eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 37/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
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2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2008
371 Gnutzmann Küster Schramm

„Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert ?“ Literaturunterricht und Heteronormativität aus Lehrersicht

2008
Helene Decke-Cornill
Marc-Philip Hermann
Bettina Kleiner
Sven-Frederik Rhein
* Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Helene D ECKE -C ORNILL , Universität Hamburg, Fakultät 4, Von- Melle-Park 8, 20146 H AMBURG . E-mail: decke-cornill@erzwiss.uni-hamburg.de Arbeitsbereiche: Literatur- und Filmdidaktik, Gender Studies, kooperatives Lernen. Marc-Philip Hermann, Student Lehramt Oberstufe (Allgemeinbildende Schulen) - Fächer: Sozialwissenschaften (Schwerpunkt Soziologie und Amerikanistik) - E-mail: maphi84@hotmail.com. Bettina Kleiner, M. A. (Sprachlehrforschung, Amerikanistik), Doktorandin an der Univ. Hamburg, Erziehungswissenschaft/ Fremdsprachendidaktik. - E-mail: bettina.kleiner@gmx.net - Arbeitsbereiche: Heteronormativität & Sprachenlernen, Fremd-/ Zweitsprachendidaktik (Schwerpunkt: DaZ, DaF). Sven-Frederik Rhein, Student Lehramt Oberstufe (Allgemeinbildende Schulen) - Fächer: Amerikanistik und Geographie, z.Zt. teaching assistant in Oxford - E-mail: SpencR@gmx.de. 1 Mit diesem etwas schwerfälligen Begriff folgen wir dem Hinweis aus den Queer Studies auf die Offenheit von Geschlechteridentitäten über Hetero- und Homosexualität hinaus. 2 Heteronormativität ist eine Bezeichnung für die soziale Normalisierung der Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität der Menschheit, die den Ausschluss bzw. die Marginalisierung von denen impliziert, die sich in Sexualität und Lebensweise anders identifizieren. 37 (2008) H ELENE D ECKE -C ORNILL , M ARC -P HILIP H ERMANN , B ETTINA K LEINER , S VEN R HEIN * „Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert ? “ Literaturunterricht und Heteronormativität aus Lehrersicht Abstract. This paper presents findings from interviews conducted with two homosexual teachers of English about their views on literature in the EFL-classroom. The interviews focused in particular on the question whether the non-normative biographical background of these teachers played any role in their choice of aims, texts, and approaches to literature and in their reflections on the place of literature in language education. 0. Einführung Der folgende Beitrag basiert auf Interviews mit zwei nicht-heterosexuellen 1 Gymnasiallehrkräften über die Rolle von Literatur im Englischunterricht. Wir wollten wissen, wie sich aus ihrer biographisch sensibilisierten Sicht der Literaturunterricht darstellt und ob sie ihn für ein geeignetes Forum für eine Auseinandersetzung mit Heteronormativität 2 halten. Nutzen sie ihn für eine Auseinandersetzung mit ausgrenzenden Geschlechterverhältnissen und für die Dekonstruktion normativer Setzungen? Sehen sie darin eine Usurpation von Literatur? Und wenn ja, wäre dies aus ihrer Sicht legitimierbar? Im Mittelpunkt unserer dreiteiligen Darstellung stehen die Erfahrungen und Überlegungen der beiden Interviewten. Dieser Hauptteil wird von einer Begründung der Untersuchung eingeleitet und schließt mit einer literaturtheoretischen und -didaktischen Einbettung. „Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert? “ ... 253 37 (2008) 1. Begründung der Befragung Dass Schule eine „Kultur der Akzeptanz von Heterogenität“ (P RENGEL 1995: 28) entwickeln müsse, ist bildungspolitisch festgeschrieben und dennoch keine Realität. Entsprechend wird im Kontext der interkulturellen Pädagogik und der Integrationspädagogik die Forderung nach Überwindung von Diskriminierung geäußert, die auch im genderpädagogischen Kontext laut wird. Aber selbst hier richtet sich das Interesse kaum je auf die Akzeptanz sexueller Identitäten jenseits der „heterosexuellen Matrix“ (B UTLER 1991: 220). Dabei gehört die Entwicklung sexueller Identität zu den zwingenden Entwicklungsaufgaben Heranwachsender, vollzieht sich wesentlich in eben dem Zeitraum, in dem Schule