eJournals lendemains 42/166-167

lendemains
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Narr Verlag Tübingen
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2017
42166-167

„Osnabrück ist ein französisches Wort“ oder Die ‚deutsche Seite‘ von Hélène Cixous

2017
Andrea Grewe
Susanne Schlünder
ldm42166-1670007
7 Dossier Andrea Grewe / Susanne Schlünder (ed.) „Osnabrück ist ein französisches Wort“ oder Die ‚deutsche Seite‘ von Hélène Cixous Einleitung „Osnabrück ist ein französisches Wort“ - mit dieser auf den ersten Blick befremdlich anmutenden Aussage beschrieb Hélène Cixous bei der Vorstellung der deutschen Übersetzung ihres Buches Osnabrück am 4. Mai 2017 im Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses ihre Technik, deutsche Wörter in ihre französischen Texte einzufügen und aus dem Zusammenstoß einander scheinbar fremder Wörter und Klänge neue Bedeutungen und überraschende Ideenverbindungen entstehen zu lassen. Welche Irritation und Verunsicherung mag „Osnabrück“ als Titel eines im Jahr 1999 im Verlag des femmes erschienenen Buches bei französischsprachigen Lesern und Leserinnen ausgelöst haben? - ein Wort, das auf der klanglichen wie der inhaltlichen Ebene im Französischen einen Fremdkörper darstellt, über das ein französischsprachiger Leser notwendig stolpern muss und das ihn zwingt, sich buchstäblich in ein fremdes Gebiet vorzuwagen: „Pour l’allemand Osnabrück est un hamster, dans la langue du livre c’est un hérisson“ (Cixous 2016: 87). Doch auch ein deutschsprachiger Leser, der vom vermeintlich bekannten Namen dieser norddeutschen Stadt in Sicherheit gewiegt wird, wird sich spätestens bei der Lektüre des kurzen, dem Prolog vorangestellten Textes verwundert die Augen reiben, handelt es sich hierbei doch um den Artikel „Osnabrück“ aus dem französischen Universallexikon Larousse du XIX e siècle. Die fremde, unbekannte Welt, mit der er sich in diesem Werk konfrontiert sieht, ist in der Tat eine heute untergegangene, unbekannte Welt: jenes jüdische Osnabrück, in dem Hélène Cixous’ Familie mütterlicherseits, die Familie Jonas, von 1880 bis zu ihrer Vertreibung und Deportation 1942 gelebt hat. Zugleich aber hat diese Welt auf wundersame Weise im algerischen Oran, in dem Hélène Cixous 1937 geboren wurde, in den Erzählungen und Erinnerungen ihrer Mutter und Großmutter fortbestanden. Welche Bedeutung die deutsche Sprache und Kultur für sie hat und immer schon hatte, beschreibt Hélène Cixous in unnachahmlicher Weise in einem Gespräch, das Cécile Wajsbrot mit ihr geführt hat: Ai-je jamais abordé l’Allemagne? L’Allemagne m’a-t-elle abordée? Y suis-je parvenue, l’ai-je quittée? Voici mon sentiment ou ma sensation: je sens avoir toujours déjà été entourée d’Allemagne, j’ai pour souvenir primordial d’avoir été une algue flottante dans le sein de cette mer. Si, l’Algérie, j’y suis née, l’Allemagne, j’en suis née, j’en ai été environnée dès ma naissance, j’ai appris à penser, à faire des phrases, à lire le monde, dans l’univers Allemagne qui était logé dans la sphère Algérie. Quand je poussais, végétal et animal humain dans le climat sec et parfumé d’Oran, je prenais force et sens dans une double terre, je tenais au temps par 8 Dossier l’Allemagne, l’Allemagne était dans l’Algérie. Cependant, Oran, ma ville natale, était dans Osnabrück, la ville de ma mère (Cixous/ Wajsbrot 2016: 19-21). Diese ‚deutsche Seite‘ Hélène Cixous’ war im öffentlichen Bewusstsein lange Zeit nicht präsent und ist auch von der Forschung bislang vernachlässigt worden. Zu Recht spricht Cécile Wajsbrot denn auch von einem neuen Kontinent: „J’ai l’impression que nous allons aborder un continent, une Atlantide resurgie des eaux“ (ibid.: 19). 1 Dem geringen wissenschaftlichen Interesse an einem zentralen Aspekt des Cixous’schen Werks korrespondiert die erstaunliche Abwesenheit dieses Werks in deutscher Übersetzung. 2 Unbestritten ist hierzulande Hélène Cixous’ herausragender Beitrag zur Theorie der écriture féminine; ihr Name ist darüber hinaus eng verknüpft mit dem Ariane Mnouchkines und ihres Théâtre du Soleil sowie nicht zuletzt mit dem Jacques Derridas und der Theorie der Dekonstruktion. Doch die Werke, auf denen dieser Ruhm beruht, und vor allem das umfangreiche fiktionale Schaffen der Schriftstellerin Hélène Cixous sind in deutscher Sprache praktisch inexistent, wie ein Blick auf ihre Übersetzungsgeschichte verdeutlicht. 