eJournals lendemains 33/130-131

lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2008
33130-131

Kommunal- und Kantonalwahlen 2008

2008
Roland Höhne
ldm33130-1310199
3: 32 199 Roland Höhne Kommunal- und Kantonalwahlen 2008 Zehn Monate nach der Wahl von Nicolas Sarkozy zum Staatspräsidenten und neun Monate nach dem Sieg der republikanischen Rechten bei den Parlamentswahlen 2007 konnte die Linke, insbesondere die Sozialistische Partei PS bei den Kommunal- und Kantonalwahlen vom März 2008 einen großen Erfolg erringen. Gemeinsam mit den Grünen (les Verts) wurde sie wieder zur stärksten Kraft auf der lokalen Ebene. Die republikanische Rechte verlor an Stimmen, konnte sich aber weitgehend behaupten. Das Zentrum wurde dagegen zwischen den beiden Blöcken zerrieben und die Randparteien trotz punktueller Erfolge erneut marginalisiert. Der Trend zum Zweiparteiensystem setzte sich somit auch auf der kommunalen Ebene fort. Allerdings blieb der Parteienpluralismus auf dieser innerhalb der beiden Lager erhalten. Die beiden Großparteien PS und UMP dominierten zwar eindeutig, aber neben ihnen behaupteten sich auch noch einige Kleinparteien, wenngleich oft nur mit ihrer Hilfe. Die politische Landkarte der lokalen Ebene ist weiterhin bunter als die nationale. Kommunal- und Kantonalwahlen sind auch im Zentralstaat Frankreich primär von lokaler Bedeutung. Infolge der personellen Verflechtung der lokalen und der nationalen Ebene des politischen Systems durch die Ämterkumulation haben sie jedoch auch eine nationale Dimension. Viele Abgeordnete der Nationalversammlung sind gleichzeitig Bürgermeister (député-maire) und fast alle Minister sind Mitglied eines Gemeinderates oder streben ein lokales Mandat an. Sie engagieren sich daher aktiv im Wahlkampf. Verstärkt wird die nationale Dimension durch die Rolle der Parteien. In den größeren Kommunen bestimmen sie das Wahlangebot und organisieren den Wahlkampf. Dadurch gewinnen auch ihre nationalen Zentralen Einfluß auf die Wahlen. Schließlich werden die Kommunal- und Kantonalwahlen auch als nationales Ereignis wahrgenommen, weil sie am gleichen Tag stattfinden. Die nationale Bedeutung der Kommunal- und Kantonalwahlen ist aber dann besonders groß, wenn sie knapp ein Jahr nach nationalen Wahlen stattfinden, wie dies im März 2008 der Fall war. Regierungswie Oppositionsparteien wollten sie dann zu einem nationalen Test machen und richteten daher ihre Strategien an diesem Ziel aus. Die Regierungsparteien suchten eine Bestätigung ihrer Politik (plébiscite), die Oppositionsparteien wollten deren Verurteilung durch den Wähler (vote-sanction). Aufgrund ihrer nationalen Dimension ermöglicht die Analyse von Kommunal- und Kantonalwahlen daher, Tendenzen und Probleme des nationalen Parteiensystems zu erkennen. Allerdings darf man die Ergebnisse in den über 36.000 Gemeinden nicht einfach national zusammenfassen, da sich die Wahlsituation und Wahlkonstellation von Gemeinde zu Gemeinde erheblich unterscheiden. So variiert z.B. die Zusammensetzung der Listen des ersten Wahlgangs stark von 200 Ort zu Ort. Mal schließen sich die Linksparteien gemeinsam mit den Grünen zusammen, mal treten sie gegeneinander an. Die Rechte verbündete sich manchmal mit dem Zentrum, manchmal mit Nationalkatholiken (MPF) oder Nationalrepublikanern. Besonders in den kleinen Gemeinden bilden sich häufig Listen der „Verschiedenen Rechten“ oder der „Verschiedenen Linken“, die sich national nicht eindeutig zuordnen lassen. Die Ergebnisse des 1. Wahlgangs unterscheiden sich daher regional erheblich von denen nationaler Wahlen. Im 2. Wahlgang findet dann allerdings unter dem Druck des Wahlrechts eine Vereinheitlichung des Wahlangebots statt, so daß man seine Ergebnisse national interpretieren kann. Die Wahlentscheidung bei Kommunalwahlen wird primär von lokalen Faktoren bestimmt. Unter diesen spielen außer lokalen Problemen die Persönlichkeit und die Parteizugehörigkeit bzw. die politische Orientierung der Kandidaten eine zentrale Rolle. Die Bedeutung der Persönlichkeit nimmt infolge der wachsenden Distanz zwischen Wählern und Politikern mit wachsender Größe der Gemeinde ab, die der Parteizugehörigkeit dagegen zu. Die Parteiorientierung wird neben der Personenorientierung bei der Wahlentscheidung daher immer wichtiger. Bei der Analyse der Ergebnisse von Kommunalwahlen muß daher zwischen großen, mittleren und kleinen Kommunen unterschieden werden. 1 Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Ergebnisse der Metropolen Paris, Lyon und Marseille. Sie haben Symbolfunktion für das Land und zeigen besonders deutlich den allgemeinen Wählertrend. Auch Kantonalwahlen werden stark von lokalen Faktoren bestimmt. Allerdings spielen die Parteien bei ihnen eine größere Rolle als bei Kommunalwahlen, da die Distanz zwischen Politikern und Wählern in den Departements erheblich größer ist als in den kleinen und mittleren Gemeinden. Ihre Ergebnisse sind deshalb aussagekräftiger für das nationale Kräfteverhältnis des Parteiensystems als die der Kommunalwahlen. Wahlgegenstand und Wahlangebot Bei den Kommunalwahlen werden in 36.763 Gemeinden fast 500.000 Gemeindevertreter auf sechs Jahre gewählt. Sie bestimmen aus ihrer Mitte die Bürgermeister. Ferner nominieren sie das Führungspersonal der interkommunalen Zweckverbände (Etablissements publics de coopération intercommunale (EPCI). Diese Zweckverbände sind keine