eJournals lendemains 37/146-147

lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
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2012
37146-147

Cénacle und Jüngerkreis als Formen kultureller Vergesellschaftung. Stéphane Mallarmé, André Gide und Stefan George in der Sicht vergleichender Intellektuellenforschung

2012
Hans Manfred Bock
ldm37146-1470101
101 Dossier Hans Manfred Bock Cénacle und Jüngerkreis als Formen kultureller Vergesellschaftung. Stéphane Mallarmé, André Gide und Stefan George in der Sicht vergleichender Intellektuellenforschung Wenn es sinnvoll ist, die Texte eines Sprachkünstlers von ihrem unmittelbaren Entstehungskontext zu lösen, so bieten sich zwei legitimierte Interpretationsverfahren an: die poetologisch-immanente Deutung des Werkes und die literatursoziologische Analyse der Lebensumstände des Autors. Die von mir gewählte Annäherung an das Thema steht dem zweiten Erkenntnisziel nahe, ist aber nicht identisch mit der literatursoziologischen Argumentation. Mit der vergleichenden Intellektuellenforschung ist in den letzten zwanzig Jahren ein Konzeptualisierungsansatz entstanden, der in mehreren Ländern und an der Schnittstelle mehrerer Wissenschaftsdisziplinen diskutiert wird 1 und dessen Leitkategorien für unser Thema fruchtbar gemacht werden können. Als Intellektuelle werden diejenigen Kulturproduzenten (Wissenschaftler und Künstler) verstanden, die von ihresgleichen in ihrer kulturellen Kompetenz anerkannt werden, zu Fragen des politischen Gemeinwesens Stellung nehmen und in einem größeren Teil der Öffentlichkeit aufgrund ihrer Deutungsmacht respektiert und gehört werden. Die Gestalt des Intellektuellen im 20. Jahrhundert wird aufgefasst als Sozialfigur, die ihren durch Kompetenzzuschreibung definierten Status erwerben muss (aber auch verlieren kann) und die ihre Rolle als kritischer Intervenient in der politischen Öffentlichkeit in Krisensituationen aktivieren, sie aber auch zeitweilig ruhen lassen kann. Der moderne Intellektuelle als Sozialfigur, der als „Komplementär von Öffentlichkeit“ charakterisiert worden ist, 2 stellt also weder eine Kategorie sozioprofessioneller Klassifikation, noch eine politische Kampfprojektion („Schimpfwort“ oder „Fahnenwort“) dar, sondern ein soziokulturelles Status- und Rollenensemble, das von einem Wissenschaftler oder Künstler konstituiert und personifiziert wird und im 20. Jahrhundert in erster Linie auf die jeweilige nationale Öffentlichkeit hin gerichtet war. Er ist im gegenwärtigen Transnationalisierungsprozess mit abnehmender Exklusivität noch immer primär dem nationalen Kontext verhaftet. Eben diese konstitutive Funktion, zugleich Konstrukteur und Kritiker nationaler Identität zu sein, ruft für die vergleichende Intellektuellenforschung die methodologische Gefahr auf den Plan unvergleichbares zu vergleichen. Dieser Gefahr vermag man zu begegnen, indem man die transnational identischen Funktionsmerkmale der Sozialfigur des Intellektuellen unter Berücksichtigung der politischen Kultur des jeweiligen Landes vergleicht, die in maßgeblichen Teilen von den Intellektuellen geformt wird und deren Tradition auf ihr Verhalten zurückwirkt. Zu 102 Dossier den transnational korrespondierenden Aspekten gehören folgende Funktionsmerkmale: ihre Anerkennung als sozialmoralische Autorität, ihre (direkte oder indirekte) politische Intervention, ihre medialen Vermittlungswege in die Öffentlichkeit (Universitäten und Printmedien) und ihre spezifischen Formen der Vergesellschaftung (Gruppenbildung). Aus der Reihe dieser Standardthemen der neueren Intellektuellenforschung konzentriert sich meine kurze Darstellung auf den letztgenannten Aspekt der spezifischen intellektuellen Gruppenbildung. Er ist nicht allein ein zentrales Erkenntnisobjekt der Intellektuellenforschung, sondern auch ein seit längerem zunehmend beachtetes Traktandum der literaturwissenschaftlichen Arbeiten über Stefan George. 3 Meine folgenden Beobachtungen versuchen, beide Perspektiven zu verbinden, indem einige sozial-, politik-, literatur- und wirkungsgeschichtliche Hypothesen zur Gruppenbildung um George, Gide und Mallarmé in vergleichender Absicht skizziert werden. Es geht dabei nicht zuletzt um die Frage, ob George „le Mallarmé allemand“ gewesen ist, wie ein französischer Intellektuellenhistoriker es unlängst formuliert hat. 4 Es gibt mehrere sozial- und politikgeschichtliche Strukturen der beiden letzten Vorkriegsjahrzehnte in Deutschland und Frankreich, deren Nichtbeachtung einer heuristischen Selbstblendung gleichkäme: Ein semi-autoritärer „Machtstaat vor der Demokratie“ nach der Reichsgründung von 1871, eine prosperierende Wirtschaftsgesellschaft im Zeichen der erfolgreich nachholenden Industrialisierung und eine Gesellschaftskultur, die erste Schritte zur Demokratisierung des Bildungswesens und im Verlagswesen entscheidende Schritte auf dem Weg zur modernen Kommunikationsgesellschaft unternimmt, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite (in Frankreich) eine republikanische Staatsverfassung, der erst nach der Dreyfus- Affäre die Transformation von der Notabelngesellschaft zur „République radicale“ gelingt, eine Wirtschaftsentwicklung, die im Zeichen des „malthusianisme“ industriepolitisch (und demographisch) stagniert, und eine nationale Kultur, die in der Hauptstadt konzentriert ist und als europäisches Impulszentrum der Modernisierung wirkt. Wenn diese objektiven Rahmenbedingungen die Sozialisations- und öffentlichen Handlungsmöglichkeiten von Intellektuellen (Künstlern und Wissenschaftlern) in beiden Ländern abstecken, so müssen einige zusätzliche Determinanten in Betracht genommen werden für die Eigenbestimmung und Fremddefinition dieser Sozialfigur. In Frankreichs politischer Kultur bildete sich spätestens seit der Dreyfus-Affäre eine dualistische Struktur zwischen Republikbefürwortern und ihren Gegnern heraus, die bis an die Schwelle der 1930er Jahre dominierte. Da die siegreiche Republik die Intellektuellen im Bildungs- und Mediensystem als Stütze brauchte und da diese vom zentralen Ort Paris aus agierten, konnten sie für Staat und Gesellschaft zur sozialmoralischen Instanz und Autorität werden. In Deutschlands nationalkultureller Entwicklung seit der Reichsgründung gab es insbesondere in der wilhelminischen Periode eine vergleichsweise größere Nähe der Intellektuellen (vor allem der akademischen „Gelehrtenpolitiker“, die man auch als „Mandarine“ charakterisiert hat 5 ) zu den traditionellen Eliten. Vor allem aber war die politische Kultur des Reiches durch Polyzentrismus und Apolitizismus gekenn- 103 Dossier zeichnet. 6 Es gab nicht die eine Hauptstadt der Kultur wie im Falle von Paris, sondern mehrere kulturelle Ausstrahlungszentren (Berlin, München, Heidelberg u.a.). Und anstelle der dichotomischen Grundstruktur der politisch-kulturellen Landschaft gab es in Deutschland eine Zerklüftung derselben in vier große „sozialmoralische Milieus“ (den preußisch-hegemonialen konservativen Protestantismus, den liberalen Kulturprotestantismus, den Katholizismus und die Sozialdemokratie). 