1971 erscheint bei Suhrkamp in der Übersetzung Gerda Scheffels Innen, das zwei Jahre zuvor unter dem Titel Dedans veröffentlichte zweite Prosawerk Hélène Cixous’, das in Frankreich mit dem Prix Médicis ausgezeichnet worden war. Rolf Michaelis stufte den schwer zu klassifizierenden, hochpoetischen Text in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24.12.1971 als „lyrischen Monolog“ ein, der „immerhin neugierig auf die anderen Bücher“ der Autorin mache. Doch es ist nicht die Verfasserin experimenteller Prosa, sondern die Feministin und Theoretikerin weiblichen Schreibens, die Mitte der 1970er Jahre in Deutschland entdeckt wird. 1976 erscheinen verschiedene Texte aus den Bänden Prénoms de personne (1974) und La jeune née (1975) in deutscher Übersetzung in einem Schwerpunktheft der Zeitschrift alternative, das unter dem Cixous entlehnten Titel Das Lächeln der Medusa dem Zusammenhang von Frauenbewegung, Sprache und Psychoanalyse nachgeht. 1977 publiziert die feministische Zeitschrift Die Schwarze Botin ein Interview mit ihr, und noch im selben Jahr veröffentlicht der Berliner Merve Verlag unter dem Titel Die unendliche Zirkulation des Begehrens drei Beiträge, die kurz zuvor in Le Monde und der in Brüssel erscheinenden feministischen Zeitschrift Les Cahiers du GRIF publiziert worden waren. Diese erste Reihe von Publikationen in deutscher Sprache, dank derer sich Hélène Cixous im deutschsprachigen Raum als eine der wesentlichen Stimmen des französischen Feminismus neben Luce Irigaray und Julia Kristeva etabliert, endet allerdings 1980 mit einem weiteren Sammelband zum Thema écriture féminine, den der Merve Verlag unter dem Titel Weiblichkeit in der Schrift herausbringt. Ausgerechnet der bekannteste und folgenreichste Text Cixous’, Le rire de la Méduse, 1975 in der Zeitschrift L’Arc publiziert und unmittelbar darauf ins Englische übersetzt, ist in der Hoch- Zeit feministischer Diskussion nicht auf Deutsch erschienen, sondern kommt erst mit einer Verzögerung von fast vierzig Jahren 2013 in deutscher Übersetzung heraus. 3 Auch auf Französisch ist der Text erst 2010 in Buchform veröffentlicht worden. 9 Dossier Ab Ende der 1980er Jahre dominiert im deutschsprachigen Raum die Wahrnehmung der Theaterautorin. 1988 unternimmt Hansgünther Heyme am Theater Essen den Versuch, Cixous für die deutsche Bühne zu entdecken. Drei Jahre nach der französischen Uraufführung 1985 im Théâtre du Soleil wird Die schreckliche, aber unvollendete Geschichte von Norodom Sihanouk, König von Kambodscha in der Übersetzung von Erika Tophoven-Schöningh in Essen inszeniert, und noch im selben Jahr erlebt dort auch ihr Stück Dora (frz. Portrait de Dora, 1976) seine deutsche Erstaufführung. Parallel dazu erscheint 1988 in Lettre international Cixous’ Aufsatz „Fürs Theater schreiben“. Anlässlich eines Gastspiels des Théâtre du Soleil bei den Wiener Festwochen 1995 mit dem Stück La ville parjure ou Le réveil des Erinyes (UA 1994) wird im Programmheft die deutsche Übersetzung von Esther von der Osten publiziert; eine deutsche Bühne spielt das Stück allerdings nicht nach. Das Prosawerk bleibt marginal. 1986 nimmt die österreichische Literaturzeitschrift Wespennest in einem Schwerpunktheft zur zeitgenössischen französischen Literatur den Text „Romeo und Julia“ auf, den die Autorin der Zeitschrift als Originalbeitrag überlassen hatte. Darüber hinaus erscheint 1990 im Wiener Frauenverlag Das Buch von Promethea (frz. 1983) in der Übersetzung von Karin Rick. Auch zu Beginn der 2000er Jahre ist zunächst nur die Dramatikerin Cixous im deutschsprachigen Raum gegenwärtig. 2001 publiziert Lettre international ihre Reflexion „Auf tritt das Theater“, und 2004 gastiert das Théâtre du Soleil mit Le dernier caravansérail (Odyssées) auf der Ruhrtriennale, für deren Programmheft Hélène Cixous den Text „Was ist ein Flüchtling“ beisteuert. Die Cixous-Rezeption, soweit sich diese an Übersetzungen ablesen lässt, intensiviert sich nachhaltig ab 2007, als der Wiener Passagen Verlag, dessen Programmschwerpunkt die neuere französische Philosophie der Postmoderne bildet, den Band Voiles. Schleier und Segel (frz. 1998) in der Übersetzung von Markus Sedlaczek herausbringt, einen Band, der zwei aufeinander bezogene Texte von Hélène Cixous und Jacques Derrida vereint. Flankiert wird dieses Buch von zwei weiteren Schriften Jacques Derridas, die sich mit dem Werk und der Bedeutung der Schriftstellerin Hélène Cixous auseinandersetzen: dem Essay Genesen, Genealogien, Genres und das Genie (2006) und der Hommage H. C. für das Leben, das heißt… (2007). Solcherart kontextualisiert, erscheinen bei Passagen dann in schneller Folge eine