Gebietskörperschaften, sondern Institutionen des öffentlichen Rechts. Sie sind vor allem zuständig für Wirtschaftsentwicklung, Transport- und Raumplanung, Wohnungsbau und Stadtplanung. Sie verfügen über beachtliche Finanzmittel und erledigen heute etwa 30% aller kommunalen Aufgaben. Bei den Kantonalwahlen wird die Hälfte der Mitglieder der Generalräte, der parlamentarischen Versammlungen der Departements, für sechs Jahre gewählt. Diese wählen aus ihrer Mitte den Präsidenten des Departements. Die Stimmabgabe erfolgt nur in der Hälfte der Kantone. Diese wurden während der Französi- 201 schen Revolution geschaffen, um den Bürgern ländlicher Gebiete die Kommunikation mit der Verwaltung zu erleichtern. Sie haben heute ihre administrative Bedeutung verloren, dienen jedoch weiterhin als Wahlbezirke. Das politische Personal der Departements rekrutiert sich aus den Kommunen. Kantonalwahlen stehen daher ganz im Schatten von Kommunalwahlen. Dies rechtfertigt die Zusammenlegung beider Wahlen. Wahlmodus Bei den Kommunalwahlen wird je nach Gemeindegröße nach unterschiedlichen Systemen gewählt. In Kommunen unter 3.500 Einwohnern erfolgt die Wahl des Gemeinderats nach der Mehrheitswahl mit offenen Listen in zwei Wahlgängen. Die Wähler können durch Panaschieren ihre Präferenzen ausdrücken und so die Wahlchancen der einzelnen Kandidaten beeinflussen. Gewählt ist die Liste, die im ersten Wahlgang die absolute oder im zweiten Wahlgang die relative Mehrheit erringt. Sie erhält alle Mandate. In Städten mit über 3.500 Einwohnern findet eine reine Listenwahl mit ebenfalls zwei Wahlgängen statt. Am zweiten Wahlgang dürfen nur Listen teilnehmen, die im ersten Wahlgang mindestens 10% der Stimmen erhalten haben. Die Hälfte der Mandate erhält die siegreiche Liste, die verbleibenden Mandate werden proportional verteilt. Der Bürgermeister wird nach den Wahlen von den Gemeinderatsmitgliedern aus ihrer Mitte gewählt. Für Paris, Lyon und Marseille gilt seit 1983 ein eigenes Kommunalwahlgesetz. Auch hier besteht Listenwahl, aber abgestimmt wird jeweils in den einzelnen Arrondissements bzw. Sektoren. Eine Zehn-Prozent-Hürde sorgt auch hier für eine Konzentration des Wahlangebots im zweiten Wahlgang. Allerdings können Listen, die über 5% der Stimmen gewonnen haben, mit Listen fusionieren, die sich für den zweiten Wahlgang qualifiziert haben. Das gemischte Kommunalwahlrecht hat vor allem vier Auswirkungen. Erstens begünstigt es die siegreiche Liste. Sie erhält auch mit nur relativer Stimmenmehrheit eine klare Mandatsmehrheit im Gemeindeparlament, so daß eine handlungsfähige Exekutive gebildet werden kann. Zweitens fördert es die Konzentration der politischen Kräfte; die Mehrheitswahl in den kleinen Gemeinden durch die Eliminierung der unterlegenen Listen, die Verhältniswahl in den größeren Kommunen durch den Koalitionsdruck auf die kleineren Listen. So verstärkt es auch auf der lokalen Ebene die Bipolarisierung des Parteiensystems. Drittens haben Kleinparteien nur in ihren Hochburgen die Chance, Wahlen zu gewinnen und so auch den Bürgermeister zu stellen. In allen anderen Kommunen sind sie auf die Wahlhilfe der Großparteien angewiesen und damit von diesen abhängig. Landesweit sind sie in den Gemeindeversammlungen unterrepräsentiert. Viertens erlaubt das Kommunalwahlrecht trotz seines Konzentrationseffekts und seiner Begünstigung der Großparteien die Erhaltung der lokalen und regionalen Vielfalt. Besonders in den 202 kleinen Kommunen haben auch Kräfte Wahlchancen, die auf der regionalen und nationalen Ebene nicht konkurrenzfähig sind. Die Aufstellung der Listen erfolgt in den Kommunen. Sie ermöglicht die Bildung von Wahlkoalitionen, die den jeweiligen lokalen Gegebenheiten entsprechen. Das Wahlangebot von Kommunalwahlen weicht daher besonders in kleinen Kommunen oft erheblich von dem nationaler Wahlen ab. Je größer jedoch die Kommunen sind, um so stärker spiegelt das lokale Wahlangebot die Struktur des nationalen Parteiensystems wider. Die Kantonalwahlen erfolgen nach dem romanischen Mehrheitswahlrecht. Gewählt ist die Liste, die im ersten Wahlgang die absolute oder im zweiten Wahlgang die relative Mehrheit erhält. Im ersten Wahlgang wird wie bei nationalen Wahlen ausgewählt, im zweiten Wahlgang eliminiert. Dies begünstigt die Großparteien und zwingt die Kleinparteien zu Wahlabsprachen mit diesen. Kleinparteien, die nicht koalitionsfähig oder nicht koalitionswillig sind, werden marginalisiert. Ausgangslage vor der Wahl Die republikanische Rechte (RPR/ UDF) hatte bei den Kommunal- und Kantonalwahlen 2001 einen großen Erfolg errungen. Sie verlor mit Paris und Lyon zwar zwei wichtige Metropolen, gewann aber insgesamt 40 Städte mit über 15.000 Einwohnern hinzu. Innerhalb der Rechten lag die RPR weit vor der UDF und den rechten Kleinparteien. Sie stellte in 137 Städten mit über 15.000 Einwohnern den Bürgermeister, die UDF nur in 82, die DL in 32 und die Verschiedene Rechte in 67. Bei den nationalen Wahlen von 2002 und 2007 war die republikanische Rechte ebenfalls erfolgreich, nur bei den Regionalwahlen 2004 erlitt sie eine schwere Niederlage. Sie dominierte daher am Vorabend der Wahlen auf der lokalen und nationalen, nicht jedoch auf der regionalen Ebene. Durch einen neuerlichen Erfolg bei den Kommunal- und Kantonalwahlen suchte sie eine Bestätigung ihrer Wahlsiege von 2001, 2002 und 2007, wollte aber gleichzeitig auch ihre Ausgangsbasis für die