einen zentralen Stellenwert in der Lebenswelt Jugendlicher einnimmt, und bewegt sich keineswegs nur im Rahmen der Heteronormativität. Studien zufolge erleben Jugendliche, die sich nicht heterosexuell orientieren, Schule als feindselig (B IECHELE [et al.] 2001: 37). Kompetente und unterstützende Begleitung können sie dort kaum erwarten (H USCHENS [et al.] 2001: 43 f), im Gegenteil: Die Schule verstärkt oft den normierenden Druck, den sie in Familie und Gesellschaft erfahren. Die betroffenen Jugendlichen sind massiven verbalen und körperlichen Attacken ausgesetzt, riskieren Ablehnung durch Gleichaltrige und leiden in überproportional hohem Maße unter Stress und Einsamkeit. In einschlägigen Dokumentationen zu schwulen Jugendlichen wird wiederholt auf „eine erschreckend hohe Suizid(versuchs)rate“ hingewiesen. (B IECHELE [et al.] 2001: 20). In einer Studie der GEW (2001: 4) heißt es: „lesbische und schwule Lebensweisen werden in den meisten Lehrplänen und in der LehrerInnenaus-, -fort- und -weiterbildung weitgehend ignoriert“. Für H USCHENS [et al.] wäre es im Übrigen mit einem bloßen Einbezug nicht getan. Sie argumentieren unter der Überschrift „Schule als Raum für Erfahrung von Alternativen“ dafür, nicht-heterosexuelle Identitäten nicht als Randgruppenproblematik zu thematisieren, sondern „als Teil unserer gesellschaftlichen Lebensrealität“ (2001: 38). Es geht ihnen also um Kritik an der Konstruktion des Normalen. Eine solche Normalitätskritik kann auch, so unsere These, Anliegen von Literatur und von Literaturunterricht sein. Sowohl auf der Ebene des Lektürekanons als auch auf der Ebene der Unterrichtsinszenierungen sind Herausforderungen zur Dekonstruktion gesellschaftlich normierter Vorstellungen denkbar. Wird aber von diesem Potenzial Gebrauch gemacht? 2. Die Befragung Die im Folgenden dargestellte Befragung ist explorativ angelegt, denn sie gilt einem empirisch unerschlossenen literaturdidaktischen Feld: Englischer Literaturunterricht ist unter der Prämisse, dass an ihm auch nicht-heterosexuelle Akteurinnen und Akteure teilnehmen, bisher nicht untersucht worden. Auch hier geschieht das nur ausschnittweise, indem die Perspektive zweier Lehrpersonen im Interview beleuchtet wird. Die Entscheidung für die Form von Interviews mit nicht-heterosexuellen Lehrkräften als erstem Zugang beruht auf der Annahme, dass sie aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen mit 254 Helene Decke-Cornill, Marc-Philip Hermann, Bettina Kleiner, Sven Rhein 37 (2008) Nicht-Konformität eine erhöhte Aufmerksamkeit und geschärfte Urteilskraft für diesen Zusammenhang besitzen würden. 2.1 Die leitende Forschungsfrage und die interviewten Lehrkräfte Dem offenen Erkenntnisinteresse entsprechend ergab sich als Leitfrage für die Interviews: „What is it like, as a gay teacher, to teach English literature? “ Zur Befragung erklärten sich zwei Lehrkräfte an Gymnasien bereit, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben. Ihre Schulen liegen in zwei Großstädten in einem der alten westdeutschen Bundesländer. Die Zusammensetzung der Schülerschaft ist unterschiedlich: In einem der Gymnasien sind Kinder aus Einwandererfamilien eine kleine Minderheit, im anderen die deutliche Mehrheit. Für die Befragten stand während ihrer eigenen Schulzeit nicht oder noch nicht eindeutig fest, dass sie eine gleichgeschlechtliche sexuelle Identität entwickeln würden. Beide Lehrpersonen unterrichten das Fach Englisch auf der Sekundarstufe I und II und befinden sich in den ersten Jahren ihrer Berufstätigkeit. Sie begründen ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an dieser Studie mit ihrem Interesse am Thema und dessen pädagogischer Relevanz. Ihre Namen wurden verschlüsselt, sie erscheinen hier als X und Y. Aus Gründen der Gewährleistung des Datenschutzes haben wir auch Hinweise auf ihr Geschlecht getilgt. Beide wurden im Sinne einer intersubjektiven Validierung um die Autorisierung ihrer Aussagen gebeten. 