Reihe jener ‚Autobiografiktionen‘, die Hélène Cixous seit den 1990er Jahren verfasst hatte: 2008 Benjamin nach Montaigne. Das darf man nicht sagen (frz. 2001), der zweite Text nach Osnabrück, in dem sich die Autorin der Geschichte ihrer Osnabrücker Familie widmet; 2009 Der Tag, an dem ich nicht da war (frz. 2000); 2010 Manhattan. Schreiben aus der Vorgeschichte (frz. 2002); 2013 Hypertraum (frz. 2006) und schließlich 2014 der Derrida gewidmete Essay Insister: an Jacques Derrida (frz. 2006). Erstmals ist damit ein konsistenter Teil des jüngeren fiktionalen Cixous’schen Œuvres für ein deutschsprachiges Publikum zugänglich. Zwei kürzere, poetologisch relevante Texte hat außerdem der Erwin Rauner Verlag herausgebracht: Jemand hat Ingeborg Bachmann getötet (2009; frz. 1991) und Ein wirklicher Garten (2016; frz. 1971 u. 1998). Dass die Zeit mittlerweile auch reif ist für einen 10 Dossier durch die historische Distanz erneuerten Blick auf den Feminismus der 1970er Jahre, belegt der von Esther Hutfless, Gertrude Postl und Elisabeth Schäfer herausgegebene Band Hélène Cixous - Das Lachen der Medusa (2013), der neben aktuellen wissenschaftlichen Beiträgen diesen Gründungstext des Feminismus erstmals in der deutschen Übersetzung von Claudia Simma vorstellt. 4 Generell aber gilt das wachsende Interesse, auf das Hélène Cixous’ Texte im deutschsprachigen Raum allmählich stoßen, nicht mehr primär der Feministin und der Dramatikerin des Théâtre du Soleil, sondern vor allem der Schriftstellerin und ihrer Literaturkonzeption sowie nicht zuletzt ihrer besonderen Verbindung zu Deutschland. So findet kurz nach dem Erscheinen von Benjamin nach Montaigne im Berliner Kulturlabor - Institute of Cultural Inquiry ( ICI ) - eine zweisprachige Lesung mit Hélène Cixous statt, und 2010 wird ihre Dramatisierung dieses Textes in deutscher Übersetzung unter dem Titel Das darf man nicht sagen! an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz aufgeführt. Einen entscheidenden Impuls aber erhält die neue Hinwendung zu Cixous’ ‚deutscher Genealogie‘ durch die Initiative ihrer Schriftstellerkollegin Cécile Wajsbrot, die Hélène Cixous dazu veranlasst hat, in einem zwischen 2012 und 2014 per Brief mit ihr geführten Gespräch über ihre ‚deutsche Herkunft‘ Auskunft zu geben. Welche Bedeutung dieses Gespräch für sie gehabt hat, erklärt Hélène Cixous selbst mit diesen Worten: […] Cécile m’a halée, conduite, rendue, à la fois à ma ville et mon histoire prénatales. Et à ceux de mes propres textes engendrés par la langue allemande, ma mère, que moi-même j’avais laissés endormis de l’autre côté du Léthé. […] C’est comme si, au moment voulu, Cécile m’avait sauvée ma mère en moi. Ma mère - et - environs: la langue, l’Histoire, l’épopée, l’Europe l’Afrique l’effroi et la jubilation. Cécile, c’est, silencieusement souriante, le prénom de ma chance allemande (Cixous/ Wajsbrot 2016: 16). Cécile Wajsbrot berichtet in ihrer Einleitung über Umstände und Verlauf dieses Projekts, dessen französische Langfassung unter dem Titel Une autobiographie allemande 2016 bei Christian Bourgois erschienen ist. Die deutsche Übersetzung dieser Einleitung bildet den Auftakt des vorliegenden Dossiers und führt so den Dialog mit einer deutschsprachigen Leserschaft fort, den die Publikation einer Kurzfassung des Gesprächs 2014 in der Kulturzeitschrift Sinn und Form aufgenommen hatte. Im Rahmen einer Lesung dieses Textes hat Hélène Cixous im April 2015 erstmals selbst Osnabrück besucht, jene Stadt, in der ihre Großmutter Rosalie Jonas 1882 geboren wurde und ihre Mutter Eva Klein zwischen 1918 und 1929 ihre Jugend verbracht hat und die spätestens seit dem Erscheinen von Osnabrück 1999 mit Oran zu den ‚mythischen‘ Orten des Cixous’schen Werks gehört. Dass 18 Jahre nach dem Erscheinen der französischen Originalausgabe nun endlich die deutsche Übersetzung von Osnabrück vorliegt und Hélène Cixous mit dem 2016 erschienenen Gare d’Osnabrück à Jérusalem eine Art ‚Fortsetzung‘ dazu verfasst hat, illustriert die erstaunlichen Nachwirkungen dieses Besuchs und damit das definitive Ende jener ‚Abwesenheit‘ Hélène Cixous’ im deutschsprachigen Raum, die immer wieder mit Erstaunen vermerkt worden ist. 5 Zusammen mit Benjamin nach Montaigne und der 11 Dossier deutschen Übersetzung von Gare d’Osnabrück à Jérusalem, aus der wir im Folgenden die dem Text beigegebene Prière d’insérer abdrucken, liegt für ein deutschsprachiges Publikum nun ein zusammengehöriger Werkkomplex aus dem Cixous’schen Œuvre auf Deutsch vor, eine ‚deutsche