eJournals lendemains 34/136

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Narr Verlag Tübingen
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2009
34136

J. Grimm (ed.): Französische Literaturgeschichte

2009
Gisela Schlüter
ldm341360137
137 Comptes rendus JÜRGEN GRIMM (ED.): FRANZÖSISCHE LITERATURGESCHICHTE, 5., ÜBERARB. UND AKTUALISIERTE AUFLAGE MIT 300 ABB., STUTTGART/ WEIMAR: J.B. METZ- LER, 2006. Wenn eine Literaturgeschichte innerhalb von 17 Jahren fünf Auflagen erlebt, so darf man dies gewiss als Ausweis eines beachtlichen Erfolgs werten. 2006 ist die von Jürgen Grimm herausgegebene Französische Literaturgeschichte in fünfter, überarbeiteter und aktualisierter Auflage im Metzler Verlag erschienen, der sich im Bereich der Literatur- und Kulturwissenschaften mit einer Reihe von hochwertigen Lexika und Literaturgeschichten profiliert hat. Die neueste Auflage der Französischen Literaturgeschichte, die sich mittlerweile zu einer Geschichte der französischsprachigen Literaturen, auch außerhalb Frankreichs, fortentwickelt hat, umfasst 545 Seiten statt der 398 Seiten der ersten Auflage des Jahres 1989. An dieser hatten außer dem Herausgeber acht Fachgelehrte mitgewirkt, für die nunmehr vorliegende fünfte Auflage zeichnen neben Jürgen Grimm 13 Romanisten/ Romanistinnen verantwortlich. Die Gesamtkonzeption wurde, das belegen die in der aktuellen Auflage abgedruckten Vorworte der 1., 3., 4. und 5. Auflage, beibehalten, freilich für die vorliegende Auflage behutsam modernisiert, in erster Linie im Sinne einer Lockerung und Pluralisierung des Kanons und Flexibilisierung von Epochengrenzen. Nicht näher begründet wurde damals und wird in der Neuauflage die weitgehende Ausklammerung der europäischen literarischen Kontexte à travers les âges. Diese Ausklammerung fällt besonders auf, wo die europäischen Kontexte die französische Literatur entscheidend mit geprägt haben, wie etwa das Barock, die englische und deutsche Aufklärung, Narrativik und Publizistik im 18. Jahrhundert, die deutsche Romantik im 19. Jahrhundert, auch fehlen beispielsweise die Namen von Borges und Calvino als Inspiratoren der Postmoderne. Für diese komparatistische Abstinenz mag es sachliche Gründe geben. Wahrscheinlich aber waren es vornehmlich pragmatische Motive, die zu seiner solchen Konzentration des vorliegenden Buches auf die französische Kulturgeschichte geführt haben. Beibehalten wurde ein konstitutives Element der ursprünglichen Gesamtkonzeption, nämlich der sozialgeschichtlich-kontextualistische Ansatz: Die Literatur einer jeden Kulturepoche und eines jeden Kulturraums wird jeweils in einem prägnant umrissenen historisch-politischen Kontext verortet, und ihre institutionellen Rahmenbedingungen werden aufgezeigt. Einige in den früheren Auflagen zu verzeichnende allzu schematische soziologische Qualifizierungen - etwa in den Kapiteln zur Literatur des 19. Jahrhunderts - wurden eliminiert; im Kapitel zur Literatur der französischen Aufklärung wäre eine solche Entideologisierung der Terminologie an etlichen Stellen wünschenswert gewesen. Im Übrigen wurden nur wenige Streichungen, mehrere Reformulierungen und zahlreiche Erweiterungen unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Ausmaßes vorgenommen, die Qualität und Gebrauchswert dieses Standardwerkes noch einmal deutlich erhöhen. Neu ist das umfangreiche, informative und gut lesbare einleitende Kapitel zum Früh- und Hochmittelalter aus der Feder von Karin Becker ebenso wie die Synopse der aktuellen französischen Literatur- und Theorieszene - von der