2.2 Der Interviewleitfaden Die Autorengruppe erarbeitete einen Leitfaden mit vier thematischen Schwerpunkten. Er wurde so gestaltet, dass er einerseits den beiden Interviews Struktur geben und als thematische Merkhilfe dienen, andererseits aber auch flexibel Raum für Thematisierungen lassen würde, die nicht zuvor antizipiert wurden. (1) Biographisches Schul- und Hochschulerfahrungen allgemein Erfahrung aus der Schulzeit Bezüge zwischen Biographie und eigenem Unterricht (2) Auskünfte über die Schülerinnen und Schüler und Kollegien der Interviewten Altersgruppe der Schülerinnen und Schüler Charakterisierung der Zielgruppen des Unterrichts Kollegium (3) Auskünfte zum Literaturunterricht Wege und Gründe der Entscheidung über Texte und Themen für den Unterricht Quellen für die Suche nach Literatur für den Unterricht Formen der Arbeit mit Literatur im Unterricht Erwartete bzw. erlebte Resonanz bei den Schülerinnen und Schülern auf den Literaturunterricht (4) Grundsatzfragen zum Verhältnis von Literaturunterricht und Heteronormativität Welche Rolle kann Literatur für die Thematisierung (ggf. Dekonstruktion) von Heteronormativität im Unterricht spielen? Ist aus Ihrer Sicht die Instrumentalisierung von Literatur für die Auseinandersetzung mit Heteronormativität legitim? „Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert? “ ... 255 37 (2008) 2.3 Zur Durchführung und Auswertung des Interviews Beide Interviews fanden an unterschiedlichen Tagen im Winter 2007 statt und dauerten je eine gute Stunde. Zwei Mitglieder der Autorengruppe führten jeweils die Befragung einer Lehrperson durch, die digital aufgezeichnet und dann verschriftlicht wurde. Den Interviewten wurde eingangs noch einmal die ihnen schon bekannte Fragestellung erläutert und ein Überblick über die vorgesehenen Schwerpunkte verschafft. Wir orientieren uns bei der Auswertung lose an Christiane S CHMIDT s Vorschlägen zur „Analyse von Leitfadeninterviews“ (2000) und machen dabei zugleich von ihrer Anregung Gebrauch, eigene, der Fragestellung und dem Erkenntnisinteresse angemessene Wege zu finden (ibid.: 448), was auch impliziert, dass nicht alle der geplanten Aspekte in beiden Gesprächen gleichermaßen zur Sprache kommen. In einem ersten Schritt wurde von allen vier an der Auswertung Beteiligten unabhängig voneinander das Material, das zuvor durch Korrekturhören auf Übertragungsfehler bereinigt worden war, nach intensivem und wiederholtem Lesen paraphrasiert. Dabei wurden mit eigenen Worten die identifizierten Themen und Aspekte notiert. In einer vergleichenden, Verständnisfragen und Diskrepanzen klärenden Auswertung im direkten Gespräch wurden dann konsensuell im Team Auswertungskategorien formuliert. Für die Darstellung der Interviewaussagen wurde schließlich eine thematische Strukturierung gewählt und entschieden, die Interviewten möglichst ausführlich zur Sprache kommen zu lassen, so dass der darstellende Teil im Duktus des thematisch geordneten Referierens gehalten ist. Er umfasst zwei Schwerpunkte: Aussagen zu Schule und Lehrerrolle und Aussagen zum Literaturunterricht. 2.4 Aussagen zu Schule und Lehrerrolle In diesem Abschnitt stellen wir allgemeine Aussagen zur Institution und professionellen Identität vor, denn sie bieten für die anschließenden Aussagen zu Literatur und Literaturunterricht einen aufschlussreichen Kontext. 2.4.1 Schule als ausgrenzender Ort Die Interviewten beurteilen übereinstimmend Schule als ausgrenzenden Ort. Zu den Formen, in denen sich Ausgrenzung äußert, gehören Schweigen und Dethematisierung. X beobachtete diese Mechanismen in der eigenen Schulzeit, als sich eine Elftklässlerin outete: „Und keiner der Lehrer ist darauf eingegangen. Das wurde einfach ignoriert“. Auf diese Weise signalisierten die Lehrerinnen und Lehrer, worüber gesprochen werden konnte und worüber nicht, was aus dem Sagbaren zu verbannen war und was nicht, was zum Bestandteil der Realität und der Normalität zählen durfte und was nicht. Sie schufen das ‚Normale‘ kraft ihrer institutionellen Autorität. Später, nun selbst Lehrperson, erlebt X beim Gespräch über Stadtteile von San Francisco und deren Bewohnerinnen und Bewohner, wie eine Klasse der Sekundarstufe I sich weigert, das Wort homosexuality auszusprechen. 