Trilogie‘, die mit der Behandlung des deutschjüdischen Verhältnisses, der Thematisierung von Exil und Migration, aber auch mit der literarischen Beschwörung einer grenzüberschreitenden vielsprachigen kulturellen Identität Anknüpfungsmöglichkeiten für zahlreiche aktuelle Diskurse liefert. Verschiedene öffentliche Auftritte wie die Mosse-Lecture (2009) an der Humboldt- Universität, die Hegel-Lecture (2016) an der Freien Universität Berlin oder auch ihre Beteiligung an der Tagung Untying the Mothertongue des ICI (2016) mögen Indizien dafür sein, dass Hélène Cixous nun in der deutschen Öffentlichkeit angekommen ist und ihr Werk in einer bislang nicht dagewesenen Breite wahrgenommen wird. 6 Wie auch die 2017 erschienenen und Aus Montaignes Koffer betitelten Gespräche Peter Engelmanns mit Hélène Cixous zeigen, mag bei der nun einsetzenden breiteren Rezeption Cixous’ in Deutschland nicht zuletzt die historische Konstellation eine Rolle spielen, die nach Rückblick und Einordnung verlangt. So nimmt die französische Autorin in diesen Gesprächen selbst die Rolle der Zeitzeugin ein, die einerseits als ehedem zentrale Akteurin auf den intellektuellen und gesellschaftlichen Aufbruch in den 1970er Jahren zurückschaut und andererseits in einer quasi literarischen Erinnerungsarbeit das eigene Familienarchiv erforscht und damit einen fundamentalen Beitrag zur deutschen Erinnerungskultur leistet. Einen ersten Schritt, um diesen Beitrag näher zu konturieren, unternimmt das vorliegende lendemains-Dossier, indem es die bislang noch nicht systematisch untersuchte deutsche Genealogie Cixous’ in den Mittelpunkt rückt. Als möglicher Ausgangspunkt, der die hier versammelten und im einzelnen ganz unterschiedlichen Auseinandersetzungen zu bündeln vermag, bietet sich das Moment der Zeugenschaft an. Dies legen die ersten Sätze der Prière d’insérer aus Gare d’Osnabrück à Jérusalem nahe, die Stigmatisierung, Diaspora und Holocaust der europäischen Juden als unumgänglichen Fluchtpunkt einer Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte ausweisen: „Aller à Osnabrück, c’est comme aller à Jérusalem, c’est trouver et perdre. C’est exhumer des secrets, ressusciter des morts, donner la parole aux muets“ (Cixous 2016: s.p.). In dem Maße, wie sie sich der im Zitat formulierten Aufgabe stellen, rücken Cixous’ Osnabrück-Texte in eine deutliche Nähe zur Testimonialliteratur, deren Grenzen und Möglichkeiten im komplexen Spiel um Fiktion und Diktion reflektiert werden. 7 So entfaltet Cixous etwa in Gare d’Osnabrück à Jérusalem wie bereits in Osnabrück eine von Überblendungen bestimmte Literarästhetik, in der sich die Gegenwart des Schreibens im Spiegel der mütterlichen Erinnerungen, d. h. der Erinnerungen der und an die Mutter, und die familiäre Vergangenheit überlagern und auf ebenso paradoxe wie unauflösliche Weise verschränken: „- Tu connais quelqu’un à Osnabrück? Me demande mon fils. - Une foule de morts. Des gens qui sont bien vivants dans les livres. On m’attend, dis-je“ (Cixous 2016: 18). 12 Dossier Die literarischen Texte sind damit Niederschlag einer sekundären Zeugenschaft und bekunden den für Derrida unabdingbaren Bezug von témoignage und Poetizität, den er anhand des Celan-Gedichts „Aschenglorie“ herausstellt. 8 Das Gedicht, das mit den zum Emblem gewordenen Zeilen „Niemand / zeugt für den / Zeugen“ schließt (Celan 2000: 119), verweist auf den prekären Status des Zeugnisses, das anders als Spuren oder Beweise keine Evidenz im engeren Sinne liefert (cf. Schmidt 2014: 184). Stattdessen zeigt es - und dies gilt womöglich noch stärker für das sekundäre Zeugnis - das Dilemma des Zeugen an (cf. ibid.), sein letztlich un(mit)teilbares Geheimnis: Le secret reste toujours l’expérience même du témoignage, le privilège d’un témoin auquel personne ne peut se substituer, car il est, par essence, le seul à savoir ce qu’il a vu, vécu, senti; il faut donc le croire sur parole au moment même où il publie un secret qui reste de toute façon secret. Un secret comme secret (Derrida 2005: 60). Benjamin à Montaigne, aber auch Gare d’Osnabrück à Jérusalem, legen die zeitgeschichtliche Bedingtheit familiärer Geheimnisse offen und verstoßen damit gegen das Verdikt des „Ne touchez pas à mes cendres“ (Cixous 2016: s.p.). Gleichzeitig stellen sie sich dem von Derrida formulierten Dilemma, indem sie die von der europäischen Rechtstradition etablierte Grenzziehung zwischen Zeugnis und Fiktion, zwischen juristisch valider Wissensquelle und fiktionalem ‚Als-Ob‘ spielerisch unterlaufen. 