Ära Mitterrand bis heute - von Wolfgang Asholt, die denjenigen, die an der französischen Gegenwarts- 138 Comptes rendus literatur besonders interessiert sind, hochwillkommen sein wird, aber doch mit einem offensichtlichen embarras de richesse belastet ist. Die übrigen Teile wurden entweder von den ursprünglichen Bearbeitern selbst mehr (z.B. das Kapitel zur Klassik von Jürgen Grimm, das zur III. Republik von Jürgen Grimm und Margarete Zimmermann) oder - leider - weniger (etwa die Kapitel zum 18. und zum 19. Jahrhundert bis 1871 sowie zur französischen Literatur von 1945 bis 1981) gründlich überarbeitet und aktualisiert oder von anderen als den ursprünglichen Autoren revidiert (so etwa das Kapitel über die Literatur der Renaissance von Frank-Rutger Hausmann, das Jürgen Grimm und Margarete Zimmermann überarbeitet haben, wie auch dasjenige über die belgische Literaturgeschichte von Peter-Eckhard Knabe, das Ulrich Prill revidiert hat). Nicht nur wird die Literatur Frankreichs im Beitrag von Wolfgang Asholt bis in die unmittelbare Gegenwart hinein ausgeleuchtet und dokumentiert, sondern auch die Kapitel zu den frankophonen Literaturen außerhalb Frankreichs, die seit der dritten Auflage die französische Literaturgeschichte des Mutterlandes ergänzen und neuen Forschungsschwerpunkten innerhalb der Romanistik Rechnung tragen, wurden bis in die unmittelbare Gegenwart hinein aktualisiert. Dieser letzte große Teil zu den frankophonen Literaturen Belgiens, Kanadas, der Karibik, speziell auch die Kapitel zur französischsprachigen Literatur des Maghreb und Schwarzafrikas bilden Höhepunkte der zum Standardwerk avancierten französischen Literaturgeschichte von Jürgen Grimm. Die vom Herausgeber in seinem aktuellen Vorwort annoncierte und für den Leser so nützliche Aktualisierung der Bibliographien ist in einigen Teilen deutlicher sichtbar als in anderen (weniger offensichtlich z.B. in denjenigen zur Renaissance, zum 18. und zum 19. Jahrhundert). Durchgängig verstärkt wurde die für die Französische Literaturgeschichte schon von der ersten Auflage an konstitutive Berücksichtigung und Würdigung der Frauenliteratur - von Autorinnen verfasster, aber nicht notwendigerweise spezifischen Frauenthemen gewidmeter oder gar feministisch engagierter Literatur. Im Bereich der Frauenliteratur sind für die neue Auflage auch hinsichtlich der älteren Epochen besonders viele Erweiterungen vorgenommen worden, maßgeblich von Margarete Zimmermann, die in diesem Bereich spezialisiert ist. Informativ und nützlich sind diese Erweiterungen allemal - wenngleich die offenbar nur pragmatische Handhabung der Kategorie der Frauenliteratur doch manche Fragen offen lässt und die privilegierte Berücksichtigung dieses Sektors dessen genauere Bestimmung und Umgrenzung erforderlich macht. Angesichts der massiven Präsenz von Autorinnen in der aktuellen französischen Literaturszene erscheint es plausibel, auf deren gesonderte Behandlung überhaupt ganz zu verzichten, wie Wolfgang Asholt dies vorschlägt (414). Wenn man andererseits Texte, die die condition féminine und deren Erlösungsbedürftigkeit, anders gesagt: weibliches Emanzipationsbegehren artikulieren, gesondert thematisierte, käme man nicht umhin, auch - wie in der Anglistik/ Amerikanistik schon länger üblich - das Spektrum der gay/ lesbian literature auszuleuchten; die vorliegende französische Literaturgeschichte ist diesbezüglich zurückhaltend. Nicht nur den Gender Studies, sondern auch den Medienwissenschaften und rezenten Spielarten der Kulturwissenschaften wie etwa aktuellen