256 Helene Decke-Cornill, Marc-Philip Hermann, Bettina Kleiner, Sven Rhein 37 (2008) Da wurde mir erst klar, dass die Schüler mit dem Wort nicht nur phonetische Schwierigkeiten hatten, sondern es einfach nicht aussprechen wollten. Wir haben dann verschiedene Wörter mit dem Wortstamm ‚sexual‘ laut und deutlich wiederholt und gemeinsam ausgesprochen: „Sexual, sexuality, heterosexual, homosexual, homosexuality“. Nach der Übung mussten die Schüler auch schon kichern. Das Schöne war, dass die Atmosphäre plötzlich noch mehr als sonst gelöst war. Und plötzlich kamen Fragen wie: „Ja, wie nennt man das denn eigentlich im Englischen, eben gay, beschreibt das jetzt nur Männer oder auch Frauen? Wie nenne ich dann ne Frau? “ Und ich habe das ganz offen beantwortet, weil das Wort ‚gay‘ ja nicht nur im Englischen verschiedene Bedeutungen hat, sondern den Schülern halt auch in ihrem deutschen Alltag in den Medien und so begegnet. In diesem offenen Unterrichtsgespräch merkte ich vereinzelt aber auch Verhaltenheit, so Schüchternheit eben, mit einem Lehrer oder Erwachsenen über das Thema zu sprechen. Ich hab dann konkret gefragt, ob sie darüber nicht schon längst in Biologie gesprochen hätten. „Nee“, war die Antwort. Ich hatte das Gefühl, dass sie darüber enttäuscht waren, denn die Neugierde war da. Ich mein, ist ja da. Und ganz ehrlich: Ich hatte in dem Moment auch Frust auf die ignoranten oder feigen Kollegen, die sich nicht getraut haben oder es womöglich nicht für wichtig gehalten haben, auch diese sogenannten Tabuthemen aufzugreifen. Mit der Aufforderung zum Chorsprechen, zum gemeinsamen lauten Aussprechen des tabuisierten Begriffs räumt X den Schülerinnen und Schülern den verstellten Zugang zu ihrer Neugier frei. Das Schreckenswort wird in eine aus der Wortschatzarbeit vertraute Übung integriert, lexikalisch in eine Wortfamilie gebettet, zum Familienmitglied - diese familiarization (s. Abschnitt 3) mündet im erlösten Kichern der Klasse, ihrem Vertrauen und ihren Fragen. Auch Y schildert Erfahrungen mit Schweigen und Entnennung. Die Abiturientinnen und Abiturienten an Ys derzeitiger Schule berichten, dass ihnen das Thema sexuelle Vielfalt in der Schule nie begegnet sei. Auch grundsätzlich ein Unverständnis für die Situation von Homosexuellen bis eben auch hin zur Situation der Lehrer. Das war in [der vorherigen Schule, Anm. der Verf.] etwas intensiver, da war das Kollegium allerdings noch am Anfang des Altersumbruchs. Das ist hier ein bisschen anders, ich hab mit wenigen von den ganz Alten zu tun, und da ist es kein Thema. In [der vorherigen Schule, Anm. der Verf.] war es durchaus so, dass ganz viele Kolleginnen, besonders Kolleginnen, meinten, dass es kein Thema sein sollte, dass Schüler das nicht wissen sollten und dass sie die Thematisierung von Homosexualität im Schulalltag nicht gern sehen wollten. Eine andere Form der Ausgrenzung sind homophobe Äußerungen, die sich keineswegs auf die Schülerschaft beschränken, sondern auch im Lehrerzimmer in Gesprächen über Schülerinnen und Schüler verbreitet sind. Unter den Kindern und Jugendlichen seien homophobe Beschimpfungen oft spielerisch gemeint, trügen aber dennoch zum ausgrenzenden Klima bei, so dass nicht-heterosexuelle Jugendliche Y gegenüber Schule als Spießrutenlauf bezeichneten. Übereinstimmend äußern X und Y, dass sie kategorisch keine Diskriminierung dulden. Y: Wenn es in einer kleinen Situation ist, d.h. Pause, Schulhof oder so was, dann spreche ich mit den Leuten und erklär ihnen, dass das ne beleidigende Äußerung ist und dass sie damit andere ausgrenzen und dass wir das in der Schule nicht tolerieren. Wenn es in der Klasse passiert, thematisiere ich Homosexualität an sich. Mit dieser Funktion von Sprache als Ausgrenzung. „Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert? “ ... 