nächsten Regionalwahlen verbessern. Ihre Erfolgsaussichten schienen gut, denn infolge des Niedergangs der extremen Rechten brauchte sie deren Konkurrenz nicht mehr zu fürchten. Deren Spaltung im Januar 1999 in zwei rivalisierende Parteien (FN, MNR) hatte ihre ohnehin schon schwache kommunale Basis weiter geschwächt. Bei den Kommunalwahlen 2001 konnte sie die Mehrheit nur in drei Städten mit über 15.000 Einwohnern erobern. Seit der doppelten Niederlage des Front national (FN) bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2007 befand sie sich in einem desolaten Zustand. Ihr charismatischer Führer, Jean-Marie Le Pen, war schwer angeschlagen, ihr Rückhalt in der Wählerschaft stark geschrumpft, ihre Finanzen ruiniert, ihre Zukunft ungewiß. Ihr Störpotential war daher wesentlich geringer geworden. Die Linke gewann 2001 die Mehrheit in Paris und Lyon, verlor aber 42 Städte mit über 15.000 Einwohnern. Sie verwaltete daher nur noch 259 Städte dieser 203 Größenordnung, die PS 170, die PCF 51, die Verschiedene Linke 36, die Grünen 2. Sie konnte jedoch bei den Regionalwahlen 2004 einen großen Sieg erringen und kontrollierte seither 20 der 22 Regionen des Mutterlandes. Die Eroberung des Zentrums durch die Peripherie mißlang ihr jedoch sowohl 2002 als auch 2007. Sie wollte daher nicht nur die 2001 verlorenen Städte zurückgewinnen, sondern auch eine Revanche für die nationalen Niederlagen erzielen. Allerdings befand sie sich in keiner guten Ausgangslage. Der Machtkampf innerhalb der PS zwischen der erfolglosen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal und der Parteielite war noch nicht entschieden. Die Einbindung einiger altgedienter Parteiführer in die Regierungsarbeit verbesserte zwar die Machtchancen der jungen Kader, aber diesen war es noch nicht gelungen, sich auf der nationalen Ebene durchzusetzen. Besonders in der Frage der Bündnisstrategie war die Partei tief gespalten. Während Royal eine Allianz mit dem oppositionellen Zentrum (MoDem) befürwortete, verteidigte der amtierende Parteivorsitzende Hollande das traditionelle Bündnis mit den Kommunisten und Grünen. Die Kommunisten hatten zwar keine akuten Führungsprobleme, wohl aber ein Akzeptanzproblem. Seit 1983 nahm ihr Wähleranteil auch bei Kommunalwahlen kontinuierlich ab. Ihre lokale Verankerung wurde so immer schwächer. Sie verwalteten nur noch 84 Städte über 10.000 Einwohner, darunter 29 über 30.000, aber keine Stadt mehr mit über 100.000 Einwohnern. 22 der 29 von ihnen kontrollierten Städte über 30.000 Einwohner lagen in der Pariser Banlieu, die übrigen weit über das Land verstreut. Diese Konzentration ihrer Wählerschaft in der Pariser Region machte den PCF auf der lokalen Ebene mehr und mehr zu einer Regionalpartei neuen Typus. Aber auch auf der nationalen Ebene schwand ihr Einfluß. Ihre glück- und glanzlose Präsidentschaftskandidatin Marie-George Buffet erhielt bei der Präsidentschaftswahl 2007 nur 1,93%, ihre Kandidaten bei den Parlamentswahlen 4,62%. Die PCF schrumpfte so zur Kleinpartei, die ihr parlamentarisches Überleben allein den Sozialisten verdankte. Um ihr Erbe bemühte sich eine radikale Linke, die zwar über kampagnefähige Organisationen verfügte, aber in sich tief gespalten war. Bei den Kommunalwahlen 2001 war sie mit drei Listen angetreten: der Ligue communiste révolutinnaire (LCR) in 93, der Lutte ouvrière (LO) in 129 und der Parti des travailleurs (PT) in 146 Städten. Trotz dieser Aufspaltung konnte sie in einigen Städten im 1. Wahlgang zweistellige Ergebnisse erzielen. Bestrebungen, die internen Gegensätze zu überwinden und eine neue antikapitalistische Linke zu gründen, waren auch nach den nationalen Wahlen 2007 über Pläne und Proklamationen nicht weit hinausgekommen. In einer wesentlich besseren Verfassung befanden sich die Grünen. Sie stellten zwar nur in zwei Städten mit über 15.000 Einwohnern den Bürgermeister, besaßen aber eine über das ganze Land verbreitete feste Wählerbasis. Dies machte sie für die Sozialisten zu einem wichtigen Bündnispartner und für die Kommunisten in einigen Fällen zu gefährlichen Konkurrenten. Eine unbekannte Größe bildete die liberal-demokratische Mitte. Der Versuch von François Bayrou, sie durch eine zentristische Strategie als eigenständige Kraft 204 zwischen den Lagern zu erneuern, war bei den nationalen Wahlen 2007 gescheitert. Im ersten Wahlgang hatte er mit 18,57% der Stimmen zwar fast 7 Millionen Wähler gewonnen, belegte aber nur den dritten Platz und mußte deshalb ausscheiden. In den anschließenden Parlamentswahlen gelang es ihm nicht, seine Anhänger und Wähler zusammenzuhalten. Die meisten UDF-Abgeordneten schlossen sich als Nouveau Centre der Rechten an, um ihre Mandate zu retten. Bayrou gründete daraufhin das Mouvement Démocrate (MoDem) als Auffangorganisation, dem jedoch nur eine Minderheit der ehemaligen UDF-Mitglieder beitrat. Auch die Wähler verließen ihn. Das MoDem ist daher nur mit vier Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten. Bei den Kantonalwahlen 2001 hatte die Linke 48,8%, die republikanische Rechte nur 42,1% erhalten. Die extreme Rechte hatte mit 10,2% die 10-Prozent- Marke überschritten, die extreme Linke kam dagegen nur auf einen Stimmenanteil von 0,6%. Ein direkter Vergleich dieser Ergebnisse mit denen der Kommunalwahlen ist nicht möglich, da nur in der Hälfte aller Kantone gewählt wurde. Die stärkere Position der Linken sowie der extremen Rechten auf der departementalen Ebene erklärt sich vor allem aus der stärkeren Politisierung der Kantonalwahlen und der daraus resultierenden stärkeren Parteiorientierung der Wahlentscheidung. Wahlkampf Nicolas Sarkozy wollte ursprünglich die Kommunalwahlen zu einem nationalen Popularitätstest über seine Politik machen. Er griff daher zu Beginn des Wahlkampfes aktiv in diesen ein. Das Pressecho sowie seine sinkenden Umfragewerte veranlaßten ihn jedoch rasch, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen und den lokalen Charakter der Wahlen zu betonen. Auch nach dem ersten Wahlgang hielt er an dieser Strategie fest. So erklärte er am 11. März in Toulon, der Präsident der Republik habe sich nicht in die Kommunalwahlen einzumischen. 