungsfeld zwischen realem Ereignis und historischer Erinnerung so genau wie möglich eben als unscharf zu beschreiben. Das zugleich Distanz und Nähe erzeugende Ähnlichkeitsspiel in La Reprise findet seine Entsprechung bei Kierkegaard unter anderem im doppelbödigen Spiel der Pseudonyme. So steht im Mittelpunkt der Wiederholung ja eigentlich nicht Hiob, sondern die unglückliche Liebesbeziehung eines jungen Dichters, die von einem gewissen Constantin Constantinus beschreiben und ironisch kommentiert wird. Kierkegaard dissoziiert sich hier in zwei Personen, die er in einen Dialog über seine eigene Lebenssituation treten lässt: Constantin Constantinus, der Beständige, ist der 96 DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 Dossier Ratgeber des jungen Dichters und wird als abgeklärter älterer Herr mit Lebenserfahrung inszeniert. Im 2. Teil der Wiederholung kommt der verzweifelte junge Dichter in Form von Briefen an Constantinus dann direkt zu Wort und vergleicht hier sein Unglück mit dem vom Hiob: Ähnlich wie Hiob hofft auch er auf eine Wiederholung, d. h. darauf, das Verlorene zurückzuerhalten. Dabei entspricht die beschriebene Situation exakt Kierkegaards eigener gescheiterter Liebesbeziehung zu Regine Olsen. 7 Der hier vollzogene Rückbezug auf das subjektiv durchlebte Lebensproblem ist keine Ausnahme im Werk Kierkegaards. Seiner Prämisse der subjektiv zu ergreifenden Wahrheit folgend, hat er wie wohl kein anderer Denker die eigene Verzweiflung entschieden und zugleich widersprüchlich zum Ausgangspunkt seiner philosophischen Reflexion erhoben. Gleich ob der unglücklich Verliebte in Die Wiederholung oder der skrupellose Verführer in Entweder-Oder - die Ähnlichkeit der Geschichten zur unglücklichen Liebe Kierkegaards ist offensichtlich gewollt konstruiert und hat zahlreiche seiner Zeitgenossen zu hämischen Kommentaren inspiriert (cf. Rohde 1998: 118sqq.). In diesem Sinne dient Kierkegaard das Pseudonym Constantin Constantinus keineswegs dazu, sich als Autor zum Verschwinden zu bringen, sondern es wird als Konvention eingesetzt, die eine Entdeckung durch den Leser voraussetzt und zugleich eine Distanznahme zu den eigenen Schriften signalisiert. Dieses Spiel mit der Identität, das ebenfalls als Spiegel der Ego-Pluralität des Autors interpretiert werden kann, ist aber nicht nur wesentlich für Kierkegaards Selbstinszenierung als Philosoph und Dichter, sondern auch Grundlage seiner (an Sokrates angelehnten) ironischen, indirekten und selbstreflexiven philosophischen Methode. Fazit: Unscharf, aber produktiv Anders als der verzweifelte Dichter, der seine Geliebte schließlich an einen anderen verliert, bekommt Hiob am Ende paradoxerweise Recht und erhält alles zurück. Da eine solche Wiederholung dem ermordeten Ihsane Jarfi im realen Leben verwehrt bleibt, muss stattdessen das Theater diese Funktion übernehmen, um ihm zumindest gesellschaftlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. 8 Diese in La Reprise von Rau vollzogene Vermischung von ästhetischer und ethischer Argumentation wäre bei Kierkegaard in dieser Form undenkbar. Sie kann aber, durchaus mit Kierkegaard, als das durch die Wiederholung evozierte Neue bezeichnet werden. Zurückbezogen auf die Eingangsfrage lässt sich konstatieren, dass die Kategorien Wiederholung und Ähnlichkeit, verstanden als künstlerische Prinzipien, im Rahmen einer politischen Theaterarbeit durchaus eine bedeutsame und innovative Funktion besitzen können. Eine solche Arbeit, wie sie Milo Rau anstrebt, affirmiert die Stärke die Bühne als Raum unscharfer und approximativer, aber existenzieller Erinnerung(en). Sie stützt sich auf einen subjektiven Wahrheitsbegriff, der sich abgrenzt von einem Denken in präzisen Kategorien, das Subjekt und Objekt spaltet, Fakten durchleuchtet und diese auf Widersprüche hin kontrolliert. Das ist Aufgabe des Gerichts. Das Theater besitzt hingegen Appellcharakter: Es fordert den Zuschauer auf, ein eigenständiges Urteil zu fällen und eine andere Wahrheit zu suchen, DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 97 Dossier d. h. hier: den Ausnahmecharakter der Tat und ihre absolute Sinnlosigkeit zu akzeptieren. Damit reiht sich La Reprise als Teil einer Histoire(s) du théâtre nahtlos in das allgemeine Theaterkonzept Milo Raus, das er unlängst zur Eröffnung der Theatersaison des ab 2018 von ihm geleiteten NT Gent als „Projekts eines ‚Stadttheaters der Zukunft‘“ in seinem „Genter Manifest“ noch einmal explizit vorgestellt hat: „Es geht nicht mehr nur darum, die Welt darzustellen. Es geht darum, sie zu verändern.