257 37 (2008) X (zu einer abfälligen Äußerung zu einem sog. sozialen Brennpunkt): Da hab ich den Schülern ganz deutlich gesagt: Eh, keine Diskriminierung irgendeiner Art in meinem Klassenraum. Wer das noch mal macht, fliegt raus. Das darf ich zwar nicht, aber so merken sie, hier ist ne absolute Grenze für mich erreicht. In der Darstellung der Befragten entsteht das Bild einer Institution, die wenig Raum und kaum Wahrnehmung für nicht-heterosexuelle Lebensweisen bietet. Schule blendet mit der Dethematisierung nicht-heterosexueller Identitäten einen Teil der Lebensrealität aus, den sie „im Sinne von ganzheitlicher Lebenserziehung in der Schule“ (X) einbeziehen müsste, denn „Schule sollte Realität abbilden“ (X). Die Interviewten beklagen das Unbzw. Halbwissen im Kollegium, die mangelnde Professionalität, die fehlende einschlägige Lehrerbildung. Vielen Kolleginnen und Kollegen sei beispielsweise entgangen, dass Richtlinien und Bildungspläne die Thematik bereits aufgenommen haben. 2.4.2 Verhältnis von persönlicher und professioneller Identität Der grundlegendste Unterschied zwischen den beiden Interviewten betrifft ihre Auffassung vom Verhältnis zwischen der persönlichen Identität der Lehrkraft und der Lehrerrolle. Für X ist eine Trennung zwischen beiden möglich und wünschenswert. Es gibt Dinge, die wollen Schüler von Dir einfach nicht wissen und dazu gehören ganz klar auch Dein Privatleben und Deine Alltagssorgen. Manche Lehrer vergessen das voll. Man ist dort vorne halt Lehrer. Du vergibst Noten und die Schüler stehen zu Dir in einem absoluten Abhängigkeitsverhältnis. Wenn Du denen mit zu viel privater Information von Dir kommst, kann das die Schüler in ne Situation bringen, in der sie sich Dir gegenüber befangen fühlen. Und Du merkst das vielleicht nicht mal. […] Das hat auch mit meinem Rollenverständnis zu tun. […] Es ist so als würde in dem Moment, in dem ich den Klassenraum betrete, ein Lichtschalter angeknipst: Alle Schüler sind vor meinen Augen präsent, sie und ihre Lernbedürfnisse sind alle wichtig, auch ihre individuellen sozialen Schwierigkeiten liegen mir am Herzen. Und Du guckst dann halt so ganz automatisch neben dem Unterrichten: Na, F., gehts Dir heute gut? Na, S., immer noch Sorgen mit dem Freund? Aber wenn ich die Schule verlasse, wird dieser Lichtschalter ausgeknipst. Ich gehe nach Hause und dort wird ein anderes Licht angemacht. Die Offenlegung der eigenen sexuellen Identität ist für X eine ambivalente Angelegenheit. Na klar, wenn Du Dich geoutet hast und Schüler wissen das, dann kann das ne absolut wichtige Funktion haben, und ich würde immer zu meiner Identität stehen. Das muss ich ja auch, denn nur so kann ich als Lehrer authentisch sein und auch Schülern helfen, über eigene Vorurteile und eben ihre eigene Lebenswelt hinauszudenken. Und verschiedene, auch sexuelle Lebensformen zu tolerieren. Oder eben, und das ist nämlich auch nicht zu vergessen, für sich selber zu entdecken und als normal anzusehen. Aber offensives Outing gehört für mich nicht dazu. Schließlich outen sich die heterosexuellen Lehrer ja auch nicht vor ihren Schülern. Grundsätzlich hält X Outing nicht unbedingt für geboten, entscheidend seien Vertrauenswürdigkeit, Integrität und eine offene Haltung gegenüber den Lebenswelten und Entscheidungsprozessen der Schülerinnen und Schüler. Folgerichtig lehnt X eine Zuständig- 258 Helene Decke-Cornill, Marc-Philip Hermann, Bettina Kleiner, Sven Rhein 3 Y hält fest, dass das Outing nicht nur für das Selbst, sondern auch für die entsprechenden Kurse etwas wert ist. Inzwischen hat Y auch die Unterstufe informiert. 37 (2008) keit nur der nicht-heterosexuellen Lehrenden für nicht-heterosexuelle Themen und Schülerfragen ab. Y teilt diese Auffassung und berichtet von gay-straight alliances an US-amerikanischen Schulen als Vorbild eines verantwortungs-, nicht identitätsgeleiteten Engagements gegen Homophobie und die Konstruktion von Normal- und Randgruppen. Anders als für X ist für Y Outing in der Schule ein zwar schwieriger, aber unbedingt befreiender und entlastender persönlicher Schritt. Die Alternative dazu hieße für Y „sich verstecken“: Es war ne große Erleichterung, als ich mich direkt im Unterricht in der Schule in […] geoutet habe. Ab dem Zeitpunkt war es so, dass wirklich keine Mehrdeutigkeiten mehr von mir gedacht werden mussten, was gerade im Unterricht passiert. Das sprach sich da dann ganz schnell rum. Aus der Aussage geht hervor, dass das Vorher als belastete, das Danach als neue Zeit erlebt wird, als Wende („ab dem Zeitpunkt“). Allerdings beschränkt sich Y dabei auf die Oberstufe. 