7 Da jedes dieser Milieus die je spezifisch motivierte Neigung hatte, kritische Intellektuelle sich unterzuordnen oder gar auszugrenzen, resultierte aus diesen Gegebenheiten vorzugsweise deren Konzentration auf ihre Bildungsfunktion und eine charakteristische Abstinenz gegenüber politischen Machtkämpfen und Konflikten, mithin eine unpolitische Haltung. Vor diesem Hintergrund ist Georges Beziehung zu Mallarmé interpretierbar. Dabei sollte man die traditionsreiche Kategorie des „Einflusses“ des (eine Generation älteren) französischen Dichters auf den Adoleszenten George während und nach dessen Parisaufenthalt (April - September 1889) am besten gar nicht erst in Anschlag bringen. 8 Aufgrund der neueren interkulturellen Transaktionstheorie sollte man davon ausgehen, dass in der fremdkulturellen Aneignung in aller Regel die Elemente den Vorzug erhalten und selektiv aufgenommen werden, für die in der Sozialisation des Rezipienten bereits eine Prädisposition oder ein Interesse angelegt war. Von dieser Annahme ausgehend kann man erklären, warum George aus seiner Teilnahme an den „mardis“, den Dienstagsempfängen, bei Mallarmé in der rue de Rome, keine literarische Doktrin, sondern eine habitusformende Prägung mitgenommen hat, die sich auf die Rolle der Literatur und die Stellung des Dichters bezog: Seine Bezugspunkte waren dabei der fortgeschrittene Stand der Autonomisierung der Literatur in der Gesellschaft, die durch die Parnassiens in der zweiten Hälfte des Second Empire vorangetrieben worden war, und die damit einhergehende artistische Exponiertheit des Schriftstellers, die durch literarische Zirkelbildung („cénacles“) wesentlich gefördert wurde. Christophe Prochasson entwirft in seiner Intellektuellengeschichte der Jahre 1880-1910 ein Panorama dieser „lieux de sociabilité et de création“ und rückt namentlich Pariser avantgardistische Insidertreffpunkte wie „Le chat noir“, „Le Critérion“, „La Closerie des lilas“ in die Nähe der Mallarméschen „Mardis“, die George kennenlernte. 9 Da diese Treffpunkte eher halböffentliche Orte waren, ist der Charakter der Mallarméschen „mardis“ wohl besser vergleichbar mit künstlerischen Zirkeln anderer Pariser Dichter (Banville, Leconte de Lisle, Heredia, Ghil), die regelmäßig ihre Gemächer öffneten für literarisch kompetente Zeitgenossen. Vertieft man die Analyse des Ablaufs in der rue de Rome, an denen nicht allein in- und ausländische Schriftsteller teilnahmen, sondern auch Maler und Musiker, so sind einige Eigenarten benennbar, die sich in Georges Zirkelbildung in Deutschland wiederfinden, aber auch Merkmale, die diese von den Zusammenkünften in der rue de Rome unterscheiden. In den oft beschriebenen, aber (mangels protokollarischer Zeugnisse) schlecht dokumentierten Dienstagabenden in Mallarmés Wohnung treten mindestens zwei wesentliche Charakteristika hervor, die in Georges Praxis der Gruppen- und Zirkel- 104 Dossier bildung Eingang fanden. Zum einen eine Literaturauffassung, die in Opposition zu staatlichen oder wirtschaftlichen Verwendungsansprüchen formuliert wurde und die Dichtung als ausschließlich ästhetisch legitimierungsbedürftig sah. Mit diesem kulturelitären Ästhetizismus korrespondierte das Gestaltungsprinzip der Zirkelbildung. Nämlich das Prinzip der kooptativen Kreisbildung und der charismatischen Kohäsionsstiftung in der Entwicklung des Kreises der „Mardistes“. In Entsprechung zu meiner thematischen Schwerpunktsetzung kann dieser zweite Aspekt konkretisiert werden. In der historisch-soziologischen Intellektuellenforschung konstatiert man, dass generell die informelle Gruppenkonstituierung von Kulturproduzenten charismatisch angelegt ist: „Ein Intellektueller ist eine Person, die kraft einer geistigen Leistung, der Argumentation oder der exemplifizierenden Darstellung zu einem aktuellen offenen Thema, das die Öffentlichkeit als Forum einer politisch-kulturellen Vergemeinschaftung insgesamt in ihrem Selbstwert zentral etwas angeht und deshalb die für sie konstitutiven Werthaltungen zentral in ihrem Bestand und in ihrer Geltung berührt, in der Lage und fähig ist, sich innerhalb dieser Öffentlichkeit ad hoc eine Gefolgschaft des Gehörs zu verschaffen […].“ 10 Die - hier reichlich metaphorisch formulierte - „Gefolgschaft des Gehörs“ besteht im verkleinerten Maßstab der literarischen Gruppenbildung Intellektueller in den autoritativ vermittelten Leistungen der Wertsetzung und Sinndeutung. Das durch diese Leistung begründete Charisma wirkte in der Gruppenzusammenkunft vermittels einer Selbstinszenierungs-Strategie des Dichters, deren prozedurale Komponenten die zahlreichsten Entsprechungen im Vergleich zwischen Mallarmé und George aufweisen. In beiden Fällen waren die räumlichen Voraussetzungen nicht diejenigen des großbürgerlichen Salons oder des halböffentlichen Vereinstreffens, 11 sondern diejenigen einer schlicht bürgerlichen Privatwohnung. Gerade die Enge und Intimität der kleinbürgerlichen Privatwohnung bedingte ein Höchstmaß an Ritualisierung des Ablaufs der Gruppentreffen, die ganz von der Persönlichkeit des „Meisters“ (Mallarmé bzw. George) beherrscht wurde. In der rue de Rome führte Mallarmé nahezu ausnahmslos das Wort und die Teilnehmer verarbeiteten in Einzelgesprächen seine Anregungen im Anschluss an die Sitzungen. Deren Ablauf war von der Begrüßung durch den Hausherrn bis zum Zeichen des Aufbruchs minutiös geregelt. Das Ritual, das in der räumlichen Enge soziale Distanz ermöglichte, spielte in den Treffen des George-Kreises eine vergleichbare Rolle. Auch die Vermeidung des argumentativen Frage-Antwort-Spiels förderte in beiden Fällen die Wahrung des interpersonalen Abstandes, der eine Vorbedingung für die Wirksamkeit charismatischen Handelns ist. Die hochgradig selektive Zulassung zu den „mardis“, über die Mallarmé allein entschied, war eine weitere prozedurale Komponente, die der charismatischen Inszenierung förderlich war: Die Exklusivität erhöhte die Attraktivität des Mallarméwie des George-Kreises. In einer der neuesten Mallarmé-Monographien (von Pascal Durand) 12 wird den rituellen Bestandteilen der Intellektuellentreffen in der rue de Rome viel Aufmerksamkeit gewidmet. Der Autor geht insbesondere der internen Wirkungsweise des charismatisch gesteuerten Gruppenlebens nach. Nach seinem Befund erfüllten die Abende in der rue de Rome alle 105 Dossier Funktionen modernen literarischen Gruppenlebens seit der Romantik: die dichterische Spezialisierung, die gesellschaftliche Abschließung und die Bildung einer emotionalen Gemeinschaft um eine charismatische Persönlichkeit herum. Die Mallarméschen mardis steigerten diese Funktionsmerkmale zu einer unerreichten Stufe der Perfektion, die den Zusammenkünften eine ästhetisch-sakrale Qualität verlieh: Die Teilnehmer trugen keine transportable Doktrin oder ästhetische Formel von dannen, sondern eine durch Ritual, Symbolik und persönliche Ausstrahlung vermittelte Erfahrung von Dichtung. Es ist nicht abwegig, in der „magie sociale“, die