Theatralitätsdebatten gegenüber wahrt Grimms Literaturgeschichte Distanz. Ihre eher narrative denn theoretisierende Darstellungsweise und ihre Reserviertheit gegenüber dem 139 Comptes rendus mainstream haben sicherlich ein allzu rasches Veralten der vorliegenden Literaturgeschichte verhindert und werden dies weiterhin tun. Mit Blick auf die Medienwissenschaften fragt es sich aber, ob nicht materialiter über die Berücksichtigung des Mediums Film im Beitrag von Asholt hinaus mediengeschichtliche Aspekte durchaus stärker Eingang finden sollten: so etwa die neueren historischen Erkenntnisse der Buchwissenschaft in die Kapitel, die die Frühe Neuzeit betreffen. Methodologisch erschiene eine stärkere Einbeziehung der immer raffinierteren und leistungsfähigeren Techniken der Narratologie wünschenswert. Schon von der ersten Auflage an hat die naturgemäß auf die Großgattungen konzentrierte Französische Literaturgeschichte auch marginale Genera, „nicht systematisierbare literarische Formen und Erscheinungen“ wie „Traktat, Moralistik, Essay, Brief, Chanson usw.“ Aufmerksamkeit geschenkt (J. Grimm, Vorwort 1989, vgl. X). Dies gilt nun aber in den verschiedenen Kapiteln in unterschiedlichem Maße, und in diesem Bereich wäre eine weitere Homogenisierung der Darstellung angezeigt: nicht nur belgische, sondern auch französische comics wären zu nennen, nicht nur das kanadische Chanson ist bemerkenswert, sondern das französische hätte sicherlich mehr Beachtung verdient als ihm in der vorliegenden Darstellung eingeräumt wird. Erfreulich ist die aktuellen Trends am Buchmarkt entsprechende, aber auch retrospektiv sinnvolle Einbeziehung des Genres der Detektivbzw. Kriminalliteratur in der neuen Auflage. Bedauerlicherweise werden auch noch nach der Neubearbeitung Essayistik, Aphoristik, Reflexionsprosa als Genre marginalisiert. Dieses führt bspw. dazu, dass Autoren/ Autorinnen von Rang wie Joubert, Alain, Simone Weil, Cioran nicht einmal erwähnt werden; revisionsbedürftig sind die Ausführungen zu Montaignes Essais, nicht zuletzt angesichts der außerordentlich reichen Erträge der neueren Montaigne- Forschung und der rezenten Neuorientierung der Editionspraxis. Was die Gattungsgrenzen betrifft, so wäre es zwar gewiss nicht unabdingbar, aber doch wünschenswert, dass künftige Neuauflagen auch der französischsprachigen Kinder- und Jugendliteratur Aufmerksamkeit schenkten. Wie schon im Vorwort zur ersten Auflage programmatisch angekündigt, gilt das Interesse nicht nur den kanonisierten Autoren, sondern auch den Minores. So wird für den Leser eine an Autoren und Autorinnen reiche Geschichte der lettres françaises aufgeblättert, die mittels des Index, der die vollen Namen und die Lebensdaten der behandelten Autoren sowie deren Werke alphabetisch auflistet, als dictionnaire gehandhabt werden kann. Neben den vielen, teilweise neuen Namen, die in der französischen Literaturszene der letzten Jahre auftauchen, werden auch hierzulande unbekannte oder kaum bekannte nicht-französische Autorinnen und Autoren, insbesondere der Karibik, des Maghreb und Schwarzafrikas, in verdienstvoller Weise einem deutschen Publikum vorgestellt. Dass auch die Minores neben den Maiores - wenn man denn dieses in gewissem Sinne anachronistisch gewordene Begriffspaar beibehalten will - Erwähnung finden und für der Betrachtung wert befunden werden, zeichnet die vorliegende Literaturgeschichte insbesondere gegenüber älteren konkurrierenden Darstellungen aus. Freilich hat die Überflutung des Literaturmarktes und die Notwendigkeit, dieser im vorliegenden Band