9 Als Beispiel dieser Überlagerungs- und Montagetechnik lässt sich die literarische Verarbeitung der Lebensbzw. Todesgeschichte des Großonkels Andreas Jonas anführen: Der bereits 1934 emigrierten Tochter nach Palästina nachgereist, finden er und seine Frau aufgrund ihres Alters und des mangelnden Einsatzes der geliebten Tochter keine Aufnahme und sind gezwungen, die Rückreise nach Deutschland anzutreten, die unweigerlich zu Deportation und Ermordung führt. Der fiktive Dialog zwischen Tochter und Vater mündet in einen Polylog, der den unsicheren Status des Gesagten unterstreicht und die verstorbene Mutter miteinbezieht: - C’est dans Le Roi Lear, ça? dit mon fils. - C’est dans Andreas Jonas, ein Vater la tragédie d’Osnabrück. - On va croire que tu as inventé cette histoire, dit ma mère. - Peut-être qu’Omi savait, et elle l’a dit à sa fille. Peut-être pas. (Cixous 2016: 60sq.) Obwohl - oder gerade weil - die Textpassage verhindert, dass die Dichotomien dokumentarisch belegt/ erdacht und wahr/ falsch eindeutig aufeinander bezogen werden können, lässt sie das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit, die „fiduziarische Bindung“ (Ricœur 2004: 253) der Aussage unangetastet: Das Als-ob garantiert eben jene Erlebnisqualität, die mit Schmidt gleichermaßen die epistemische und die ethische Dimension des Zeugnisses ausmacht, insofern sie eine symbolische, kulturelle und affektive Fremderfahrung allererst ermöglicht (cf. Schmidt 2014: 187, 190). In diesem Sinne stellt Gare d’Osnabrück à Jérusalem ein transgenerationales Zeugnis dar, das zwei Jahre nach dem Tod der Mutter, Eva Klein, die klaffende Erinnerungslücke zu überbrücken versucht und die 13 Dossier sich entziehenden und von der Mutter verweigerten „propriétés mémorielles“ (Cixous 2016: 145) einfordert. Alors, maintenant qu’elles ne sont plus, Ève, Éri, Omi…, maintenant qu’il n’y a plus personne, et que la mémoire cherche où, en qui, se réfugier, maintenant qu’il est trop tard, à toi d’aller, me dit le destin, gardien des mystères généalogiques. (Cixous 2016: s.p.) Angestoßen von der Angst vor dem unwiederbringlichen Verlust, der nicht nur als Verlust der Erinnerungen, sondern auch der Sprache selbst begriffen wird - „Il y a des années que je prends l’allemand pour ma mère ou inversement“ (Cixous/ Wajsbrot 2016: 41) - treibt der Text die nicht erst in Osnabrück begonnene Autoethnographie voran und stellt sich jenen familiären und zeitgeschichtlichen Geheimnissen, 10 die im Sinne Derridas das Paradox des Zeugen ausmachen und auf den doppelt prekären Status der sekundären Zeugenschaft Hélène Cixous’ verweisen: „Gab es da ein Geheimnis? Da ist ein Geheimnis, und dieses Geheimnis kenne ich nicht. Und ich habe niemanden mehr, dem ich die Frage stellen kann. Denn mittlerweile sind tatsächlich alle tot“ (Cixous 2017c: 144; cf. ibid.: 155). Gleichzeitig eröffnet die doppelte Vermitteltheit und die Unbestimmtheit dessen, was man Faktenlage nennen könnte, einen von der Autorin kreativ bespielten Möglichkeitsraum, der fremde Erinnerungen und eigene Imagination miteinander verknüpft und dessen Offenheit sich auf die Formel bringen ließe: „Ich erzähle mir eine Geschichte“ (ibid.: 144). Neben den charakteristischen topographisch-temporalen Überlagerungen, unter deren Eindruck die Geburtsstadt Oran und der pränatal-familiäre Herkunftsort Osnabrück zu Zwillingen geraten, fällt als maßgebliches ästhetisches Verfahren eine spezifische, Deutsch und Französisch querende Sprachgestaltung auf. Das von deutschen Lexemen und Wortbildungsmechanismen durchzogene und in diesem Sinne deutsch affizierte Französisch entfaltet dabei eine sinnliche Qualität, die den Rezipienten in komplexe Sprach- und Interpunktionsspiele einbezieht und so das „‚polyphone Archiv‘“ der algerischen Kindheit erlebbar macht (ibid.: 160). Damit erweist sich die literarische Ästhetik als Aisthetik, deren Funktion einerseits darin liegt, die im Sinne der Zeugenschaft angesprochene Erlebnisdimension zu vermitteln und also die Leser und Leserinnen zu berühren, 11 andererseits weist es im Sinne einer von Welsch formulierten Aisthet/ hik die Ethik als Unterbereich einer Ästhetik aus, die sich als Werkstatt und Schule von Pluralität und Heterogenität versteht (cf. Welsch 1996: 108). Das vorliegende Dossier gliedert sich in zwei Teile: Es setzt mit dem auszugsweisen Abdruck einiger Passagen Cixous’ ein, die Esther von der Osten übersetzt hat, und versammelt im Anschluss daran vier Beiträge, denen es um eine literaturwissenschaftliche