von Mallarmés Soirées in ihrem Zenit ausging, eine nachwirkende Erfahrung Stefan Georges zu sehen. Allerdings kopierte er das Vorbild Mallarmés nicht, sondern adaptierte es an seine persönlichkeitsspezifischen und lebensweltlichen Gegebenheiten in Deutschland. Zu ihnen gehörte sein stark entwickelter Narzissmus, seine homoerotische Neigung und seine schroffe Oppositionshaltung zur deutschen Kultur und Politik, seine „ästhetische Opposition“. Nach dem internen Wirkungsmodus literarisch-intellektueller Gruppenbildung interessiert die vergleichende Intellektuellenforschung ebenso deren erklärte oder uneingestandene Außenwirkung in der Kultur, Gesellschaft und Politik. In der vergleichenden Interpretation Mallarmés und Georges zeichnen sich in diesem nach außen gerichteten Interaktionsbereich von Intellektuellengruppen mehr Unterschiede als Analogien ab. Von Mallarmé ist bekannt, dass für ihn die Bezugspunkte und Objekte der Gruppenkommunikation strikt auf den ästhetischen Bereich begrenzt waren. Die politischen Präferenzen und Optionen der Gruppenmitglieder interessierten ihn nicht; sie waren deren Privatangelegenheit. „Als Dichter sind wir Aristokraten, als Bürger Demokraten.“ 13 Abgesehen davon, dass Mallarmé damit die Lebenslüge jedes radikalen Ästhetizismus auf sich nahm, die in der Leugnung der politischen Implikationen und Funktionalisierungspotentiale kultureller Objektivationen besteht, geriet er damit in der französischen Intellektuellenlandschaft in Schwierigkeiten. Ein japanischer Mallarmé-Forscher hat plausibel nachzuweisen versucht, dass der von der Dreyfus-Affäre erzeugte Polarisierungszwang sich in den Reihen der „Mardistes“ bemerkbar machte und den Maître zur Stellungnahme drängte. 14 Mallarmé starb im September des Jahres 1898, an dessen Anfang Zola sein „J’accuse“ veröffentlicht hatte, und es können nur Vermutungen angestellt werden über die mögliche Weiterentwicklung seines Kreises, der mit ihm endete. Ein neuerer Versuch, die politische Botschaft (oder zumindest die politischen Implikationen) in Mallarmés und Georges Wirkungsabsicht nach außen zu vergleichen und deren Analogien darzustellen, kommt zu dem Schluß, dass bei beiden Dichtern ein aristokratisch-antidemokratischer Gestaltungswille im poetologischen wie im politischen Gestaltungswillen zu finden sei. 15 Der Verfasser will die politischen Aspekte beider Wortkünstler ausschließlich aus ihrem poetologischen Selbstverständnis ableiten, da „rein politische oder soziologische Kategorien im Fall von Dichtung […] immer Gefahr laufen, zu kurz zu greifen“. 16 In der Beweisführung seiner (immens belesenen) textimmanenten Komparatistik stützt er sich allerdings allein auf Schlüsselwörter, literarische Motive und Metaphern im Werke 106 Dossier Mallarmés und Georges in der Absicht, Transfers und Analogien zwischen beiden zu belegen. Eine Beweisführung, die methodologisch nicht zu überzeugen vermag, da sie ihre Beweisstücke aus deren diskursivem Zusammenhang löst und semantische Verwandtschaften herstellt („staat“ = „cité“), die nicht immer plausibel sind. Inhaltlich sind die allein über Wortbrücken nachgewiesenen Entlehnungen und Korrespondenzen zwischen Mallarmé und George auch deswegen problematisch, weil sie deren begriffs- und sozialgeschichtlichen Entstehungskontext nicht berücksichtigen. Diese Art von Kurzsichtigkeit kennzeichnete auch das voluminöse deutsche Standardwerk über Mallarmé, die Habilitationsschrift von Kurt Wais aus dem Jahre 1938, zu der man fachgeschichtlich angemerkt hat: „Wais machte aus Mallarmé einen ochlophoben Aristokraten und deutschen Stefan George, zugleich eine dekadente Führergestalt des fin de siècle.“ 17 Zur Klärung der politischen Wirkungsabsicht Mallarmés und Georges und zur Erklärung ihrer tatsächlichen politischen Wirkung ist weder ein soziologischer noch ein philologischer Reduktionismus hilfreich. Hier sind möglicherweise Fragestellungen der neueren Intellektuellengeschichte nützlich, weil sie erlauben, die schriftstellerische Tätigkeit gleichermaßen als Produkt von kultureller Vergesellschaftung und als Ursprung sinndeutender und wertsetzender kultureller Formgebung zu sehen. Das kann konkretisiert werden anhand postsymbolistischer Intellektuellengruppen in Deutschland und Frankreich. Versucht man eine Intellektuellengruppe in den Blick zu nehmen, die in Frankreich in der späten Dritten Republik eine ähnliche kulturelle Prominenz und Leitfunktion erlangte wie der George-Kreis in Deutschland oder wie die informelle Gruppe um Mallarmé in der rue de Rome für die Symbolisten, so kommt man zwangsläufig auf die Union pour la vérité und die mit ihr verbundene neuklassizistische Gruppe der Gründer der Nouvelle Revue Française (NRF). 18 Es gab keinerlei organisatorische Kontinuität zwischen Mallarmés „cénacle“ und diesen beiden Intellektuellenassoziationen, aber eine personelle Brücke in der Persönlichkeit von André Gide. Dieser hatte Anfang 1891 die Bekanntschaft mit Mallarmé gemacht, dessen literarische Anerkennung erhalten und dann mehrere Jahre lang zu den „Mardistes“ gehört. 19 Er kannte und befürwortete das moralpolitische Erneuerungsprogramm des Philosophen Paul Desjardins und führte die NRF-Gründergruppe 1910 an die Desjardinsche Union pour la vérité heran (eine Vereinigung entschiedener Revisionisten in der Affaire Dreyfus), um gemeinsam die Décades de Pontigny auszurichten. 20 Diese Allianz war dann bis 1939 eine der kulturpolitisch einflussreichsten Intellektuellenassoziationen der Dritten Republik und insofern vergleichbar mit dem klandestinen Einfluss des „geheimen Deutschland“ in der Weimarer Republik und darüber hinaus, der verbreitet wurde über Relaisstellen wie den preußischen Kultusminister Carl Heinrich Becker und die akademische Jugendelite. In beiden Fällen (dem der von George konstituierten oder animierten Intellektuellengruppe und dem der in Pontigny tätigen Gruppierungen) gab es ein kulturelitäres Selbstbewusstsein. So waren die Gründer der Union pour la vérité ähnlich wie die George- 107 Dossier Jünger zutiefst davon überzeugt, dass eine relativ kleine Zahl von intellektuell befähigten und kulturell hochstehenden Menschen gemeinsam die kollektiven Verhaltensdispositionen ihrer Nation langfristig und nachhaltig zu formen vermochten. 