eJournals lendemains 32/128

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2007
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Renate Baader (1937 – 2007)

2007
Konrad Schoell
ldm321280141
141 Konrad Schoell Renate Baader (1937 - 2007) Renate Baader, geb. Hitze, die im März 2007 nach schwerer Krankheit im Alter von 69 Jahren starb, hat es nicht immer leicht gehabt. Als Kind aus der Heimatstadt Breslau vertrieben, hat sie großenteils in Nordrhein-Westfalen gelebt, in Köln studiert und promoviert (1965). Ihre wissenschaftliche Tätigkeit hat sie als Assistentin von Horst Baader in Saarbrücken und an der FU Berlin begonnen und als Akademische Rätin und Oberrätin in Köln und Bonn, einige Jahre als Ehefrau von Horst Baader, fortgesetzt. Ein Forschungsstipendium hat die Arbeit an der Habilitationsschrift über die literarischen Salons im französischen 17. Jahrhundert ermöglicht, mit der sie 1984 an der Universität Saarbrücken habilitiert wurde. Ehemalige Studierende bestätigen immer wieder, dass Renate Baader in ihren Lehrveranstaltungen neben dem Überblick über Epochen und Gattungen mit den Teilnehmern in genauer Analyse und mit großem Sprachbewusstsein an literarischen Texten gearbeitet hat und auch sehr großen Wert auf stilistisch adäquate Übersetzung gelegt hat. Neben der Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts hat sie sich auch stark für die bildende Kunst und die Musik aus Frankreich und Deutschland interessiert. In der deutschen Romanistik bleibt der Name Renate Baader mit der Frauenforschung verbunden. In der Tat sind ihre Bücher und Beiträge zu den führenden Schriftstellerinnen aus dem Umkreis der Salons des 17. und 18. Jahrhunderts Bahn brechend. Es wäre aber stark vereinfacht und somit ungerecht, wollte man Frau Baaders Oeuvre auf die Forschung zum literarischen Schaffen von Frauen reduzieren. Genau so gehört dazu die Rolle der Frau als Leserin oder als Anregerin, als Schöpferin eines gesellschaftlichen und geistigen Klimas, in dem Literatur, Lektüre, Theater - und sei es im gesellschaftlichen Spiel etwa als „Porträt“ und Ratespiel - eine geistige Anstrengung und kulturelle Leistung bedeuten. Aus dem von ihr immer wieder hervorgehobenen engen Zusammenhang von Literatur und Gesellschaft im 17. Jahrhundert entwickelte Renate Baader auch einen kritischen Standpunkt zur französischen Literaturgeschichtsschreibung, insofern als diese, etwa noch in Antoine Adams Standardwerk, lange Zeit dazu neigte, das „Klassische“ im „siècle classique“ zu stark hervorzuheben. Demgegenüber betont Renate Baader, etwa in ihrer „Einführung“ zum Band über das 17. Jahrhundert, näher bei der Gegenposition Jean Roussets, die Kontinuität des barocken Einflusses durch das ganze Jahrhundert. Dabei hat die wissenschaftliche Laufbahn Renate Baaders mit einem ganz anderen Schwerpunkt begonnen, mit der Kölner Dissertation über stilistische Fragen zum mittelalterlichen Epos. In den frühen 70er Jahren dann sind ihre Arbeiten auf 142 Molière und Marivaux konzentriert, womit sich literaturhistorische Schwerpunkte im 17. und 18. Jahrhundert andeuten, auf die sie in der Folge immer wieder zurückkam. Aber etwa gleichzeitig mit der beginnenden jahrzehntelangen Beschäftigung mit Molière, über dessen Werk sie 1980 einen „Wege-der-Forschung“-Band mit zahlreichen eigenen Beiträgen herausgegeben hat, setzt auch der Schwerpunkt im Bereich der Frauenforschung mit dem gemeinsam mit Dietmar Fricke herausgegebenen Sammelband über die Französische Autorin vom Mittelalter bis zur Gegenwart (erschienen 1979) ein. Von da an konzentriert sich ihre wissenschaftliche Arbeit immer deutlicher auf Fragen der Frau und der Literatur und ihrem gegenseitigen Verhältnis, die ihrerseits, wie angedeutet, weit über das Schreiben und die Lektüre von Frauen hinausgehen. Von der Mädchenerziehung und der Ideologie des Weiblichen zu den Schauspielerinnen und den Frauen in der Französischen Revolution hat sie sich mit den unterschiedlichsten Rollen der Frau zu verschiedenen Epochen, jeweils auf Frankreich bezogen, beschäftigt, um immer wieder auf die großen Epochen des 17. und 18. Jahrhunderts und besonders auf die Salons zurück zu kommen. Der Salonkultur gelten verschiedene Aufsätze und vor allem die Habilitationsschrift Dames des lettres. Autorinnen des preziösen, hocharistokratischen und ‘modernen’ Salons (1649-1696): Mlle de Scudéry, Mlle de Montpensier, Mme d’Arnauld (veröffentlicht 1986). Zu den großen Sammelbänden zu „ihren“ Themen gehört Das Frauenbild im literarischen Frankreich vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Wege der Forschung, 1988). Eine ihrer letzten Arbeiten ist der Sammelband zur französischen Literatur des „grand siècle“ 17. Jahrhundert: Roman, Fabel, Maxime, Brief (1999), zu dem sie selbst wieder wesentliche Beiträge verfasst hat. In den letzten Jahren hat Frau Baader neben Beiträgen zu anderen Sammelbänden vor allem zum 18. Jahrhundert oder zu Frauenrollen in der Literatur und zu Festschriften vorzugsweise in der Romanistischen Zeitschrift für Literaturgeschichte und in Lendemains Aufsätze zu den sie immer wieder beschäftigenden Fragen der Rolle der Frau in der Literatur veröffentlicht. Aufgrund der selbständigen Arbeiten, der (allein oder gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen) herausgegebenen Sammelbände in anerkannten wissenschaftlichen Reihen und den zahlreichen Beiträgen aus der jahrzehntelangen Beschäftigung mit dem Schreiben von Frauen und darüber hinaus mit den Verhaltensnormen der gesellschaftlich führenden Schichten (und hier wiederum mit dem geschmacksbildenden Einfluss der Damenwelt) konnte es nicht ausbleiben, dass Frau Baader selbst zur „dame de lettres“ wurde, soweit diese Species im 20. Jahrhundert und an den deutschen Massenuniversitäten überhaupt noch ihren Platz finden konnte. Es wird jedenfalls von gebildeten Gesprächen berichtet, von gemeinsam besuchten Ausstellungen oder Konzerten und von vorweihnachtlichen Einladungen. Man darf daher sagen, dass Renate Baader an ihrem Platz und mit ihren Mitteln die Salons des 17. und 18. Jahrhunderts, in deren Aktivitäten sie sich so gut auskannte, zum Nutzen der Studierenden wieder aufleben ließ.