2 Angesichts der Stimmenverluste der republikanischen Rechten zog er sich auf seine präsidentielle Position zurück. Er habe ein nationales Mandat für fünf Jahre und werde daher unabhängig vom Ausgang des Urnenganges seine Modernisierungspolitik fortsetzen. Aber natürlich werde er auf Augenblicksstimmungen Rücksicht nehmen müssen. 3 Indirekt griff er jedoch erneut in den Wahlkampf ein, indem er am 11. März in Toulon über Einwanderung und Integration sprach. 4 Er wollte so vor allem ehemalige FN-Wähler gewinnen, die in der Mittelmeerstadt besonders zahlreich waren. 5 Den Wahlkampf der republikanischen Rechten führten daher Premierminister Fillon 6 und ihre lokalen Repräsentanten, unter ihnen 22 Minister und Staatssekretäre. 7 Die UMP-Kandidaten vermieden in ihren Wahlkampfdiskursen weitgehend nationale Themen und konzentrierten sich stattdessen auf lokale Angelegenheiten: Müllentsorgung, Infrastruktur, Sporteinrichtungen, Bibliotheken etc. Die Linke sprach dagegen auch nationale Themen an, so z.B. die steigenden Lebenshal- 205 tungskosten. Sie forderte die Wähler auf, die Politik des Präsidenten durch ihre Stimmabgabe für linke Kandidaten zu sanktionieren. 8 Das Zentrum führte einen eigenständigen Wahlkampf, um seine Unabhängigkeit zu demonstrieren. Unter den Zwängen des Wahlrechts und der lokalen Kräfteverhältnisse trafen aber viele Zentristen bereits vor dem ersten Wahlgang Absprachen mit einem der beiden Lager: so in Dijon, Grenoble, Montpellier oder Roubaix mit der Linken, in Bordeaux, Arras, Biarritz oder Epinay-sur-Seine mit der Rechten. Die Mitte ging daher geschwächt in den Wahlkampf. Ergebnis der Kommunalwahlen Erster Wahlgang Die Wahlbeteiligung am ersten Wahlgang lag mit 66,5% um etwa ein Prozent unter der Wahlbeteiligung von 2001, der niedrigsten seit 1959. Wie bei vorangegangenen Kommunalwahlen war sie in ländlichen Gegenden wesentlich höher als in den Großstädten und städtischen Ballungsgebieten. Besonders niedrig war sie in Arbeiterwohngebieten der städtischen Ballungszentren, so 40,18% in Roubaix, 41,91% in Saint-Denis, 46,70% in Villeurbanne, 55,27% in Grigny (Essonne). Die Beteiligung an lokalen Wahlen ist im allgemeinen stets niedriger als die an nationalen Wahlen. Im Vergleich zu den nationalen Wahlen 2007 war sie jedoch diesmal besonders niedrig. Im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen betrug sie 83,8%, in dem der Parlamentswahlen 60,5%. Diese nachlassende Mobilisierung kann als Enttäusch über die Folgen der nationalen Wahlen 2007 gedeutet werden. 9 Eindeutiger Sieger des ersten Wahlgangs war die Linke. Gemeinsam mit den Grünen (les Verts) gewann sie landesweit 47% der Stimmen, die Rechte nur 45%. Führende Kraft der Linken wurden die Sozialisten. Sie gewannen einige Städte zurück, die sie 2001 verloren hatten, so Rouen, Bourg-en-Bresse, Alençon, Laval, Chalon-sur-Saône. In Paris, Lyon, Straßburg, Caen, Quimper, Saint-Brie, Roanne, Blois besaßen sie günstige Ausgangspositionen für den zweiten Wahlgang. In Marseille und Toulouse erreichten sie dagegen nur den zweiten Platz hinter der Rechten. Nach der Auszählung der Stimmen entbrannte innerhalb der PS ein heftiger Richtungsstreit über die zu verfolgende Bündnisstrategie für den zweiten Wahlgang. Ségolène Royal plädierte erneut für ein landesweites Bündnis mit den oppositionellen Zentristen, ihr ehemaliger Lebensgefährte und Parteivorsitzender François Hollande befürwortete statt dessen die Erneuerung der traditionellen Allianz mit den Kommunisten und Grünen. Es gab daher keine einheitliche Haltung der Sozialisten gegenüber den oppositionellen Zentristen. In einigen größeren Städten bildeten Zentristen und Sozialisten gemeinsame Listen, so in Marseille, Chartres und Asnières, in anderen Städten kandidierten Zentristen als Einzelkandidaten „à titre individuel“ auf linken Listen, so in Dijon, Grenoble und Montpellier. 