21 Charakteristischerweise schloss die Strategie der Außenwirkung der hier genannten französischen Intellektuellengruppen den Weg durch die politischen Organisationen und Institutionen ein, während in den deutschen Zirkeln, die sich auf George beriefen, der primäre Gestaltungswille nach innen gerichtet war und auf die ästhetische Charakterbildung der Gruppenangehörigen zielte. Dieser vorgeblich unpolitische Weg, der von zahlreichen politischen Prämissen und Potenzialen flankiert war, wurde vom neuhumanistischen Konsens des Wilhelminischen Bildungsbürgertums geebnet und führte in der Weimarer Republik zum Eskapismus in den tagespolitischen Konflikten. In der intellektuellengeschichtlichen Gesamtansicht, die die hier skizzierten gruppensoziologischen Fallbeispiele überschreitet, kann man bis in die Konzeptualisierungsentwürfe zu den Intellektuellenassoziationen in der Gegenwart einen politisch-kulturell bedingten Unterschied der Perspektive feststellen: In Frankreich wird in einschlägigen Studien diesen informellen Vergesellschaftungsformen eine soziale Auswahl-, Aufnahme- und Anerkennungsfunktion zugeschrieben, sie werden im Gesellschaftsgefüge zwischen den privaten Primärgruppen und den öffentlichen Organisationen angesiedelt und sie werden unter dem Aspekt ihrer Zielstellung der gesellschaftlichen Verinnerlichung gemeinsamer moralischer oder ästhetischer Normen und Wertmaßstäbe untersucht. In Deutschland wird in dem zentralen Sammelband zur „Soziologie moderner Intellektuellenassoziationen“ 22 der individuell persönlichkeitsbildenden Binnenfunktion der Intellektuellengruppen der Vorzug eingeräumt im Vergleich zur wertsetzenden und sinndeutenden Außenfunktion in der Gesellschaft. Es scheint, dass die literarische Gruppenbildung in der deutschen Tradition (von der Frühromantik über den Vormärz bis zur bürgerlichen Jugendbewegung) primär (aber nicht ausschließlich) als Katalysator der binnenzentrierten Persönlichkeitsbildung diente. So jedenfalls die These von Jürgen Frese. 23 In der französischen Intellektuellentradition zeichnet sich vor und nach der Dreyfus-Affäre eine primäre (aber nicht ausschließliche) Orientierung der Gruppen zur Außenwirkung auf die Gesellschaft und Politik ab (also eine Funktion als Vektor politischer Intervention). 24 Vor diesem Hintergrund lässt sich der Symbolismus Mallarmés interpretieren als eine Durchgangsphase der Professionalisierung und Autonomisierung der Literatur, der Symbolismus Georges als Eingangsphase für einen politikfernen Ästhetizismus mit kunst- oder kulturpolitischem Herrschaftsanspruch. André Gide, der in Mallarmé den größten literarischen Anreger der Vätergeneration sah, schrieb im Nachruf auf ihn: „Imiter Mallarmé - c’est folie“. 25 George hat Mallarmé nicht imitiert, aber Elemente seiner Kunstauffassung in die politische Kultur Deutschlands transferiert - mit problematischen Ergebnissen, für die nur er und nicht Mallarmé verantwortlich zu machen ist. Die Fragestellungen der vergleichenden Intellektuellenforschung auf die Lebens- und Wirkungsgeschichte Stefan Georges anzuwenden, stößt unvermeidlich 108 Dossier auf den Widerspruch einer übermächtigen Tradition in Deutschland, die bis Ende der sechziger Jahre sein Andenken hegte. In dieser Tradition der fortgesetzten Verehrung und posthumen Identifikation mit Werk und Meister, in der sich bis heute passive Hüter des Andenkens mit aktiven Gegnern kultureller „Verwestlichung“ begegnen, gibt es die Neigung, den wissenschaftlich objektivierenden Vergleich des Dichters als böswilliges Sakrileg am Unvergleichlichen abzutun. Auch die Einführung sozialwissenschaftlicher Kategorien in die Interpretation von Leben, Werk und Wirkung Georges, die heuristisch den Vergleich zu konstituieren vermögen, ist noch längst nicht selbstverständlich, obwohl sie lange schon begonnen hat. 26 Dass ein dergestalt angelegter Vergleich nicht auf trivialen soziologischen Reduktionismus hinauslaufen muss, hat das George-Buch „Kreis ohne Meister“ von Ulrich Raulff verdeutlicht. 27 Allerdings begibt sich dessen Autor so behutsam auf diese Spur, als verlaufe sie auf einer dünnen Eisdecke und könne jederzeit einbrechen. Auch ist die filigrane Studie Raulffs über die posthume Langzeitwirkung des George-Kreises in der deutschen Gesellschafts- und Kulturgeschichte nicht in der Absicht geschrieben, deren Wirkungsmechanismen in Vergleich zu setzen mit anderen literarischen Gruppenbildungen im In- oder Ausland. Sie lädt aber nachgerade ein dazu, diesen komparatistischen Aspekt einmal zumindest versuchsweise zu thematisieren. In der immensen George-Literatur ist eben dieser Aspekt ein weitgehend blinder Fleck. Darüber hat sich vor zwanzig Jahren schon Bernhard Böschenstein verwundert, der auf einige lebens- und werkgeschichtliche Parallelitäten der beiden Mallarmé-Adepten Stefan George und André Gide hinwies: „Beide Dichter stoßen eine als negativ erfahrene Erbschaft ab, die spätsymbolistische Preziosität, die Müdigkeit einer Generation von Todessüchtigen. (Beide waren ja in denselben Jahren, George 1889 und, seltener, 1890-92, Gide ab 1891, im Kreise Mallarmés und seiner Jünger.) Mit den ‚Nourritures terrestres’ setzt eine Wende ein, die sich als Verkündigung eines neuen Evangeliums versteht. Verwandt mit dieser Zäsur in Gides Schaffen ist Georges Auftakt zum ‚Teppich des Lebens’ […]. In beiden Büchern wird oft ein Du angeredet, das von neuen Werten überzeugt werden soll, von einem neuen Gott, von einer neuen Form der Liebe. Es gilt, mit der ererbten Religion, mit der bisherigen Vorstellung von ‚sünde oder sitte’, mit den Gewohnheiten eines Lebens in der Familie zu brechen. Die Trennung vom bisherigen Leben wird mit einer starken erotischen Suggestionskraft verkündet.“ 28 Dies werk- und motivgeschichtliche Programm kann um eine intellektuellengeschichtliche Dimension erweitert werden. Dabei muss der Zeitrahmen der Biographie Mallarmés überschritten werden. Nur um diesen Preis lassen sich die intellektuellenhistorischen Traditionen erkennbar machen, aus denen Mallarmé, Gide und George sowie ihre Nachfolger und Gruppenzugehörigen kamen und die diese dann ihrerseits maßgeblich mitformten. Das Musterbeispiel traditionsbildender Intellektuellenassoziation in Frankreich und Deutschland sind die Union pour la vérité bzw. die Décades de Pontigny und der George-Kreis in seinen verschiedenen Aggregationsformen mit und ohne Meister. Historisch autorisiert ist diese Vergleichsskizze zweier Traditionen in diesem the- 109 Dossier matischen Zusammenhang u.a. deshalb, weil George und Gide von einander Kenntnis nahmen und weil Charles Du Bos (eine der Integrationsgestalten der Décades de Pontigny) nachweislich Stefan George 1924 zu einem der europäischen Intellektuellentreffen nach Burgund einlud. Eine Einladung, der dieser nicht Folge leistete. 29 Hinter dieser Ablehnung standen zu dieser Zeit wohl auch die innere Entfremdung Georges von Frankreich und die Verurteilung deutsch-französischer Verständigungsversuche nach dem Ersten Weltkrieg. 30 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass George die Empfehlung des Buches von Ernst Robert Curtius „Wegbereiter des neuen Frankreich“ 31 durch Gide zum Anlass nahm, um sich despektierlich über den französischen Dichter zu äußern und ihn als Epigonen Oscar Wildes abzutun. Über diese ressentimenthaften Ablehnungsgründe hinaus hatten die nachsymbolistischen Entwicklungswege beider Schriftsteller sie zu dieser Zeit noch weiter auseinander geführt als sie zur Zeit ihrer Besuche bei Mallarmé wohl schon waren. Andererseits sind die von Bernhard Böschenstein für die Jahrhundertwende konstatierten Parallelitäten ihrer Werkentwicklung nicht zu verkennen und wiederholten sich noch einmal um 1910. In diesen Jahren schufen beide Dichter fast gleichzeitig, aber mit ganz unterschiedlichen normativen Maßgaben ausgestattete Sozialgebilde, die ihrem Charisma verstärkten Glanz und erweiterten Wirkungsradius verliehen: Sie lancierten, vom Kreis ihrer Freunde und Verehrer angeregt, jeweils eine Zeitschrift, die im Dienste ihrer ästhetischen und gesellschaftlichen Botschaft stehen und die den Zirkel der Mitarbeiter kommunikativ zusammenschweißen sollte. So entstanden ab 1909 die Nouvelle Revue Française und ab 1910 das weit kurzlebigere Jahrbuch für die geistige Bewegung. Beide Periodika entstanden in der Blütezeit des Mediums Kulturzeitschrift in beiden Ländern. 