Rechnung zu tragen, dazu geführt, dass beeindruckend viele neue Namen, Werke, Ansätze genannt werden, die kanonisierten Texte und altbekannten Namen 140 Comptes rendus aber teilweise nicht mehr ihrer Bedeutung entsprechend und vor dem Hintergrund der neueren Forschungsliteratur behandelt werden; dies gilt etwa für Albert Camus, dessen Werk vergleichsweise allzu knapp und oberflächlich behandelt wird - bedauerlicherweise findet nicht einmal sein vor einigen Jahren publizierter autobiographischer Roman Le Premier Homme Erwähnung (vgl. 365f.) -, wie für Samuel Beckett und etwa auch für Marguerite Yourcenar. Wer hingegen von den vielen Stars und Starlets des gegenwärtigen Literaturbetriebs, die Asholt in seinem tour d’horizon der Jahre 1981 bis 2006 präsentiert, auch längerfristig Leser finden wird, wessen Werk ästhetischen Rang beanspruchen darf, dies kann und muss heute offen bleiben. Wie schwierig allein schon die kategoriale Erfassung der auch im Bereich der Literatur seit Jahren zu verzeichnenden Neuen Unübersichtlichkeit ist, zeigt sich in dem terminologischen Vorschlag Asholts, für den Bereich des Romans zwischen einem „intransitiven Roman“ - „das Schreiben um des Schreibens willen praktizierender Literatur der Theoriejahrzehnte“ (407) - und einem neuerlich ‚der Realität’ zugewandten „transitiven Roman“ (ebd.) zu unterscheiden. Letzterer differenziere sich in Autorengruppen, die einem ästhetischen Minimalismus verpflichtet seien (wie etwa Toussaint, Echenoz, Redonnet), solchen, denen eine „romaneske Weltzugewandtheit“ zu eigen sei (der in dieser Rubrik firmierende Houellebecq wird sich, so ist zu befürchten, unter diesem Label geradezu grotesk verkannt fühlen), und schließlich denen, die sich - oft autobiographisch - mit der Geschichte auseinandergesetzt haben (wie Claude Simon, Jean Rouaud, Patrick Modiano und Andere); im zuletzt genannten Kontext spricht Wolfgang Asholt auch die in jüngster Vergangenheit vielfach untersuchte französische „Deportations-, Lager- und Shoahliteratur“ an (413f.). Eine Französische Literaturgeschichte diesen Formats wird einerseits professionelle Romanisten, andererseits ein breiteres Publikum ansprechen, das sich insbesondere für die neuere französische Literatur in Frankreich oder auch in den Ländern der Frankophonie interessiert. Die Darstellung der Literatur Frankreichs im 20. Jahrhundert nimmt dementsprechend relativ großen Raum ein. Sie ist, da fünf Autoren beteiligt waren und einiges mehr, anderes weniger intensiv aktualisiert wurde, ein wenig uneinheitlich geraten, auch fallen einige Überschneidungen auf (z.B. zur ‚neuen Autobiographie’, vgl. 390, 407f., 414). Wie aufschlussreich auch kurze aktuelle Ergänzungen sein können, belegt der in der Neuauflage im Kapitel über die Literatur im Umkreis des Faschismus platzierte Hinweis, dass die faschistisch gefärbten Romane von Drieu La Rochelle und Robert Brasillach „heute in auflagenstarken Taschenbuchausgaben vorliegen und beide Autoren zu Kultfiguren der Neuen Rechten geworden sind“ (355, Margarete Zimmermann). Revisionsbedürftig erscheinen die Ausführungen zum Existentialismus und zum Nouveau Roman; in der jetzigen Form unterschreiten sie das Niveau des Bandes. Zu viel Platz wird zudem der „Literatur im Zeichen der Studentenbewegung“ eingeräumt (381-386), zumal im Vergleich zu der seit den 1960er Jahren bis heute einflussreichen und literarisch produktiven „French theory“ (Strukturalismus, Poststrukturalismus, Dekonstruktivismus, Diskursanalyse, Narratologie, Hermeneutik), der in der Synopse der