206 Zweite Kraft der Linken wurden die Kommunisten. Sie konnten erfolgreich ihre lokalen Hochburgen verteidigen, so Vérzon, oder aber Städte zurückerobern, die sie 2001 verloren hatten wie Dieppe. Außerdem qualifizierten sie sich in zahlreichen Kommunen für den zweiten Wahlgang. Ihre Erfolge verdanken sie vor allem der guten lokalen Verankerung ihrer erfolgreichen Kandidaten. Diese konnten sich sogar in einigen Kommunen gegen sozialistische Kandidaten durchsetzen. Die PCF bleibt daher trotz ihres nationalen Niedergangs eine relevante lokale Kraft. Den dritten Platz im linken Lager belegten die Grünen. Vor allem dank sozialistischer Wahlhilfe gelang etwa 2000 grünen Gemeinderatsmitgliedern die Wiederwahl. In einigen Städten, so in Rouen, Nantes und Lyon konnten sie sogar ihre Position im Gemeindeparlament verbessern. Sie erzielten aber auch Stimmengewinne in Städten, in den sie mit eigenen Listen antraten, so in Grenoble, Quimper und Morlaix. In Montpellier und Valence mußten sie jedoch leichte Verluste hinnehmen. Insgesamt profitierten auch die Grünen vom Erfolg der Linken. Die republikanische Rechte büßte gegenüber 2001 Stimmen ein. Ihre Verluste hielten sich jedoch in Grenzen. So verlor sie von den 2001 gewonnenen Städten nur Rouen und Bourg-en-Bresse an die Sozialisten, Dieppe an die Kommunisten. In der Pariser Region behauptete sie sich u.a. in Plaisir et Saint- Cyr-l’Ecole (Yveline), Epinay-sur-Seine et Drancy (Seine-Saint-Denis) sowie in Meaux (Seine-et- Marne). In Bordeaux gelang dagegen dem ehemaligen UMP-Vorsitzenden und glücklosen Parlamentskandidaten von 2007 Alain Juppé mit 56,62% ein glänzender Wahlsieg, in Mühlhausen (Elsaß) konnte sich der Ex-Sozialist Jean-Marie Bokkel mit Hilfe der Regierungsmehrheit für den zweiten Wahlgang qualifizieren. In einigen Städten scheiterte jedoch die republikanische Rechte aufgrund ihrer internen Zerwürfnisse, so in Reims und Metz. Den oppositionellen Zentristen gelang nicht der angestrebte kommunale Durchbruch. Sie konnten sich zwar in vielen Gemeinden als dritte Kraft vor den Grünen und den Nationalisten durchsetzen und in mehreren Städten für den zweiten Wahlgang qualifizieren, so in Saint-Etienne, Aix-en-Provence, Chartres, Belfort, Metz, Quimper, Rennes, Saint-Etienne und Saint-Malo. Sie gewannen jedoch in keiner größeren Stadt die Mehrheit. Auch ihr Spitzenpolitiker François Bayrou kam in Pau nur auf den zweiten Platz. Mit 32,6% lag er knapp hinter der Sozialistin Martine Lignière-Cassou (33,9%). Im zweiten Wahlgang konnte er nicht auf die Schützenhilfe der UMP zählen, da diese den sozialistischen Dissidenten Yves Urieta unterstützte, um seinen Erfolg zu verhindern. Trotz seiner bescheidenen Stimmenergebnisse nahm das MoDem in einigen wichtigen Städten, in denen es sich für den zweiten Wahlgang qualifiziert hatte, eine Schiedsrichterrolle zwischen den Großparteien ein. Sowohl Vertreter der UMP (Patrick Devedjan und Jean-Pierre Raffarin) als auch der PS (Ségolène Royal) boten ihm daher landesweit die Zusammenarbeit an. Bayrou lehnte diese jedoch empört ab, um seine Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Er gab keine Wahlempfehlung, sondern überließ seinen Anhängern die freie Entscheidung. Diese entschieden sich je nach lokaler Konstellation und Interessenlage unterschiedlich: in Marseille, Dijon, Grenoble und Montpellier für 207 die Linken, in Toulouse für die Rechte. Wie bereits bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wurde das oppositionelle Zentrum auch auf der lokalen Ebene ein Opfer der Bipolarisierung. Der FN schied in den meisten Kommunen bereits nach dem ersten Wahlgang aus. Nur in neun Städten über 30.000 Einwohnern konnte er sich für den zweiten Wahlgang qualifizieren, so in Clues (Haute-Savoie), Noyon (Oise), Perpignan, Mühlhausen (Elsaß). Das beste Wahlergebnis erzielte die stellvertretende Parteivorsitzende Marine Le Pen in Henin-Beaumont (Pas-de-Calais) mit fast 30%, bei den Parlamentswahlen 2007 hatte sie noch 47% erhalten. Der in den nationalen Wahlen von 2007 deutlich gewordene Niedergang setzt sich somit auch auf der kommunalen Ebene fort. Der FN war hier stets schwach, da er kaum über eine lokale Infrastruktur verfügt. Seine Schwäche hat aber gegenüber 1995 und 2001 erheblich zugenommen. Landesweit erhielt er nur 0,93% gegenüber 1,98% 2001. Auch anderen rechtsextremen Gruppierungen ging es nicht besser. Lediglich Jacques Bompart, der den FN verlassen und sich dem nationalkatholischen MPF von Philippe de Villiers angeschlossen hatte, wurde bereits im ersten Wahlgang in Orange (Vaucluse) mit 60,97% wiedergewählt. Die trotzkistische Ligue Communiste Révolutionnnaire (LCR) konnte dagegen überraschend in einigen Städten zweistellige Stimmenanteile erringen. So erhielt sie in Quimperlé (Finistère) 15,2%, in Sorgues (Vaucluse) 15%, in Sotteville-lès- Rouen (Seine-Maritime) 14,8%. Sie wird so auch auf der lokalen Ebene immer mehr zum Auffangbecken ehemaliger PCF- und PS-Wähler. In Paris erreichte die von dem amtierenden Bürgermeister Bertrand Delanoë geführte Linke aus PS, PCF, MRC, PRG 41,6%, ihr bestes Ergebnis seit 1959. Für den 2. Wahlgang vereinbarte sie eine Zusammenarbeit mit den Grünen, obwohl diese erheblich an Stimmen verloren hatten. Eine Zusammenarbeit mit dem Mo- Dem, die ihr deren Spitzenkandidatin Marielle de Sarnez angeboten hatte, lehnte sie dagegen ab. Die republikanische Rechte kam unter der Führung von Françoise de Panafieu nur auf 27,92%, ein mageres Ergebnis im Vergleich zu ihren Erfolgen unter der Führung von Jacques Chirac in den Jahren Jahre 1977-1989. Sie bot daher dem MoDem die Bildung gemeinsamer Listen für den zweiten Wahlgang an, was dieses jedoch ablehnte. Im 15. Arrondissement gelang ihr erst nach zähen Verhandlungen die Fusion mit der Liste eines Dissidenten aus den eigenen Reihen. In anderen Arrondissements mißlangen dagegen die Einigungsbemühungen. Dort ging daher die Rechte gespalten in den zweiten Wahlgang. Die Grünen erhielten mit 6,78% nur halb so viel Stimmen wie 2001. Dies reichte jedoch für die Listenfusion mit der Linken. Dadurch konnten sie sich gute Listenplätze sichern. Das MoDem gewann im Durchschnitt neun Prozent der