32 Sie standen in Frankreich im gesellschaftlichen Kontext der moralischen Erneuerungsbewegung nach dem Ende der Dreyfus-Affäre und in Deutschland im Kontext der Jugendbewegung und des beginnenden Jugendkults. 33 Die Doppelfunktion der Zeitschriften als Kommunikationskern literarischer Gruppenbildung und als deren Kommunikationsvehikel in die Öffentlichkeit nimmt einen zentralen Platz ein in der neueren Intellektuellenforschung. 34 Schon relativ früh hat einer der Vorläufer dieses Forschungsansatzes einen definitorischen Anlauf unternommen, indem er als Spezifikum intellektueller Vergesellschaftung herausstellte die Bildung von „social circles - al loose network of relationships which nevertheless controls and directs intellectuals and intellectual expression“. 35 Dieser Ansatz ist in der französischen Diskussion weitergeführt worden mit dem Bezug auf den Begriff der „sociabilité“. Ihr zufolge sind kulturelle Vergesellschaftungsformen aufzufassen als „groupement permanent ou temporaire, quel que soit son degré d’institutionnalisation, auquel on choisit de participer“. 36 Dergleichen „Kreise“ können sich formen durch institutionelle Auswahlinstanzen (Akademien, Universitätsorgane, Forschungsinstitute, Jurys, Verlagshäuser, Literaturpreise) oder aufgrund individueller Entscheidung für eine Wertegemeinschaft (wissenschaftliche epistemische Gemeinschaften, künstlerische Schulen und Bewegungen, Zeitschriften 110 Dossier und Salons). Im Rekurs auf diese Konzeptualisierungsansätze kann eine intellektuellengeschichtliche Interpretation der beiden postsymbolistischen Kreisbildner George und Gide skizziert werden, um aufgrund dieser Skizze Aspekte des Vergleichs (Entsprechungen und Unterschiede) zu erörtern. Die annähernde Gleichzeitigkeit der Gruppenbildung um eine Zeitschriftenneugründung 1909/ 1910 auf der französischen und der deutschen Seite ist wohl überwiegend eine Koinzidenz, deren Ursachen im Literaturbetrieb eines jeden der beiden Länder zu suchen sind. 37 Für die Art und Weise der Gruppenkonstituierung sind hingegen einige Eigenarten konstatierbar, die auf zwei Formen literarisch-kultureller Vergesellschaftung hinführen: Ein Typus, den man in Anlehnung an die historische Begriffsbildung einen „Cénacle“ nennen kann und dessen Ursprünge bis auf den Prototyp des gleichnamigen Zusammenschlusses der französischen Romantiker der Jahre 1827 bis 1830 zurückgehen. Und ein anderer Typus des „Jüngerkreises“, der ebenfalls der historischen Semantik entlehnt ist und den ein deutscher Gegenwartsphilosoph auf den folgenden Nenner gebracht hat: „Jede den Kosmos intellektueller Selbstverständlichkeiten einer Kultur modifizierende Gruppengeschichte beginnt mit einer plötzlich und (zumeist unerwartet) sich ereignenden Begeisterung, einem (noch so kleinen) ‚Pfingsterlebnis’, d.h. mit einer (vom späteren Gruppenprogramm her gesehen) kontingent entstandenen Versammlung, deren soziale und mentale Atmosphäre kollektiv als anregend, belebend und erfrischend erlebt und erinnert wird. Es gibt so etwas wie die von allen Teilnehmern einer Versammlung geteilten ‚positiven’ Erfahrungen spürbaren Zuwachses von Möglichkeiten des Sehens, Redens und Handelns, die sich ergeben, wenn Menschen situativ und spontan ihre Handlungsorientierungen aufeinander einstellen und in einem füreinander offenen politischen Raum miteinander zu reden und (frei sich koordinierend) zu handeln beginnen - und das nicht nur, um bestimmte gemeinsame Interessen und Ziele zu erreichen.“ 38 Als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen der Assoziationsform des Cénacle und des Jüngerkreises kann der letztgenannte Aspekt gelten, der auf die Außenwirkung der Gruppe bezogen ist. Während im Jüngerkreis der sich herstellende und zentral werdende gruppendynamische Gleichklang der Mitglieder weitgehend zum Selbstzweck wird, zeichnet sich der Zusammenschluss in einem Cénacle zuvörderst aus durch die nach außen gerichtete Verfolgung „gemeinsamer Interessen und Ziele“, z. Bsp. die gesellschaftliche Durchsetzung einer neuen ästhetischen Doktrin. Die vom Autor dieser Überlegungen angebotene Verallgemeinerung des Jüngerkreises als Grundform kultureller Vergesellschaftung ist also problematisch, da sie geradezu von der georgeanischen Denktradition diktiert zu sein scheint. Die Einzelbeobachtungen zu den Konstituierungs-Mechanismen und -Zwecken dieser einen Variante von Intellektuellengruppierung sind subtil und treffend. Diese beiden Formen kultureller Vergesellschaftung sind keineswegs einer der beiden Nationalkulturen ausschließlich zuzurechnen, sondern sie finden sich (wenngleich in unterschiedlicher Häufigkeit) in der politischen Kultur Deutschlands und Frankreichs. 39 Sie sind aber 111 Dossier eindeutig wiederzufinden im Entwicklungsgang der beiden Mallarmé-Nachfolger Stefan George und André Gide. Das kann an drei Aspekten der Gruppenbildung um die Nouvelle Revue Française und um die Jahrbücher für die geistige Bewegung veranschaulicht werden: Am Primat des Ästhetischen, an der charismatischen Führungsrolle in der jeweiligen Gruppe und an deren Verhältnis zur Gesellschaft. In beiden Fällen literarischer Gruppengründung blieb der von Mallarmé übernommene Grundsatz von der soziokulturellen Suprematie des Ästhetischen erhalten. So setzte sich z. Bsp. André Gide in den ersten Nummern der NRF vehement ein für die Wertschätzung Mallarmés und dessen Verteidigung gegen den anfänglichen Mitbeteiligten an der Zeitschriftengründung. 40 Jean Schlumberger, der erste Direktor der NRF, ließ in seinem Programmtext („Considérations“) kein Zweifel daran, dass der Ästhetik die Vorrangstellung in der Zeitschrift vor der moralischen und politischen Diskussion eingeräumt werden sollte, und Gide stimmte dem emphatisch zu. 41 Im Laufe der Jahrbuch-Gründung und der stilisierenden Darstellung derselben aus der Feder von Karl Wolfskehl wurde zwar der direkte Hinweis auf Mallarmé vermieden und durch den expliziten Hinweis auf Nietzsche ersetzt, aber der Begriff des „Geistigen“, das gegen den Ungeist der Gegenwartsgesellschaft antritt, signalisierte den Suprematie-Anspruch des Ästhetischen, das nunmehr offensiv vertreten wurde. 