Gegenwartsliteratur trotz ihrer Komplexität und außerordentlichen Wirkmächtigkeit kaum mehr als zwei Seiten gewidmet werden (398-400). Dass sich die Übernahme der einschlägigen Terminologie der „French theory“ auch für die frankophonen Autoren 141 Comptes rendus außerhalb Frankreichs, auch die der sog. Dritten Welt, empfiehlt, wenn sie in Pariser Verlagen publizieren und in Frankreich reüssieren wollen, anders gesagt: dass die Diskurshegemonie nach wie vor von Frankreich, von Paris ausgeht, wird an vielen Stellen im Schlusskapitel zur frankophonen Literatur außerhalb Frankreichs deutlich. Die Französische Literaturgeschichte kann in ihrer aktuellen Form, so ist zu bilanzieren, auch weiterhin einen prominenten Rang am Markt behaupten, wo sich mittlerweile zahlreiche ‚Mitbewerber’ eingestellt haben. Sie stellt einen attraktiven Kompromiss dar zwischen den gelehrten, vielbändigen, enzyklopädisch angelegten Literaturgeschichten, die vor allem in Italien noch heute geschrieben werden, und den didaktisch aufbereiteten, digest-artigen Kurzpräsentationen, die in den letzten Jahren den Markt erobert haben und die vor allem den Erfordernissen der neuen Studiengänge gerecht werden sollen. Grimms französische Literaturgeschichte ist lesbarer und handlicher als die erstgenannten enzyklopädischen Literaturgeschichten. Sie kommt ohne Fußnoten aus - das erhöht die Lesbarkeit, macht es aber unmöglich, einzelne Informationen zu ihren Quellen zurückzuverfolgen; das ist bedauerlich, denn der Leser stößt auf manche Trouvaille, die er gern belegt fände. Die Französische Literaturgeschichte verzichtet auf all jene typographischen Extras, die die aktuell erfolgreichen basics-Literaturgeschichten zur Aufmerksamkeitslenkung einsetzen und die den Leser entmündigen - statt Schautafeln, Fettdruck, Querverweisen, dekontextualisierten und typographisch aufgeblasenen Zitaten erlaubt sich Grimms Literaturgeschichte nur knappe Marginalien, die Akzente setzen. Der Leser darf sich allerdings an mittlerweile 300 Abbildungen unterschiedlicher Art, unter ihnen vielen Autorenporträts, erfreuen. Als originelle und facettenreiche, ganz anders, nämlich ereignisgeschichtlich angelegte und paradigmatisch verfahrende komplementäre französische Literaturgeschichte empfiehlt sich die von Denis Hollier 1989 in englischer Sprache, 1993 auf Französisch erschienene New History of French Literature, die mittlerweile von David Wellbery auch für die deutsche Literaturgeschichte adaptiert worden ist. Gisela Schlüter (Erlangen) NICOLAS BEAUPRE: ECRIRE EN GUERRE, ECRIRE LA GUERRE. FRANCE, ALLEMAGNE 1914-1920, PARIS, CNRS EDITIONS, 2006, 292 P. Das Buch Ecrire en guerre, écrire la guerre des französischen Historikers Nicolas Beaupré versteht sich als Versuch einer vergleichenden Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs. Gegenstand seiner Untersuchung sind die von den Zeitgenossen als „écrivains combattants“ bzw. „Frontdichter“ bezeichneten Schriftsteller, die als Frontsoldaten für besonders legitimiert gehalten wurden, den Krieg zu beschreiben und zu deuten. Ihre Werke betrachtet der Verfasser weniger als Zeitzeugenberichte und Spiegel tatsächlicher Kriegserfahrungen denn als literarische Texte, in denen die Überzeugungen und Erwartungen bestimmter sozialer Schichten in einem gegebenen historischen Kontext zu Ausdruck kommen (17). Als Schüler von Annette Becker distanziert sich Beaupré damit von Jean Norton Crus normativem Begriff der Kriegsliteratur, der in der Debatte zwischen dem Historial de la Grande Guerre und dem Collectif de recherche