“ 9 Diese Veränderung funktioniert freilich, um Aleida Assmann zu wiederholen, allein über das „Auge des Betrachters“ und bleibt insofern „kontingent, ephemer, unvorhersehbar, vielleicht sogar unverfügbar“. Arendt, Hannah, Was ist Existenz-Philosophie? , Frankfurt/ Main, Hain, 1990. Aristoteles, Poetik, trad. Manfred Fuhrmann, Stuttgart, Reclam, 1994. Assmann, Aleida, „Ähnlichkeit als Performanz. Ein neuer Zugang zu Identitätskonstruktionen und Empathie-Regimen“, in: Anil Bhatti / Dorothee Kimmich (ed.), Ähnlichkeit. 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Salino, Brigitte, „Avignon: Milo Rau sur le fil, entre reproduction et représentation de la violence“, in: Le monde, 09 juillet 2018, www.lemonde.fr/ festival-d-avignon/ article/ 2018/ 07/ 09/ avignonmilo-rau-sur-le-fil-entre-reproduction-et-representation-de-la-violence_5328259_4406278.html (27.07.2019). Spreng, Eberhard, „Milo Raus neues Stück in Brüssel - Ein grausames Verbrechen als pädagogisches Projekt“, Deutschlandfunk, 05.05.2018, www.deutschlandfunk.de/ milo-raus-neuesstueck-in-bruessel-ein-grausames-verbrechen.691.de.html? dram: article_id=417270 (27.07.2019). Strauss, Simon, „Ganz ohne Illusionsmaschine geht es nicht“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2018, www.faz.net/ aktuell/ feuilleton/ buehne-und-konzert/ die-wiederholung-vonmilo-rau-an-der-schaubuehne-in-berlin-15769655.html (27.07.2019). Wahl, Christiane, „Es geht um alles. Ein Mordfall als Theaterseminar“, in: Der Tagesspiegel, 03.09.2018, www.tagesspiegel.de/ kultur/ die-wiederholung-an-der-schaubuehne-es-geht-umalles/ 22986734.html (27.07.2019). 1 Die Recherche zum Fall wurde von Eva-Maria Bertschy vorbereitet. 2 Die Besetzung wurde von Milo Rau bewusst heterogen zusammengestellt und besteht aus den beiden erfahrenen Schauspielern Tom Adjibi und Sébastien Foucault, den beiden Stars Sarah De Bosschere und Johan Leysen sowie der Rentnerin Suzy Coco und dem Lagerarbeiter Fabian Leenders, die gleichberechtigt miteinander spielen. 3 Cf. Strauss 2018: „Raus Grundimpuls, sein Publikum herauszufordern und existenziell zu erschüttern, ist bedeutsam. Was daraus allerdings bisher an Programm und Ästhetik folgt, bleibt am Ende doch zu affektiert, um die Wirklichkeit wirklich zu begreifen“. Insgesamt sind die deutschen Rezensionen trotz viel Lob deutlich kritischer als die französischen, cf. Spreng 2018, Kümmel, 2018, Wahl 2018, Gerosa 2018. Besonders streng urteilt Doris Meierhenrich, die Raus La Reprise zum „Tiefpunkt seines Thesentheaters“ erklärt, in dem „Thesen gegen Thesen“ aufgebaut werden, „weil viel zitiert, aber nichts richtig plausibel wird, geschweige denn verdichtet“ (Meierhenrich 2018). 4 Cf. hierzu die Pressemappe des Stückes: http: / / international-institute.de/ wp-content/ uploads/ 20180412_HdT_Pressemappe.pdf (23.02.2019). 5 Insbesondere die französischen Kritiken stellen diesen Aspekt in den Vordergrund, cf. Salino 2018, Enjalbert 2018, Franck-Dumas 2018, Héliot 2018, Armelle 2018, Pascaud 2018. 6 Wie Hannah Arendt bemerkt, hat diese Reflexion philosophiegeschichtlich einen großen Einfluss genommen: „Es ist es charakteristisch für die gesamte Existenzphilosophie, dass sie unter ‚existentiell‘ im Grunde das versteht, was Kierkegaard in der Kategorie der Ausnahme dargestellt hat“ (Arendt 1990: 24). 7 „Auf dem Höhepunkt der Krise nämlich, in die ihn die Auflösung seiner Verlobung mit Regine Olsen gebracht hatte, hoffte Kierkegaard zumindest zeitweise auf eine ,Wiederholung', d. h. auf eine Erneuerung ihres früheren Verhältnisses“ (Müller 1980: 355). DOI 10.2357/ ldm-2019-0007 99 Dossier 8 Das gilt nicht allein für La Reprise, sondern zahlreiche andere Inszenierungen wie z. B. Hate Radio, Civil Wars oder Das Kongo Tribunal. 9 http: / / international-institute.de/ stadttheater-der-zukunft-das-genter-manifest (27.07.19).