42 Die Rolle der Integrationsgestalt beider Kreise wurde - im Gegensatz zur Analogie in der Zielstellung ihrer Konstituierung - deutlich unterschiedlich formuliert und praktiziert. Im NRF-Kreis beanspruchte Gide zu keiner Zeit die Funktion eines autoritären Vordenkers, sondern wirkte kraft seines Charismas integrierend, das gerade in seiner experimentellen Offenheit begründet war. Auf diese Weise konnte er als „chef évident et seule valeur incontestable“ (Jean Schlumberger) 43 der Gruppe gelten, ohne ihr seinen Willen aufzuerlegen. Entsprechend formbar und zeitnah konnte sich die Zeitschrift im Wechsel ihrer Direktoren (Jean Schlumberger, Jacques Rivière und Jean Paulhan) entwickeln und zu einem führenden Ideenlaboratorium der Zwischenkriegszeit werden. 44 Mit der Gründung des Jahrbuchs hatten die George am nahesten stehenden Kreis-Mitglieder ein ähnliches Vehikel seiner Botschaft an die größere Öffentlichkeit, eine „Kampfschrift“, lanciert. Diese blieb unter der direkten Kontrolle des „Meisters“, dessen Autorität gleichzeitig ins Monumentale gesteigert wurde. Und zwar durch die Traktate der beiden Herausgeber des Jahrbuchs, Friedrich Gundolf und Friedrich Wolters, die das hierarchische Unterordnungsverhältnis zwischen George und den Kreiszugehörigen mit den Begriffspaaren „Gefolgschaft“ und „Jüngertum“ bzw. „Herrschaft“ und „Dienst“ zu fassen versuchten. Mit dieser Erhebung des Dichters zur Kultfigur, zur Personifizierung der Poesie, die nach übereinstimmendem Urteil seiner Biographen langfristig und vorbedacht von George herbeigeführt worden war, 45 wurde ein kreisinterner Wetteifer um die Gunst und Anerkennung des Meisters gleichsam zum Programm erhoben. Dies Buhlen um Zuwendung und Werben um Zustimmung durch den charismatischen „Herrscher“ führte in intellektuellensoziologischer Sicht zu einer Multiplizierung der Gruppen, Grüppchen und Gruppensplitter, die 112 Dossier eine der Ursachen für das Scheitern des auf Außenwirkung hin angelegten Jahrbuch-Projekts wurde. Es blieb also nur der Weg der individuellen Eingemeindung und Einweihung der „Jünger“, der in den 1920er Jahren (und darüber hinaus) im kulturell zutiefst destabilisierten Deutschland sich als durchaus wirkungsvoll erwies. Noch ausgeprägter waren die divergierenden Entwicklungen der Kreise um die beiden vormaligen Mallarmé-Anhänger in Frankreich und Deutschland hinsichtlich des politischen Engagements (das in der Intellektuellenforschung ja ein zentrales Kriterium dieser Sozialfigur darstellt). In Gides poetologischem Selbstverständnis gab es da von Anfang an geringere Berührungsängste als bei George, der lange Zeit in seiner ästhetizistischen Abwehrhaltung gegen die politische Sphäre verharrte und dann eine mehrdeutige parapolitische Prophetenrolle übernahm. Gide hatte sich während der Dreyfus-Affäre der Phalanx der Revisionisten (die auf der Wiederaufnahme des Prozesses bestand) ohne besonderen Nachdruck ausgeschlossen, fand aber in der Gründungsphase der NRF bereits den Anschluss an die Bestrebungen einer prononciert revisionistischen politisch-moralischen Erneuerungsbewegung, die während der Dreyfus-Affäre 1905 den Namen Union pour la vérité angenommen hatte. Der NRF-Kreis richtete seit 1912 die literarischen Diskussionsrunden der Décades de Pontigny aus, die vom Gründer der Union pour la vérité, Paul Desjardins, ins Leben gerufen worden waren und die nach dessen Absicht zur inneren Stabilisierung der Republik beitragen sollten. Die Desjardinsche Union blieb bis zu ihrem Ende 1939 das Forum, vor dem Gide seine wandlungsreichen politischen Engagementversuche (von den deutschlandpolitischen Debatten der Jahre 1913, 1922 und 1930/ 31 bis zur Episode seiner antifaschistischen Allianz mit den Kommunisten nach 1933) explizierte und rechtfertigte. 46 Eine vergleichbare aktive und langfristige Bindung an eine Intellektuellenassoziation mit politischer Wirkungsabsicht ist für den George-Kreis nicht belegbar. Der mit der Jahrbuch-Gründung beginnende Versuch der soziokulturellen Außenwirkung setzte sich nach dessen Scheitern fort über ganz verschiedene bildungsbürgerliche Relaisstationen, in denen der georgesche gesellschaftliche Gestaltungswille entsprechend vielfältige Eigendynamik und Handlungsmuster erzeugte: In der Jugendbewegung, der (preußischen) Universitätspolitik, sowie in den Wissenschaftsdisziplinen der Germanistik, Pädagogik, Geschichte, Nationalökonomie und Soziologie. 47 Die Bedeutung der (oft ephemeren) Intellektuellengruppen um einzelne George-Jünger (Gundolf, Wolters) war für den Rezeptionsvorgang des Dichtens und Denkens Georges in der Weimarer Republik anscheinend geringer als die indirekte Streuwirkung der bildungsbürgerlichen Strukturen. 48 Die im Entwicklungsgang der Mallarmé-Adepten George und Gide beobachteten Formen kultureller Vergesellschaftung, der Cénacle und der Jüngerkreis, sind intellektuellengeschichtliche Kategorien, die auch zur Klärung einer unabgeschlossenen Kontroverse in der Stefan-George-Biographik herangezogen werden können. Die beiden großen George-Biographien von Robert E. Norton und Thomas Karlauf, beide gut recherchierte und ansprechend formulierte Lebensge- 113 Dossier schichten, stehen in einem auffälligen Kontrast der Bewertung des Dichters und seines Kreises. Der Gegensatz wird teilweise expliziert, geht jedoch weiter, als es die Argumentation beider Autoren zum Ausdruck bringt. Karlauf nimmt Bezug auf die fünf Jahre früher erschienene amerikanische Biographie, indem er ihr testiert, sie sei „aufgrund ihrer positivistischen Auswertung der Quellen bei unzureichender Kenntnis der historischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge“ 49 ihrem Ziel einer angemessenen Erfassung der Lebens- und Wirkungsgeschichte Georges nicht gerecht geworden. Der Kritiker Nortons geht von der historiographischen Prämisse aus, dass der „Fluchtpunkt, der Punkt, auf den die Beschreibung dieses Lebens hinauslaufen musste, nicht das Jahr 1933 sein konnte“: „So wenig sich die deutsche Geschichte auf die Linie Luther-Friedrich-Bismarck-Hitler reduziert, so wenig war Stefan George der Prophet des ‚Dritten Reiches’.“ 50 Norton hatte als Grundlage seines Zugangs zu George in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben, dass die von dem Dichter vertretenen Wertvorstellungen durchgängig im Gegensatz zu seinen eigenen persönlichen und politischen Präferenzen stehen, dass er aber gerade deshalb im Zweifelsfalle immer zugunsten seines Untersuchungsobjekts argumentiere. Im Ergebnis dieses deontologischen Abgleichs hielt er fest, dass gemäß seinem Verständnis George und sein Kreis maßgeblich beigetragen habe zur Herbeiführung eines psychologischen, kulturellen und sogar politischen Klimas, das zu den Geschehnissen in Deutschland 1933 und dessen Folgen hingeführt habe. Er habe diese Geschehnisse nicht nur vorstellbar, sondern auch durchsetzbar gemacht. 51 Die hier klargestellten historiographischen Prämissen beider Biographen leiten in der Tat die Argumentation ihrer lebensgeschichtlichen Darstellung Georges bis ins Detail. Sie verleiten die Autoren gelegentlich auch zu Überzeichnungen im Verfolg dieser je spezifischen interpretatorischen Linie. So wenn Norton eine fragwürdige ex-post-Argumentation anbietet im Kapitel „The Führer and his Reich“, 52 oder wenn Karlauf die „Entdeckung des Charisma“ zum besonderen Verdienst Georges hypostasiert. 