Stimmen, konnte sich jedoch nur in drei Arrondissements (5., 7., 14.) für den zweiten Wahlgang qualifizieren. Im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 2007 hatte Bayrou in der Hauptstadt fast 21% der Stimmen erhalten. Etwa die Hälfte seiner damaligen Wäh- 208 ler hatte diesmal für die PS gestimmt. Auch in Paris wurde das Zentrum zwischen der Rechten und der Linken zerrieben. Noch erfolgreicher als in Paris war die Linke in Lyon. Hier erhielt eine Listenverbindung aus PS, PCF, Verts, PRG unter der Führung des Sozialisten Collomb über 53%. Die Rechte unter dem ehemaligen Minister Dominique Perben kam lediglich auf 30%, das MoDem wurde weit abgeschlagen auf 6,02, die radikale Linke auf 5,85 und die radikale Rechte auf 4,15%. Damit war der Ausgang der Wahlen bereits entschieden, auch wenn noch drei Arrondissements umstritten waren. In Marseille lag der amtierende Bürgermeister Jean-Claude Gaudin (UMP, Ex- DL) dagegen mit 41% knapp vor dem Sozialisten Jean-Noel Guerini mit 39,14%. Dadurch erhielten die Nationalisten trotz ihrer hohen Stimmenverluste mit ihren knapp 9% sowie die oppositionellen Zentristen mit ihren 5,54% eine Schlüsselstellung für den zweiten Wahlgang. Der FN konnte diese infolge seiner Isolierung im Parteiensystem nicht nutzen und mußte im zweiten Wahlgang alleine antreten, das MoDem nutzte sie dagegen für Absprachen mit der PS und sicherte sich so fünf sichere Listenplätze. Zweiter Wahlgang Der erste Wahlgang hatte trotz der Vielzahl der Kandidaturen und der Vielfalt der Situationen zu einer starken Konzentration der politischen Kräfte auch auf der lokalen Ebene geführt. Lediglich in 110 Städten mit über 30.000 Einwohnern qualifizierten sich mehr als zwei Listen für den zweiten Wahlgang. Die Zwänge des Wahlrechts führten dann durch Absprachen und Fusionen zu einer weiteren Konzentration des Wahlangebots. Im zweiten Wahlgang standen sich daher in den meisten Wahlorten nur noch eine rechte und eine linke Liste gegenüber. Lediglich in 55 Fällen konkurrierten drei, in 13 Fällen vier und mehr Listen miteinander. Die Wettbewerbsstruktur des zweiten Wahlgangs der Kommunalwahlen ähnelte daher weitgehend der des zweiten Wahlgangs der Parlamentswahlen vom Frühjahr 2007. Innerhalb der beiden Blöcke dominierten eindeutig die Großparteien, d.h. die PS auf der Linken und die UMP auf der Rechten. Die Kleinparteien hatten daher in den Kommunen, in denen sie nicht die 10%-Hürde überwanden, nur noch im Bündnis mit ihnen Mandatschancen. Bei den Verhandlungen über Wahlabsprachen befanden sich die linken Kleinparteien (PCF, Verts, MCR, PRG) gegenüber der PS häufig in einer wesentlich stärkeren Position als die rechten Kleinparteien (Verschiedene Rechte und UMP-Dissidenten) gegenüber der UMP, da sie gebraucht wurden. Aus den Bündnisverhandlungen zwischen den beiden Wahlgängen ging daher ein asymmetrisches Wahlangebot hervor. Die linken Listen waren häufig Gemeinschaftslisten von PS, PCF, MRC, PRG und Verts, die rechten Listen waren dagegen meistens mit der UMP identisch. Die weitgehende Bipolarisierung der politischen Kräfte zwang auch die Zentristen in den Kommunen, in denen sie nicht die 10%-Hürde überwunden hatten, zu Wahlabsprachen mit den Großparteien. Da Bayrou keine generelle Bündnis- 209 empfehlung gab, verbündeten sie sich je nach örtlicher Interessenlage mal mit der Rechten, mal mit der Linken. Das Zentrum war daher nur noch in einigen Städten mit eigenen Listen vertreten. Auch die Randparteien spielten im zweiten Wahlgang nur noch Nebenrollen. Die LCR bedrohte dennoch in einigen Städten die Erfolgsaussichten linker Listen, der FN hatten dagegen sein Störpotential weitgehend verloren. 1995 hatte er sich in 103 Städten, 2001 noch in 41 Städten mit über 30.000 Einwohnern am zweiten Wahlgang beteiligt. Diesmal reichte es nur noch für die Beteiligung in neun Städten mit über 30.000 Einwohnern. 10 Ergebnisse Die Wahlbeteiligung war mit 65% etwas geringer als im ersten Wahlgang, der Wählertrend jedoch weitgehend der gleiche. Die Linke konnte ihren Vorsprung gegenüber der Rechten ausbauen und wurde so zur dominierenden Kraft. In den 612 Städten mit über 15.000 Einwohnern gewann sie in 350 Städten die Mehrheit. Besonders erfolgreich war sie in den Großstädten mit über 100.000 Einwohnern. Sie kontrolliert nun 32 der 52 größten Städte Frankreichs. Innerhalb der Linken führt weiterhin eindeutig die PS, gefolgt von der PCF, der Verschiedenen Linken und den Grünen. Die Sozialisten gewannen die Mehrheit in 250 Städten mit über 15.000 Einwohnern, darunter 25 Städte mit mehr als 100.000 Einwohner u.a, Paris, Lyon, Toulouse, Straßburg, Amiens, Metz, Caen, Reims, Rouen, Saint-Etienne, Saint-Denis (Réunion). Die Kommunisten verloren zwei ihrer früheren Hochburgen im Departement Seine-Saint-Denis - Aubervilliers und Montreuil - an die Sozialisten bzw. die Grünen sowie Calais im Departement Pas-de-Calais an die Rechte. Trotz dieser symbolträchtigen Verluste konnten sie sich jedoch als zweitstärkste Kraft der Linken behaupten. In 47 Städten stellen sie weiterhin den Bürgermeister. Sie bleiben damit auf der kommunalen Ebene eine ernstzunehmende politische Kraft. Die Rechte verlor insgesamt 80 Städte mit über 15.000 Einwohnern, darunter neun Städte mit über 100.000 Einwohnern. Sie stellt nur noch den Bürgermeister in 262 Städten, davon in 209 die UMP, in 11 das Neue Zentrum, in 37 die Verschiedene Rechte und in 5 unabhängige Rechtskoalitionen. Sie vermochte sich jedoch in Bordeaux, Nizza, Marseille, Toulon, Aix-en-Provence, Le Havre, Nîmes und Orléans zu behaupten. Die UMP verlor vor allem Stimmen in Großstädten mit über 100.000 Einwohnern, insbesondere bei Arbeitern und Angestellten, die 2007 für Sarkozy gestimmt hatten. Diese votierten diesmal für die Sozialisten oder blieben zuhause. Entscheidend für ihr Wahlverhalten waren soziale Motive, so vor allem der Unmut über die steigenden Lebenshaltungskosten. Die schichtenübergreifende Wählerkoalition, der Sarkozy seine Wahl verdankte, war in den meisten Großstädten zerfallen. 