Erforschung der ‚deutschen Seite‘ im Denken, Erinnern und Schreiben Hélène Cixous’ geht. Bei den Passagen handelt es sich um zwei Auszüge aus der im Frühjahr 2017 erschienenen deutschen Übersetzung von Osnabrück durch von der Osten und um das Bitte einfügen aus dem ebenfalls von ihr übersetzten Bahnhof Osnabrück nach Jerusalem. Die Texte sollen auf die spezifische Sprachartistik der französischen Autorin einstimmen und nicht zuletzt die besondere 14 Dossier Herausforderung dokumentieren, welche die Übersetzung von Hélène Cixous’ Texten ins Deutsche darstellt. Die sich anschließenden literatur- und kulturwissenschaftlich ausgerichteten Beiträge loten die ästhetisch-erinnerungskulturelle Dimension der Osnabrück-Texte Cixous’ aus und legen dabei nicht zufällig den Akzent auf die Sprache. Den Übergang zwischen den beiden Teilen bildet die ebenfalls von Esther von der Osten übersetzte Einleitung Cécile Wajsbrots zu Une autobiographie allemande, in der diese von ihrer Entdeckung der vielfältigen deutschen Spuren in Cixous’ Werk berichtet. Im Anschluss daran geht Françoise Rétif in ihrem Beitrag zu Une autobiographie allemande der fundamentalen Rolle nach, die der ‚Sprache‘, und zwar überraschenderweise gerade dem Deutschen, für Cixous’ Schreiben zukommt, das seinen Ursprung nicht nur in der Muttersprache als der ‚Sprache der Mutter‘ hat, sondern dessen ‚Mutter‘ nachgerade die Sprache ist. Insbesondere Gare d’Osnabrück à Jérusalem, das mit seiner Brandmarkung von Wörtern wie ‚Arisierung‘, ‚Vertreibung‘, ‚Kristall‘ die deutsch-jüdische Geschichte aufruft, verweist damit unmissverständlich auch auf die ‚Geschichte‘ und die ‚Geschichten‘, deren Erinnerung und Bewahrung dieses Schreiben verpflichtet ist, und insistiert solcherart auf dem Nexus von Signifikant und Signifikat. Einen hierzu komplementären Ansatz wählt Olivier Morel. Er arbeitet im Augenblick an einem Dokumentarfilm über Hélène Cixous, der unter dem Titel Ever, Rêve, Hélène Cixous das künstlerische Universum der Autorin erkundet und 2018 herauskommen wird. In seinem Beitrag verbindet er die Perspektive des Filmemachers, der sein ‚Objekt‘ auf den Film bannt, mit einer Analyse der Cixous’schen écriture, indem er herausarbeitet, wie sich in dieser auf scheinbar paradoxale Art ‚Vernichtung‘ und ‚Bewahrung‘/ ‚Archivierung‘ verbinden. Im Anschluss hieran konturiert Brigitte Heymann in ihrem Beitrag „La langue véhiculaire - die deutsche Sprache in Cixous’ Poet(h)ik“ insbesondere die ethische Dimension der Spracharbeit Cixous’, indem sie den Strategien des dire autrement und des Sprachspiels nachgeht. Sie begreift das zwei- oder mehrsprachig verschränkte Schreiben im Kern als Ver-schreiben im Sinne einer poetischen Subversion, die sich gegen monolinguale Norm und autoritären Diskurs wendet und den Identitätsbruch als Sprachen, Kulturen und Zeiten überbrückende Passage ausweist. Isabella von Treskow entschlüsselt in „Le fleuve sonore, les ouïes extravagantes et le sillon sensuel. Langue, Muttersprache et pensée dans Osnabrück et Gare d’Osnabrück à Jérusalem d’Hélène Cixous“ die Räume und Zeiten querende fluviale Ästhetik der Texte und stellt mit Bezug auf die Phonetik die sinnlichen Qualitäten der écriture heraus. Dabei geht sie detailliert der spezifischen Interpunktion nach, die ähnlich wie die lexematischen Agglutinationen dem Leser den Atem nimmt und Schlusspunkte verweigert. Der in Gare d’Osnabrück à Jérusalem gleich eingangs heraufbeschworene Fluss, der das Stadtbild Osnabrücks prägt, die Hase, wird, wie von Treskow zeigt, dabei zum Emblem einer Sprache ‚im Fluss‘, die im Spiel der Deplatzierungen und Kontaminationen Exodus und Odyssee der europäischen Juden anzeigt. Am Schluss dieser Einleitung muss ein Wort des Dankes stehen. Wir danken dem Passagen Verlag für die großzügige Abdruckerlaubnis der deutschen Texte von Hélène Cixous und den Éditions Christian Bourgois für die freundliche Überlassung 15 Dossier des französischen Textes von Cécile Wajsbrot. Ein besonderer Dank gilt der Übersetzerin Dr. Esther von der Osten für ihren Einsatz und die Großzügigkeit, mit der sie ihre profunde Kenntnis des Cixous’schen Werks mit uns geteilt hat. Und nicht zuletzt geht unser Dank an Hélène Cixous und Cécile Wajsbrot, ohne deren Unterstützung die Realisierung dieses Projekts unmöglich gewesen wäre. A. Selbständig auf Deutsch erschienene Werke Hélène Cixous’ in chronologischer Reihenfolge Innen, trad. Gerda Scheffel, Frankfurt/ M., Suhrkamp, 1971 [Dedans, Paris, Grasset, 1969]. Die unendliche Zirkulation