53 Der hauptsächliche Gegensatz der beiden voluminösen Studien liegt jedoch in den (nicht explizit gemachten) intellektuellengeschichtlichen Prämissen ihrer Darstellung. Während Norton „Stefan George and his Circle“ als eine Einheit sieht (aber die Wirkungsmechanismen des „Kreises“ mehr beschreibt als analysiert), will Karlauf von dieser Einheit absehen. Er wendet sich von dieser Fragestellung ab mit dem Argument, über den Kreis wolle er „schon deshalb nicht schreiben, weil es ihn so, wie er imaginiert wurde, nie gegeben hat“: „Im Text habe ich zu differenzieren versucht: George und die Seinen, Freundeskreis, innerer Kreis und das Wort ‚Kreis’ nur da verwendet, wo es keine qualitative Wertung impliziert und lediglich beschreibende Funktion besitzt.“ 54 Da beide Autoren den viel bemühten „Kreis“- Begriff nicht als analytische Kategorie einführen, aber reiches Anschauungsmaterial auf der beschreibenden Ebene bereitstellen, bleibt es der intellektuellengeschichtlichen Reflexion überlassen, dessen heuristische Leistungsfähigkeit zu diskutieren. Dabei stellt sich heraus, dass die beiden George-Biographen (wohl eher unbewusst) der Fortsetzungslinie der historischen Modelle des Cénacle und des 114 Dossier Jüngerkreises verpflichtet bleiben. Der eine gibt eine dichte Beschreibung der auf Charakter- und Persönlichkeitsbildung der Kreisangehörigen zielenden inneren Integrationswirkung des charismatischen Anführers für den Jüngerkreis. Er führt für diese Binnenwirkung den (in der Intellektuellenforschung schon seit langem gebräuchlichen) Charisma-Begriff ein, der hier im affirmativen Sinne eine umfassende und anhaltende Vorbildfunktion des Meisters bezeichnet. Der andere (Norton) konzentriert seine Darstellung der kulturellen Gruppengeschichte auf die Transmissionswege ihrer politischen Außenwirkung, die im historischen Modell des Cénacle jederzeit ausgeprägter war, als im binnenzentrierten Jüngerkreis. Er rückt dabei in kritischer Absicht die illiberalen Autoritätsaspekte des George-Kreises (als Summe proliferierender Gruppenformationen verstanden) in den Vordergrund seiner Interpretation, die von dessen Mitgliedern auf gesellschaftliche und politische Ordnungsvorstellungen übertragen worden seien. Die intellektuellengeschichtlichen Implikationen der beiden George-Biographien, die zu ganz gegensätzlichen Bewertungen z. Bsp. des Jahrbuch-Projekts führen, 55 verweisen auf eine Konzeptualisierungsebene, deren fortgesetzte Bearbeitung weiterhelfen kann bei der Entschlüsselung zentraler Phänomene kultureller Vergesellschaftung. 1 Cf. Hans Manfred Bock: „Der Intellektuelle als Sozialfigur. Neuere vergleichende Forschungen zu ihren Formen, Funktionen und Wandlungen“, in: Archiv für Sozialgeschichte, (ed.) Friedrich-Ebert-Stiftung, 51, 2011, 591-643. François Dosse: La marche des idées. Histoire des intellectuels - histoire intellectuelle, Paris, La Découverte, 2003. Stefan Collini: Absent Minds. Intellectuals in Britain, Oxford, Oxford University Press, 2006. 2 Ulrich Oevermann: „Soziologische Strukturbestimmung des Komplementärs von Öffentlichkeit“, in: Andreas Franzmann u.a. (ed.): Die Macht des Geistes. Soziologische Fallanalysen zum Strukturtyp des Intellektuellen, Frankfurt/ Main, Humanities, 2003, 13-76. 3 Mindestens seit Rainer Kolk: Literarische Gruppenbildung. Am Beispiel des George-Kreises 1890-1945, Tübingen, Niemeyer, 1998. 4 Christophe Prochasson: Les années électriques (1880-1910), Paris, La Découverte, 1991, 44. 5 Cf. mit positiver Konnotierung Gangolf Hübinger: Gelehrte, Politik und Öffentlichkeit. Eine Intellektuellengeschichte, Göttingen, Vandenhoeck, 2006; mit kritischer Bewertung Fritz K. Ringer: Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890-1933, München, dtv Klett-Cotta, 1987. Cf. auch Jürgen Habermas: „Die deutschen Mandarine“, in: Id.: Philosophisch-politische Profile, Frankfurt/ Main, Suhrkamp, 1971, 239-251. 6 Hans Manfred Bock: „Un monde intellectuel polycentrique et apolitique. Regards comparatistes sur les intellectuels allemands et les concepts mis en œuvre pour écrire leur histoire“, in: Michel Leymarie, Jean-François Sirinelli (eds.): L’histoire des intellectuels aujourd’hui, Paris, Presses universitaires de France, 2003, 429-444. 7 Cf. M. Rainer Lepsius: „Parteiensystem und Sozialstruktur: zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft“, in: Gerhard A. Ritter (ed.): Deutsche Parteien vor 1918, Köln, Kiepenheuer & Witsch ,1973, 56-79; daran anschließend Gangolf Hübinger: Kulturprotestantismus und Politik, Tübingen, J-C. B. Mohr, 1994, 1-25: Fraktioniertes Bürgertum. 115 Dossier 8 Cf. Michel Espagne: Transferts. Les relations interculturelles dans l’espace franco-allemand, Paris, Éd. Recherche sur les Civilisations, 1988. Hans Manfred Bock: „Transaktion, Transfer, Netzwerkbildung. Konzepte einer Sozialgeschichte der transnationalen Kulturbeziehungen“, in: Id.: Französische Kultur im Berlin der Weimarer Republik. Kultureller Austausch und diplomatische Beziehungen, Tübingen, Narr-Verlag, 2005, 11-33. 9 Christophe Prochasson, op. cit., 38-53; dort zu den damals neuen „pôles d’animation intellectuelle“. 10 Ulrich Oevermann, loc. cit., 20 sq. 11 Der aristokratisch-großbürgerliche Salon, der zur Zeit Mallarmés in Paris noch in Blüte stand, ist offensichtlich nicht identisch mit den Vergemeinschaftungsformen der literarischen Avantgarde. Das wird deutlich in der folgenden zutreffenden Charakterisierung der mondänen Salons: „Leur référence est en effet l’aristocratie qui, dans une période où s’affirme la République, cherche à maintenir son ancien prestige par la surenchère dans le raffinement. […] La grande bourgeoisie, détentrice du pouvoir, vise, quant à elle, à se légitimer en se dotant d’une image sociale comparable.“ Géraldi Leroy: „Salons“, in: Jacques Julliard, Michel Winock (eds.): Dictionnaire des intellectuels français. Les personnes, les lieux, les moments, Paris, Seuil, 1996, 1023. 12 Pascal Durand: Mallarmé. Du sens des formes au sens des formalités, Paris, Seuil, 2008. 13 Belegt bei Kurt Wais: Mallarmé. Ein Dichter des Jahrhundert-Endes, München 1938 (Neuausgabe 1952). 14 Shigeru Okayama: „Mallarmé et l’affaire Dreyfus“, in: Etudes de langue et littérature françaises, 1997, N° 70. 15 Ludwig Lehnen: „Politik der Dichtung. George und Mallarmé. Vorschläge für eine Neubewertung ihres Verhältnisse“, in: George-Jahrbuch, (ed.) Stefan-George-Gesellschaft, Tübingen, Max Niemeyer Verlag, 2002/ 2003, Bd. 4, 1-35. Cf. auch Id.: Mallarmé et Stefan George. Politique de la poésie à l’époque du symbolisme, Paris, Presses Universitaires de Paris-Sorbonne, 2010. 16 Ludwig Lehnen, loc. cit., 4. 17 Kurt Wais, op. cit. cf. Frank Rutger Hausmann: „Vom Strudel der Ereignisse verschlungen“. Deutsche Romanisten im „Dritten Reich“, Frankfurt/ Main, Klostermann, 2000, 338. 