3 Anlässe für das Outing bieten Y z.B. homophobe Beschimpfungen in einem Grundkurs, zu dem ein offen schwuler Schüler gehört. Die Wirkung ist unterschiedlich. Während sich die Nachricht in der vorherigen Schule „wie ein Lauffeuer“ herumsprach, wissen in Ys derzeitiger Schule manche Schülerinnen und Schüler von der (offenen) Homosexualität eines Kollegen, andere nicht. So dass ich davon ausgehen kann, dass es kein großes Thema ist, wenn so was bekannt wird im Moment, zumindest in bestimmten Jahrgangsstufen oder wenn der Lehrer ne bestimmte Stellung hat, und ich mich im Prinzip in den Kursen offen outen muss, damit ich da komplett transparent mit umgehen kann. Was den Schülerreaktionen zufolge möglicherweise „kein großes Thema ist“, ist es für Y sehr wohl. Das muss zeigt, dass die Übereinstimmung zwischen privater und beruflicher Identität in diesem Punkt für Y Grundvoraussetzung unbeeinträchtigter beruflicher Existenz ist. Die Auffassungen der beiden Lehrerpersönlichkeiten unterscheiden sich in dem hier verhandelten Punkt deutlich. X sieht das Privatleben als schützenswerten Bereich und versteht sich eher als moderierend im Bildungsprozess und als dienstleistende Ansprechperson grundsätzlich aller Schülerinnen und Schüler. Für Y dagegen ist die Offenlegung der eigenen Lebensweise vielleicht eine Flucht nach vorn oder ein Präventivschlag gegen das Geoutetwerden, vor allem anderen aber Befreiung und Entlastung. Im Gespräch über die Möglichkeit, durch Schülerinnen und Schüler oder Kolleginnen und Kollegen ungewollt geoutet zu werden, berichtet X von einer bemerkenswerten Situation. Ich möchte mich gar nicht vor meinen Schülern verstecken. Das ist mir eigentlich egal, also nicht egal. Schaun Sie mal, diese Schüler haben ja Geschwisterkinder, haben Eltern, und wenn man das hochrechnet, sind das eben mal locker tausend Mann, wenn man noch mal die Menschen mitrechnet, die Dich aus dem Schulbild kennen, aber nicht im Unterricht haben. Das möchtest Du einmal „Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert? “ ... 259 37 (2008) für Dich selber nicht, und das sollte man auch gar nicht. So nen Gedanken musst Du ganz schnell wieder aus deinem Gedächtnis wischen. Denn es wäre ne unnötige Einschränkung der privaten Identität und des Privatlebens. Mhmmm. Bei mir gab es bislang interessanterweise auch nur eine so ne Situation, in der eine Schülerin plötzlich meinte, also wissen Sie, die ist eigentlich sonst eher auf höfliches Benehmen bedacht. Jedenfalls meinte sie plötzlich mitten im Unterricht, also es ist ihr so richtig entfahren: Ich hab Sie in […] gesehen. Ich guckte sie an, sie guckte mich so an, und es war irgendwie so, als ob wir uns in diesem Moment gegenseitig lesen. Alle anderen guckten sie auch an: So, und nun? Und sie meinte daraufhin nur noch: Ja, ich wollte ja nur mal was sagen. Und dann hat sie einfach weitergeschrieben, während ich normal meinen Unterricht fortgeführt habe. Das war so ein Moment, der ist mir einfach so im Gedächtnis hängen geblieben. Sonst fragen die eigentlich nie: Sind Sie verheiratet oder so. Die Aussage bleibt unvollendet, erzeugt eine schwebende Leerstelle. Die Schülerin verharrt gleichsam vor dem Absprung. Sie springt nicht, aber sie hätte springen und X zum Mitspringen nötigen können. 2.5 Aussagen zum Literaturunterricht In diesem Abschnitt geht es nun um die Äußerungen der Befragten zu ihren Erfahrungen mit und Auffassungen von Literaturunterricht. 2.5.1 Literatur in Schulzeit und Studium Beide Befragte erinnern sich nicht an die Begegnung mit nicht-heterosexuellen Lebensweisen im englischen Literaturunterricht ihrer Schulzeit. Solche Begegnungen gab es für X erst im Studium im anglophonen Ausland, und hier waren weder Tabuisierung noch Marginalisierung erkennbar. Die Seminare waren vom diversity-Ansatz geprägt. Das erste Mal, dass es thematisiert wurde, war für mich tatsächlich im Ausland. […] Da wurde es ganz stark und ganz normal thematisiert. […] Also als das Normale, was es eben auch ist, oder? Du liebst jemanden, punktum. Im anglophonen Raum existiert ja ohnehin ein anderer Lehransatz als hier an den deutschen