210 Den Grünen gelang ein Überraschungserfolg in Montreuil. Dort konnte sich ihre langjährige Parteichefin und Präsidentschaftskandidatin Dominique Voynet an der Spitze einer heterogenen neobürgerlichen Wahlkoalition gegen eine linke Liste aus Kommunisten und Sozialisten mit 54,2% zu 45,8% durchsetzen. Damit kontrollieren nun auch die Grünen eine Großstadt mit über 100.000 Einwohnern im ehemaligen roten Gürtel von Paris. Ihren Sieg verdanken sie vor allem bürgerlichen Wählern, welche den amtierenden kommunistischen Bürgermeister Jean-Pierre Brard abwählen wollten. Sie wurden indirekt von der UMP und dem MoDem unterstützt, indem diese keine eigenen Listen aufstellten. Eindeutige Verlierer der Wahlen waren die oppositionellen Zentristen und die Nationalisten. Das MoDem gewann lediglich in 15 Städten mit über 15.000 Einwohnern die Mehrheit. Unter diesen befand sich aber nur eine Stadt mit über 30.000 Einwohnern (Mont-de-Marsan). In den Großstädten mit über 100.000 Einwohnern war es dagegen erfolglos. Der Front national ging völlig leer aus. Auch in Hénin-Beaumont, wo seine Liste mit Marine Le Pen im ersten Wahlgang 30% erhalten hatte, konnte er sich nicht durchsetzen. Mit diesen Ergebnissen bestätigten die Kommunalwahlen die bipolare Grundstruktur des französischen Parteiensystems, verschoben aber sein Kräfteverhältnis zugunsten der Linken, insbesondere der Sozialisten. In Paris konnte sich Delanoë klar mit 57,7% durchsetzten. Zum ersten Mal besitzt die Linke (PS, PCF, PRG, MRC) gemeinsam mit den Grünen auch die Stimmenmehrheit in der Hauptstadt. Sie ist nun nicht mehr auf die Unterstützung der Zentristen angewiesen. Diese verloren neun ihrer zehn Mandate. Die Rechte vermochte ihre Führungsposition nur in acht Arrondissements zu behaupten. Der Sozialist Bertrand Delanoë nimmt nun den Platz ein, den einst der Neo-Gaullist Chirac in den Jahren 1977 bis 1995 eingenommen hatte. Er galt zunächst als farblos, da er nicht in das typische Pariser Karrieremuster paßte. Als Amtsinhaber aber gewann er an Ansehen und Kompetenz, so daß er heute als ein möglicher Anwärter auf die sozialistische Parteiführung gilt. Ergebnisse der Kantonalwahlen Die Kantonalwahlen bestätigten den allgemeinen Trend der Kommunalwahlen. Im ersten Wahlgang erhielt die Linke landesweit 48%, die Rechte 41% und das Zentrum 5%. Im zweiten Wahlgang konnte dann die Linke ihren Vorsprung ausbauen. Sie gewann acht Departements hinzu und kontrolliert nun 60 der 100 Gebietskörperschaften. Innerhalb der Linken führen wie in den Kommunen die Sozialisten. Sie sind damit auch auf der departementalen Ebene die stärkste Kraft. Dank ihrer Erfolge bei den Kommunal-, Kantonal- und Regionalwahlen seit 2004 dürfte die Zahl ihrer Senatoren bei der nächsten Senatswahl auf über 100 steigen. 211 Konklusion Kommunal- und Kantonalwahlen werden vor allem von lokalen Faktoren bestimmt. Unter diesen spielen die Persönlichkeit der Kandidaten, der Einfluß politischer Netzwerke und die Problemlösungsfähigkeit der Administrationen eine zentrale Rolle. Dies erklärt u.a. das gute Abschneiden der Kommunisten in ihren traditionellen Bastionen sowie den Erfolg von Alain Juppé in Bordeaux bereits im ersten Wahlgang. Wichtig sind aber auch die lokalen Wahlkonstellationen. So vermochte sich die Grüne Dominique Voynet in Montreuil an der Spitze einer neobürgerlichen Wahlkoalition gegen den kommunistischen Bürgermeister durchsetzen, weil die UMP und das MoDem keine eigenen Listen aufgestellt hatten. In Metz siegte dagegen die Linke, weil das bürgerliche Lager gespalten war. Aber trotz der großen Bedeutung lokaler Faktoren für den Wahlausgang bestätigte dieser landesweit die bipolare Grundstruktur des französischen Parteiensystems. Auch auf der lokalen Ebene dominieren die Linke und die Rechte eindeutig. Das Zentrum, das sich in einigen Kommunen im 1. Wahlgang noch als autonome Kraft behaupten konnte, wurde zwischen den Blöcken zerrieben, die Randparteien marginalisiert. An der Bipolarisierung der französischen Politik scheiterte nun auch auf der lokalen Ebene der Versuch von François Bayrou, sich eine eigenständige Machtbasis für seine präsidentiellen Ambitionen zu schaffen. Selbst in seinem heimatlichen Béarn, einst eine Hochburg der Christlichen Demokratie, gelang es ihm nicht, Bürgermeister einer Großstadt zu werden. Seine abermalige Niederlage wird nicht ohne Folgen auf der nationalen Ebene bleiben. Noch sind die Zentristen mit etwa 30 Senatoren im Senat vertreten. Ohne ausreichenden Rückhalt in den Kommunen werden sich diese aber nicht mehr lange aus eigener Kraft behaupten können. Sollten auch sie sich der republikanischen Rechten anschließen, dann wäre Bayrou definitiv verlassen. Ihm bliebe nur noch die vage Hoffnung, bei den Präsidentschaftswahlen 