des Begehrens, trad. Eva Meyer / Jutta Kranz, Berlin, Merve, 1977. Weiblichkeit in der Schrift, trad. Eva Duffner, Berlin, Merve, 1980. Dora, trad. Susanne Kaiser, Bad Homburg, Hunzinger Bühnenverlag, o.J. [DEA 1988] [Portrait de Dora, Paris, des femmes, 1976]. Die schreckliche, aber unvollendete Geschichte von Norodom Sihanouk, König von Kambodscha, trad. Erika Tophoven-Schöningh, ed. Hanns-Dietrich Schmidt, mit einem Nachwort von Hans-Rüdiger Minow, Köln, Prometh, 1988 [L’histoire terrible mais inachevée de Norodom Sihanouk, roi du Cambodge, Paris, Théâtre du Soleil, 1985]. Das Buch von Promethea, trad. Karin Rick, Wien, Wiener Frauenverlag, 1990 [Le livre de Prométhéa, Paris, Gallimard, 1983]. Die meineidige Stadt oder Das Erwachen der Erinnyen, trad. Esther von der Osten, Wien, Wiener Festwochen, 1995 [La ville parjure ou Le réveil des Érinyes, Paris, Théâtre du Soleil, 1994]. Benjamin nach Montaigne. Was man nicht sagen darf, trad. Helmut Müller-Sievers, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2008 [Benjamin à Montaigne, Il ne faut pas le dire, Paris, Galilée, 2001]. Jemand hat Ingeborg Bachmann getötet, trad. Herbert Rauner, Augsburg, Erwin Rauner, 2009a [aus: L’ange au secret, Paris, des femmes, 1991]. Der Tag, an dem ich nicht da war, trad. Esther von der Osten, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2009b [Le jour où je n’étais pas là, Paris, Galilée, 2000]. Manhattan. Schreiben aus der Vorgeschichte, trad. Claudia Simma, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2010 [Manhattan. Lettres de la préhistoire, Paris, Galilée, 2002]. Hypertraum, trad. Esther von der Osten, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2013 [Hyperrêve, Paris, Galilée, 2006]. Insister: an Jacques Derrida, trad. Esther von der Osten, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2014 [Insister. À Jacques Derrida, Paris, Galilée, 2006]. Ein wirklicher Garten, trad. Herbert Rauner, Augsburg, Erwin Rauner, 2016 [Un vrai jardin, Paris, L’Herne, 1971, Neuausgabe Paris, des femmes 1998]. Osnabrück, trad. Esther von der Osten, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2017a [Osnabrück, Paris, des femmes, 1999]. Aus Montaignes Koffer. Im Gespräch mit Peter Engelmann, trad. Claudia Simma, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2017b. Bahnhof Osnabrück nach Jerusalem, trad. Esther von der Osten, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2017c [Gare d'Osnabrück à Jérusalem, accompagné de sept substantifs dessinés par Pierre Alechinsky, Paris, Galilée, 2016]. 16 Dossier B. Weitere Werke Celan, Paul, „Aschenglorie“, in: id., Atemwende: Vorstufen - Textgenese - Endfassung Werke. Tübinger Ausgabe, Frankfurt/ M., Suhrkamp, 2000, 119. Cixous, Hélène, „Schreiben, Feminität, Veränderung“, in: alternative, 108-109, 1976a, 134-147. —, „Schreiben und Begehren“, in: alternative, 108-109, 1976b, 155-159. —, „Trennung. Ein Gespräch mit Hélène Cixous und Maren Sell“, in: Die Schwarze Botin, 1, 2, 1977, 13-23. —, „Romeo und Julia“, trad. Brigitte Madlo, in: Wespennest, 64, 1986, 37-38. —, „Fürs Theater schreiben“, in: Lettre international, 2, 1988, 88-89. —, Osnabrück, Paris, des femmes, 1999. —, „Auf tritt das Theater“, in: Lettre international, 55, 2001, 78-83. —, „Was ist ein Flüchtling“, in: Le dernier Caravansérail / Die letzte Karawanserei, Programmheft der Ruhrtriennale, 2004. —, Das darf man nicht sagen! , trad. Uli Menke, unveröffentlichte Fassung der Schaubühne am Lehniner Platz, 2010a [AIL! ‒ Il ne faut pas le dire ‒, unveröffentlicht]. —, Le rire de la Méduse et autres ironies, Préface de Frédéric Regard, Paris, Galilée, 2010b. —, „Das Lachen der Medusa“, trad. Claudia Simma, in: Esther Hutfless / Gertrude Postl / Elisabeth Schäfer (ed.), Hélène Cixous - Das Lachen der Medusa, Zusammen mit aktuellen Beiträgen, Wien, Passagen, 2013, 39-70. —, Gare d’Osnabrück à Jérusalem, accompagné de sept substantifs dessinés par Pierre Alechinsky, Paris, Galilée, 2016. Cixous, Hélène / Clément, Catherine, „Die Frau als Herrin? “, in: alternative, 108-109, 1976, 127- 133. Cixous, Hélène / Wajsbrot, Cécile, Une autobiographie allemande, Paris, Christian Bourgois, 2016. Crépon, Marc, „Traduire, témoigner, survivre“, in: Rue Descartes, 52, 2006, 27-38. Derrida, Jacques, Poétique et politique du témoignage, Paris, L’Herne, 2005. —, Genesen, Genealogien, Genres und das Genie. Das Geheimnis des Archivs, trad. Markus Sedlaczek, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2006. —, H.C. für das