Unis. Die Professoren stehen viel mehr unter Druck Diskriminierung zu vermeiden. […] Wenn die das Diskriminierungsverbot nicht beachten, kann das für sie ganz ernsthafte Konsequenzen für die Karriere haben. Vielleicht entwickelt sich das in Deutschland auch irgendwann mal. X erinnert sich an einen Kurs über nordamerikanische Literatur des 20. Jahrhunderts, in dem unterschiedliche sexuelle Identitäten eine Rolle spielten. Dabei wurde so verfahren, dass das Thema Homosexualität beispielsweise bei der Analyse der Charaktere zur Sprache kam und auf einer Metaebene über emotionale und soziale Dimensionen diskutiert wurde. So musstest Du Dich nicht als Individuum selbst direkt damit auseinandersetzen, wenn es Dir unangenehm war, konntest aber fiktiv trotzdem ganz offen darüber diskutieren. Da haben das sogar die Typen gemacht, die auf ihrer Farm groß werden und außer dem Patriarchat nichts anderes kennen oder gelten lassen wollen. Das haben die Lehrkräfte total geschickt gemacht. Ich hab da, glaube ich, viel mitgenommen für meinen eigenen Unterricht. 260 Helene Decke-Cornill, Marc-Philip Hermann, Bettina Kleiner, Sven Rhein 4 Demnächst steht Calamus in einem von Ys Oberstufenkursen auf dem Programm. 37 (2008) Y hat angesichts des als langweilig erlebten Literaturunterrichts in der Schulzeit eigene literarische Entdeckungsreisen gemacht, angeregt von Dead Poets Society Walt Whitman gelesen, sich dessen Tagebuch besorgt, Sekundärliteratur herangezogen und dabei ein Interesse an Whitman entwickelt, das bis ins Erste Staatsexamen und die Gegenwart anhält. In der Schulzeit verschlang Y u.a. Catcher in the Rye. Wedekind war vielleicht auch noch interessant, aber das habe ich nur privat gelesen und im Schülertheater gesehen. […] Das war eher sogar ne Möglichkeit, sich nicht damit zu beschäftigen, weil es eben andere Figuren gab. Die, ohne dass es direkt um sexuelle Neigungen ging oder so was, große Probleme damit hatten, irgendwie in die Welt zu passen. In den Jahren des Erwachsenwerdens sucht Y also nach literarischen Räumen, die einerseits das Tabu des zensierten Themas schützen, andererseits aber Spiegelungen des Nichtrecht-in-die-Welt-Gehörens erlauben und dabei stellvertretend eine symbolische Auseinandersetzung mit dem inneren Erleben des Außenseitertums ermöglichen. Bei beiden Befragten spielen literarische Erfahrungen vor der eigenen Lehrtätigkeit eine Rolle für den eigenen Unterricht: X nennt vor allem den Umgang mit Vielfalt im Auslandsstudium und die Beobachtung des methodischen Vorgehens der Lehrenden, Y als abschreckendes Vorbild die Beliebigkeit und Irrelevanz des englischen Literaturunterrichts, von dem keine Erinnerung geblieben ist, und das Interesse an Whitman. 4 Analog zu den Auffassungen zum Verhältnis von privater und beruflicher Identität zeigen sich auch in den Aussagen zum Literaturunterricht zunächst Unterschiede zwischen X und Y, dann aber auch zahlreiche Übereinstimmungen. 2.5.2 Literatur als Anlass, die eigene Identität zu offenbaren Für Y, nicht aber für X, bieten literarische Texte u.a. die Gelegenheit, die eigene Identität offen zu legen, jedenfalls auf der Sekundarstufe II. Auf der Sekundarstufe I wäre das Outing dagegen für Y unabdingbare Voraussetzung für den Einbezug von Literatur mit nicht-heterosexuellen Themen. Erneut zeigt sich die hohe Bedeutung der Offenheit bei Y. Y ergreift offensiv Möglichkeiten, gerade die gesellschaftlich ausgegrenzten Momente der eigenen Persönlichkeit aufzudecken und Homosexualität als Bestandteil von Realität zu zeigen. Schon im Vorfeld des innerschulischen Coming-out bezog Y in eine Reihe kürzerer Hörspiele zu Halloween eines mit einem schwulen Protagonisten ein. Y wollte u.a. erfahren, wie die Schülerinnen und Schüler mit dem Thema umgehen würden. Das habe ich recht bewusst damals ausgewählt, wobei das noch vor meinem Outing war, um sie herauszufordern, weil das noch mal ein Stück, dachte ich, provokativer war. […] Die Auflösung, dass der Protagonist schwul war und endlich mit seinen Eltern darüber reden sollte, das konnten sie dann alle unterstützen. Von der bevorstehenden Arbeit zu Buddha of Suburbia, den die Schülerinnen und Schüler für die gemeinsame Lektüre ausgewählt haben, erwartet Y eine weitere Möglichkeit der Offenlegung der eigenen Identität. „Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert? “ ... 