eJournals lendemains 33/130-131

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Narr Verlag Tübingen
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2008
33130-131

P. de Ronsard: Amoren für Cassandre

2008
Beatrice Nickel
ldm33130-1310287
287 PIERRE DE RONSARD: AMOREN FÜR CASSANDRE. FRANZÖSISCH - DEUTSCH. HG. V. CAROLIN FISCHER UND ÜBERSETZT V. GEORG HOLZER. BERLIN, ELFENBEIN, 2006, 333 S. Um denjenigen Leser, der sich das amouröse Werk des Prince des Poètes Pierre de Ronsard (1524-1585) in deutscher Sprache zu Gemüte führen wollte, war es bisher schlecht bestellt. Mehr als einzelne Übersetzungen in Anthologien und meist ohne den französischen Originaltext standen diesem kaum zur Verfügung, sieht man von den Aufsätzen über einzelne Gedichte oder die zahlreichen Übertragungen im Barock (v. a. von Opitz und seinen Anhängern) ab. Jedenfalls wurde dem Interessierten der Blick auf das umfassende Werk Ronsards nicht eröffnet. Die Herausgeberin hat diesem Mißstand, der merkwürdigen Diskrepanz zwischen der Bedeutung des Pétrarque Vandomois (wie sein Zeitgenosse Oliver de Magny ihn einst betitelte) für die französische Literatur und seiner derzeitigen (Nicht-)Beachtung in Deutschland, mit ihren Amoren für Cassandre und damit der ersten deutschen Gesamtausgabe zumindest eines Zyklus des Dichters erste Abhilfe geschaffen. Hieraus ergibt sich ein doppelter Vorteil: für die Herausgeberin das Umgehen der lästigen Aufgabe einer stets willkürlichen und daher niemals zufriedenstellenden Auswahl und für den Leser der Genuß des Gesamteindrucks. Die Herausgeberin und der Übersetzer haben es sich dabei nicht leicht gemacht, stellt doch das Premier Livre des Amours den schwierigsten Canzoniere Ronsards dar. Schließlich handelt es sich hierbei um eine ausgesprochene Bildungsdichtung in einem Stil, der kaum höher und dem heutigen Leser v. a. durch mannigfache mythologische Anspielungen kaum ferner sein könnte. Die Übertragung Holzers belegt die Richtigkeit des Diktums von Pierre Garnier über die Unübersetzbar-, dafür aber Mitteilbarkeit von Gedichten. Weit davon entfernt, einer sklavischen wörtlichen Übersetzung zu verfallen, wird der gedankliche Kern unter Beibehaltung des ursprünglichen Metrums und Reimschemas wiedergegeben. Dies ist umso wichtiger, als beide bei einer so streng reglementierten Form wie dem Sonett niemals bloß schmuckvolles Beiwerk sind, sondern stets sinnkonstituierend wirken. Zum Teil kühne Übertragungen ermöglichen es, den stilus grande Ronsards und die beim Sonett so wichtige Musikalität ins Deutsche zu transportieren - philologische Präzision weicht vor Erzielung der Wirkungsäquivalenz. So wie Ronsard durch das Porträt am Anfang des Bandes nebst seiner umworbenen Cassandre über seinen Liebeszyklus wacht, so scheint der wachsame Blick des Pléiade-Dichters auch Herausgeberin und Übersetzer begleitet zu haben. Auf die Gedichte folgt ein Kommentar der Herausgeberin, der, wie angekündigt, alle wichtigen mythologischen Anspielungen in den Gedichten erhellt. Daß hierbei die Belegstellen mit wissenschaftlicher Genauigkeit angeführt sind, wird so mancher Leser dankbar zu schätzen wissen. Beschlossen wird der Band mit einem dem Umfang nach angemessenen Nachwort der Herausgeberin, in dem der Leser nicht nur über Biographie und Werk 288 Ronsards, den historischen Kontext der Amoren für Cassandre sowie deren Namensymbolik, sondern en passant darüber hinaus auch über die wichtigsten Dichtungsprinzipien der Pléiade und das Phänomen des Petrarkismus unterrichtet wird. Diese komprimierten Informationen ermöglichen es dem Leser erst, Ronsards Werk als typische Ausdrucksform der Renaissance zu begreifen. Lobend sei erwähnt, daß die Herausgeberin wiederholt auf die Fiktionalität der in den Amoren geschilderten Liebe hinweist, um der sich leider immer noch hartnäckig am Leben haltenden Interpretation der Gedichte als autobiographische Zeugnisse Ronsards endgültig den Garaus zu machen. Allein, der streng wissenschaftlich interessierte Rezipient wünschte sich einen umfangreicheren Anhang, der im Sinne einer historisch-kritischen Leseweise auch die verschiedenen Varianten Ronsards, auf die die Herausgeberin wiederholt hinweist, berücksichtigte. Den Amoren für Cassandre könnte es gelingen, dem hellsten Stern der Pléiade endlich auch einen dauerhaften Platz am deutschen Literaturhimmel zu sichern und selbst ein „livre immortel“ zu werden - so wie es Ronsard in seinem Vœu erhofft. Beatrice Nickel (Stuttgart)