Leben, das heißt … trad. Markus Sedlaczek, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2007. Derrida, Jacques / Cixous, Hélène, Voiles - Schleier und Segel, trad. Markus Sedlaczek, ed. Peter Engelmann, Wien, Passagen, 2007 [Voiles, Paris, Galilée, 1998]. Encke, Julia, „Die Familie ist das wahre Theater“, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.05.2008, 28. Hilfrich, Carola, „‚The Self is a People‘: Autoethnographic Poetics in Hélène Cixous’s Fictions? “, in: New Literary History, 37, 2006, 217-235. Hutfless, Esther / Postl, Gertrude / Schäfer, Elisabeth (ed.), Hélène Cixous - Das Lachen der Medusa, Zusammen mit aktuellen Beiträgen, Wien, Passagen, 2013. Klein, Judith, „Im Wechselspiel der Stimmen und der Szenen. Hélène Cixous als poetische Prosaistin“, in: Neue Zürcher Zeitung, 12./ 13.07.2003, 47. Michaelis, Rolf, „Die Innenwelt der Innenwelt“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.1971, 7. Nickel, Claudia / Ortiz Wallner, Alexandra, „Perspektiven auf ein kulturelles Phänomen: Zeugenschaft in der Romania“, in: id. (ed.), Zeugenschaft. Perspektiven auf ein kulturelles Phänomen, Heidelberg, Winter, 2014, 7-15. Reid, Martine, „Le temps du ‚Rire de la Méduse‘“, in: Frédéric Regard / Martine Reid (ed.), Le rire de la Méduse. Regards critiques, Paris, Champion, 2015, 11-22. Ricœur, Paul, Gedächtnis, Geschichte, Vergessen, München, Fink, 2004. 17 Dossier Schmidt, Sybille, „Was bezeugt Literatur? Zum Verhältnis von Zeugnis und Fiktion“, in: Claudia Nickel / Alexandra Ortiz Wallner (ed.), Zeugenschaft. Perspektiven auf ein kulturelles Phänomen, Heidelberg, Winter, 2014, 181-191. Segarra, Marta, „Méduse en Méditerranée“, in: Frédéric Regard / Martine Reid (ed.), Le rire de la Méduse. Regards critiques, Paris, Champion, 2015, 23-38. Wajsbrot, Cécile, „‚Osnabrück ist das verlorene Paradies, nur nicht für mich.‘ Gespräch mit Hélène Cixous“, in: Sinn und Form, XXVI (2), 2014, 214-222. Welsch, Wolfgang, Grenzgänge der Ästhetik, Frankfurt/ M., Suhrkamp, 1996. 1 Dafür, dass diese Forschungslücke erkannt worden ist, gibt es mehrere Indizien. So waren auf dem von Marta Segarra organisierten Internationalen Kolloquium Cixous: Corollaires d’une signature, das vom 14.-16.6.2017 in Paris stattgefunden hat, verschiedene Beiträge den Osnabrück-Bänden gewidmet. Neben der Figur der unmöglichen Rückkehr zu den Ursprüngen wurde dabei insbesondere die Überwindung des Schweigens mittels der literarischen Beschwörung der Vergangenheit thematisiert und die Funktion der Sprache (Muttersprache, Plurilinguismus) erörtert. Außerdem wird die Herbstnummer der Zeitschrift roman 20-50 Cixous’ Romanen Osnabrück und Si près gewidmet sein. 2 Ähnliche Asymmetrien weist die Cixous-Rezeption auch in anderen Ländern auf. Cf. dazu Marta Segarra (2015: 23-38), die die Rezeption in Spanien, Italien und dem Maghreb nachzeichnet. 3 Zur Geschichte des Textes, dessen internationale Rezeption auf der englischen Übersetzung beruht, cf. Reid 2015. 4 Der Band wurde in einer mehrteiligen Veranstaltungsreihe im Wiener Tanzquartier vorgestellt, an der Hélène Cixous teilnahm. 5 So klagte Judith Klein 2003 in der NZZ: „Kein einziges ihrer in den letzten Jahren erschienenen Bücher wurde ins Deutsche übersetzt; dabei werfen mehrere ein neues Licht auf die deutsch-jüdische Geschichte und Gegenwart“ (Klein 2003: 47). Und auch Julia Encke stellte 2008 anlässlich des Erscheinens von Benjamin nach Montaigne fest: „Vierzig Romane hat sie geschrieben und ist als Romanautorin in Deutschland doch unbekannt“ (Encke 2008: 28). 6 Mosse-Lecture der Humboldt Universität Berlin 2009 zum Thema „Promised Belief or Life after Life“; Hegel Lecture der Freien Universität Berlin 2016 zum Thema „Ay yay! The Cry of Literature“; Vortrag zum Thema „I say Allemagne“ auf der Tagung Untying the Mothertongue des Institute of Cultural Inquiry Berlin 2016. 7 Zur Bestimmung einer Literatur der Zeugenschaft im „Zwischenraum zwischen Fiktion und Diktion“ cf. Nickel / Ortiz Wallner 2014: 7. 8 Zum Zusammenhang von Zeugnis, Poetizität und Polyvalenz bei Derrida cf. Crépon 2006. 9 Cf. hierzu erneut Schmidt, die betont, dass fiktionale und testimoniale Texte gleichermaßen Sprechakte darstellen, so dass man keine ontologische Differenz beider behaupten kann (Schmidt 2014: 185). 10 Zum Konzept des Autoethnographischen, das auf Cixous besonders zutrifft, cf. Hilfrich 2006: 217-235. 11 Zur Funktion des Zeugnisses mit Bezug auf die affektive und symbolische Bedeutung von Ereignissen cf. Schmidt 2014: 182, 189.