18 Auguste Anglès: André Gide et le premier groupe de la Nouvelle Revue Française, Paris, Gallimard, 1978-1986, 3 Bde, 5-17. 19 Claude Martin: André Gide ou la vocation du bonheur. Tome 1 1869-1911, Paris, Fayard, 1998, 141 sq. 20 Cf. François Chaubet, Edith Heurgon, Claire Paulhan (eds.): S.I.E.C.L.E. Colloque de Cerisy. 100 ans de rencontres intellectuelles de Pontigny à Cerisy, o.O. (Caen), Editions de l’IMEC, 2005. Cf. dazu auch als frühen Beitrag zur Pontigny-Forschung meinem Aufsatz: „Europa als republikanisches Projekt. Die Libres entretiens in der rue Visconti/ Paris und die Décades von Pontigny als Orte französisch-deutscher Debatte und Begegnung“, in: Lendemains. Etudes comparées sur la France. Vergleichende Frankreichforschung, 1995, N° 78/ 79, 122-156. 21 Cf. François Beilecke: Französische Intellektuelle und die Dritte Republik. Das Beispiel einer Intellektuellenassoziation 1892-1939, Frankfurt/ Main, Campus, 2003, 58-79. 22 Richard Faber, Christine Holste (eds.): Kreise, Gruppen, Bünde. Zur Soziologie moderner Intellektuellenassoziation, Würzburg, Königshausen und Neumann, 2000. 23 Jürgen Frese: „Intellektuellen-Assoziationen“, in: Richard Faber, Christine Holste (eds.), op. cit., 441-462. 116 Dossier 24 Zur einschlägigen französischen Forschung cf. Nicole Racine, Michel Trebitsch (eds.): Sociabilités intellectuelles. Lieux, milieux, réseaux, Paris, Cahiers de l’IHTP, N° 20, 1992. 25 Claude Martin, op. cit., 335. 26 Neben der Monographie von Rainer Kolk (op. cit.) cf. Wolfgang Braungart: Ästhetischer Katholizismus. Stefan Georges Rituale der Literatur, Tübingen, Niemeyer, 1997, und Carola Groppe: Die Macht der Bildung. Das deutsche Bürgertum und der George-Kreis 1890-1933, Köln, Böhlau, 1996. 27 Ulrich Raulff: Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben, München, Beck, 2009. 28 Bernhard Böschenstein: „André Gide und Stefan George“, in: Hans T. Siepe, Raimund Theis (eds.): André Gide und Deutschland. André Gide et l’Allemagne, Düsseldorf, Droste, 1992, 83-91, Zitat 83. Dort auch Hinweise (90) auf die ältere Vergleichsliteratur. 29 Ib., 83. 30 Cf. Thomas Karlauf: Stefan George. Die Entdeckung des Charisma, München, Blessing, 2007, 512-546. 31 Curtius hatte sein Buchmanuskript George vorgelegt und es war von diesem nicht für gut befunden worden. Curtius unterhielt eine enge Freundschaft mit dem George-Intimus Friedrich Gundolf, war aber nie zum inneren Kreis um den Dichter zugelassen. Cf. Hans Manfred Bock: Kulturelle Wegbereiter politischer Konfliktlösung. Mittler zwischen Deutschland und Frankreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Tübingen, Narr, 2005, 61-122: „Die Politik des ‚Unpolitischen’“. 32 Cf. dazu Jacqueline Pluet-Despantin, Michel Leymarie, Jean-Yves Mollier (eds.): La Belle Epoque des revues 1880-1914, Paris, IMEC, 2002. 33 Cf. Auguste Anglès (op. cit.) für die Nouvelle Revue Française und Carola Groppe (op. cit., 231 sq. und 334 sq.) für die Jahrbücher und ihre Rezeption im Bildungsbürgertum. 34 Cf. dazu meine Zusammenfassung in: „Der Intellektuelle als Sozialfigur“, loc. cit., 615-624. 35 Charles Kadushin: The American Intellectual Elite, Boston/ Toronto 1974, 9. 36 Michel Trebitsch: „La Chapelle, le clan et le microcosme“, in: Nicole Racine/ Id. (eds.): Sociabilités intellectuelles, a. o. O., 11. 37 Cf. Konstellationsskizzen in Claude Martin, op. cit., 514 sq. und Thomas Karlauf, op. cit., 398 sq. 38 Jürgen Frese: „Intellektuellen-Assoziationen“, in: Richard Faber, Christine Holste (eds.), loc. cit., 442. 39 So z. Bsp. der Typus „Jüngerkreis“ im Falle des surrealistisch beeinflußten Collège de Sociologie im Frankreich der 1930er Jahre, oder der Typus „Cénacle“ im Friedrichshagener Dichterkreis um die Jahrhundertwende. 40 Claude Martin, op. cit., 526 sq. 41 Ib., 527. Dazu auch Pierre Hebey (ed.): L’Esprit NRF, 1908-1940, Paris, Gallimard, 1990. 42 Cf. Robert E. Norton: Secret Germany. Stefan George and his Circle, New York, Cornell, 2002, 433. 43 Claude Martin, op. cit., 515. 44 Cf. die Monographien Gilbert-Lucien Salmon (ed.): Jean Schlumberger et la Nouvelle Revue Française, Paris, L’Harmattan, 2004; Jean Lacouture: Une adolescence du siècle. Jacques Rivière et la NRF. Paris, Gallimard, 1997; Martyn Cornick: The Nouvelle Revue Française under Jean Paulhan, Amsterdam, Rodopi, 1995. 45 In diesem Fall übereinstimmend Thomas Karlauf, op. cit., passim und Robert E. Norton, op. cit., passim. 46 Cf. die Belege in François Beilecke, op. cit., 298 sq., 327 sq. 47 Cf. dazu eingehend Carola Groppe, op. cit., Kap. III, IV, VIII, IX und X. 117 Dossier 48 Ib., Kap. VI und VII. 49 Thomas Karlauf, op. cit., 771 sq. 50 Ib., 770. 51 Robert E. Norton, op. cit., XVI. 52 Ib., 405 sq. 53 Thomas Karlauf, op. cit., 396 sq. Da der Autor diese These in den Buchtitel aufgenommen hat, muss hier angemerkt werden, dass es schließlich Weber war (und nicht George), der das Konzept der charismatischen Herrschaft ausformuliert hat und dass der George-Kreis ihm dafür lediglich eine kulturelle Variante lieferte. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Weber die Anregung zur Übernahme des Konzepts aus der zeitgenössischen theologischen Diskussion erhalten hat und nicht aus dem George-Kreis. Cf. dazu den entsprechenden Band der kritischen Gesamtausgabe Max Webers: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilband 4: Herrschaft. Ed. Edith Hanke, Thomas Kroll, Tübingen, Mohr, 2006, 40 sq. Dieser Band war dem George-Biographen allerdings noch nicht zugänglich. 54 Thomas Karlauf, op. cit., 773. 55 Cf. als Angebot zur öffentlichen Kontroverse mit Thomas Karlauf, Robert E. Norton: „Politik des Unpolitischen? Gemeinschaftskonzepte im George-Kreis“, in: Theologie. Geschichte. Beiheft 1/ 2010, 117-136. Résumé: Hans Manfred Bock: Cénacle et Cercle de disciples, deux formes d’association socioculturelle. Cet article propose une interprétation comparatiste de modèles d’association socioculturelle d’écrivains à partir de quelques concepts développés par la recherche récente sur les intellectuels. Il s’agit de modes d’interaction interne et extérieure de groupes d’écrivains symbolistes et postsymbolistes en France et en Allemagne. En partant de l’exemple de Mallarmé et de ses adeptes initiaux André Gide et Stefan George, on peut distinguer deux modèles d’association littéraire. L’un mettant l’accent sur la représentation des intérêts et programmes communs du groupe à l’adresse de la société et de la politique. Ce modèle se situe dans la tradition du Cénacle. L’autre étant caractérisé par la concentration de ses efforts à la vie interne du groupe et à la transformation de l’esprit de ses adhérents ainsi qu’à la création d’une force culturelle de transformation sociale et politique. Cette variante d’association socioculturelle se situe dans la tradition du Cercle de disciples d’un maître (para-)religieux (Jüngerkreis). Les deux modèles se trouvent dans l’histoire intellectuelle des deux pays, mais varient dans leur fréquence d’apparition selon les circonstances politiques et sociales.