2012 mehr Glück zu haben als 2007. Die Marginalisierung der Randparteien war zu erwarten. Unter den Bedingungen der Mehrheitswahl haben sie nur in Ausnahmefällen eine Chance, sich im zweiten Wahlgang durchzusetzen. Die trotzkistische LCR konnte sich jedoch in einigen Städten erfolgreich als soziale Protestpartei artikulieren und hat gute Chancen, die Nachfolge der PCF anzutreten. Für den Front national aber bedeutete die Niederlage einen weiteren Schritt zum Exitus. Die Partei ist inhaltlich, personell und finanziell am Ende. Nach dem Verkauf ihrer Parteizentrale mußte sie nun auch das Erscheinen ihrer beiden wichtigsten Propagandazeitschriften (Français d’abord, National-Hebdo) einstellen. Die Tage von Le Pen an der Parteispitze sind gezählt, ein überzeugender Nachfolger ist nicht in Sicht. Aber selbst wenn die Partei die gegenwärtige Krise überleben sollte, hat sie keine Zukunft mehr. Innerhalb der Blöcke konnten die beiden Großparteien PS bzw. UMP ihre Dominanz behaupten. Die PS war jedoch in vielen Kommunen weit stärker als die UMP auf die Unterstützung von Bündnispartnern angewiesen. Die linken Kleinparteien 212 einschließlich der Grünen konnten sich so zahlreiche Mandate sichern. Der parteipolitische Pluralismus blieb somit auf der Linken erhalten. Die Rechte ist dagegen weitgehend mit der UMP identisch. Auch auf der lokalen Ebene existiert damit nun eine asymmetrische Bipolarität. Erst wenn sich auch die linken Parteien organisatorisch vereinen, könnte ein symmetrisches Zwei-Parteiensystem entstehen, in dem beide Großparteien auf allen Ebenen des politischen Systems die gleichen Machtchancen besäßen. Infolge ihrer Erfolge bei den Regionalwahlen 2004 sowie den Kommunal- und Kantonalwahlen 2008 verwaltet die Linke heute 20 der 22 Regionen, zwei Drittel der Departements und die Mehrheit der größeren Kommunen. Damit beherrscht sie weitgehend die subnationalen Ebenen des politischen Systems. Daraus ergibt sich eine vertikale Machtteilung mit der Rechten. Diese bestimmt zwar weiterhin die nationale Politik, muß jedoch bei deren Implementierung stärker als bisher auf die Linke Rücksicht nehmen. Die starke Position auf den subnationalen Ebenen ermöglicht es der Linken, insbesondere den Sozialisten, deren Ressourcen für den Ausbau ihrer Netzwerke zu nutzen und sich die Unterstützung wichtiger Klientele zu sichern. Sie besitzt damit eine solide Basis in der Peripherie für die Eroberung des Zentrums. Es fragt sich jedoch, ob sie ihre Machtchance zu nutzen weiß. Es fehlt ihr dazu z.Z. ein nationales Projekt, das wie 1936 und 1981 die Massen mobilisieren und eine charismatische Führungsfigur, die es verkörpern könnte. Entscheidend für die weitere politische Entwicklung Frankreichs ist daher die interne Entwicklung der Linken. Diese hängt im hohen Maße von der personellen, programmatischen und organisatorischen Erneuerung der PS ab. Im November dieses Jahres will diese ihre Führungsfrage klären. Ernsthafte Anwärter auf den Parteivorsitz sind nun nicht nur die alten Tenöre und grauen Elefanten (Fabius, Straus-Kahn), sondern auch die erfolgreichen Kommunalpolitiker wie Bertrand Delanoë und Martine Aubry. Sollte sich einer von ihnen durchsetzen, würde dies erheblich das Gesicht der Partei verändern. Wie die Kommunal- und Kantonalwahlen gezeigt haben, sind die Sozialisten jedoch weiterhin auf die Unterstützung von Bündnispartnern angewiesen. Unter diesen haben sich die Kommunisten zwar gut behauptet, ihre Verhandlungsmacht hat sich jedoch erheblich verringert. Ihren früheren Platz im Parteiensystem nimmt mehr und mehr die radikale Linke ein. Solange diese jedoch an ihrer trotzkistischen Ideologie festhält, wird sie nicht für die PS bündnisfähig werden. Die Sozialisten werden sich daher nach anderen Bündnispartnern umschauen müssen. Ob zu diesen auch die Zentristen gehören könnten, hängt nicht zuletzt von Bayrou ab. Solange dieser an seiner zentristischen Strategie festhält, wird es kein Bündnis mit ihnen auf der nationalen Ebene geben. Die Rechte ist heute weitgehend mit der UMP identisch. Diese hat jedoch seit ihrer Gründung im Jahre 2002 durch Chirac kaum ein Eigenleben entwickelt. Vielmehr ist sie auch nach den Wahlen von 2007 eine Präsidentenpartei geblieben, die nun von Gefolgsleuten Sarkozys geführt wird. Dessen „Öffnung“ zur Linken hat ihr keine neuen Wähler zugeführt. Wohl aber hat sie Wähler vor allem in den Un- 213 terschichten verloren. Es mehren sich daher die Stimmen, die eine engere Zusammenarbeit mit den Zentristen fordern, um die Einheit des bürgerlichen Lagers zu erneuern. Bayrou lehnt diese weiterhin ab, unter seinen Anhängern wächst jedoch die Zahl derjenigen, die sie angesichts der Niederlage in den Kommunalwahlen befürworten. 1 Üblich ist die Differenzierung zwischen Gemeinden unter 3500, 30.000-50.000, 50.000- 100.000 und über 100.000. 2 Cf. Le Monde, 13.03.08 3 Cf. Le Figaro, 10.03.08 4 Cf. Le Monde, 12.03.08 5 1995 hatte der FN in Toulon die Mehrheit gewonnen. Seine Wähler rekrutierten sich vor allem unter Algerienfranzosen, die sich sehr zahlreich in der Stadt niedergelassen hatten. 6 Cf. Le Figaro, 6.03.08 7 13 davon als Listenführer. 8 Cf. Le Monde, 11.03.08 9 Cf. Le Monde, 18.03.08 10 In Calais zog sich ihr Spitzenkandidat François Dubout zurück, um einen kommunistischen Wahlsieg zu verhindern. Daraufhin suspendierte ihn die Parteiführung prompt von seinen Parteiämtern.