261 37 (2008) 2.5.3 Funktionen des Literaturunterrichts Y zufolge ist es Aufgabe des Literaturunterrichts, den Horizont der Lernenden zu erweitern. Es geht darum, dass die Schüler auch andere Welten kennen lernen. Und Welten, in denen sie vielleicht ein bisschen Vertrautheit erleben, das finde ich immer das Spannende gerade in Entwicklungsromanen, das zu machen. Wo also Sachen wiedererkannt werden und ein großer Teil verfremdet ist. Also nicht komplett fremde Sachen zu lesen. Ich glaube, ich könnte Gullivers Reisen z.B. nicht gut mit den Schülern lesen. […] Ich mach lieber Hamlet als Macbeth mit ihnen, weil ich glaube, dass sie an Hamlet doch näher dran sind. An einem jungen, verwirrten Menschen eher als an einem Machtbesessenen, von der Ehefrau Verführten. […] Auch wenn ihnen Macbeth Spaß macht, ohne Frage. Ys Ansatz lässt das Konzept der Verfremdung, der defamiliarization (s. Abschnitt 3) erkennen: Ich versuche eher dieses Wiederentdecken und Wiedererkennen und Verwirren zu spielen, was, glaube ich, ein Grundkonstrukt von Literatur ist. Literaturtheoretische und literaturdidaktische Dimensionen gehen hier ein Bündnis ein: Literatur erweist sich also bei Y schon als didaktisch. Die Frage, ob es legitim sei, Literatur für aufklärerische Zwecke wie die Kritik an Heteronormativität zu instrumentalisieren, bejaht Y: Natürlich kann man das machen, ich glaube, man sollte es auch machen, weil es viel einfacher für die Schüler ist, die Sachen und unter Umständen sich selbst über den Literaturzugang zu erkennen als einfach nur theoretisch über Sachtexte das Thema zu erschließen. Neben der Möglichkeit des Erkennens von Selbst und Welt verspricht sich Y von Literatur für die Lernenden den fachlich gebotenen Anreiz zur Kommunikation. In einer Einheit über Multikulturalismus behandelte Y eine südafrikanische Kurzgeschichte, deren Protagonist sich über ein Luxusauto definiert, in Verbindung mit einer Geschichte von Qaisra S HARAZ , „A Pair of Jeans“, in der die Selbststilisierung durch Kleidung eine Rolle spielt: Im Laufe der Diskussion habe ich diese Texte ganz eindeutig dann dazu missbraucht überzuleiten zu der Fragestellung: Was passiert eigentlich in unserer Konsumwelt mit unseren Identitäten? Wieweit definieren wir uns über Sachen, die wir kaufen? Das habe ich dann auch konsumtheoretisch unterlegt. […] Aber das finde ich vollkommen legitim, auf Grundfragen der Menschlichkeit nenne ich das jetzt mal, auch wenn das nicht der Themenbereich im Rahmenplan ist, den ich gerade bearbeite, auch über Literatur hinzuleiten. Man darf nicht vergessen, dass es auch darum geht, dass sie Sprachkontakt bekommen, dass sie in Gesprächssituationen gebracht werden, wo sie relativ authentisch anfangen sich zu streiten. 2.5.4 Methodische Inszenierungen Die beiden Befragten haben als Ziel vor Augen, dass die Schülerinnen und Schüler untereinander die Bedeutung von Texten aushandeln, sie selbst aber in den Hintergrund treten können. 262 Helene Decke-Cornill, Marc-Philip Hermann, Bettina Kleiner, Sven Rhein 37 (2008) Y: Das ist so mein Hauptziel, dass ich überhaupt nichts mehr machen muss, dass sie nicht mit mir reden, sondern dass sie miteinander diskutieren. Und das ging bei diesen Kurzgeschichten um Werbung ganz gut, um Identität, um Markensachen oder so. So oft wie möglich beteiligt Y die Schülerinnen und Schüler an der Literaturauswahl und bietet ihnen häufig eine Auswahl an Texten oder Filmen an - in einem Leistungskurs, in dem das Thema Geschlechterrollen, Geschlechterstereotypen Lerngegenstand sein sollte, z.B. Gilmore Girls, Brokeback Mountain u.a. Hier entschieden sich die Lernenden für Brokeback Mountain. Schüler-Schüler-Interaktionen über einen literarischen Text, aber auch über einen Schüleressay, lassen auch für X den Schülerinnen und Schülern Freiräume für die Formulierung von Gedanken ohne Rücksicht auf das vermutete Lehrerurteil. Nicht die Lehrperson gibt die Denkrichtung vor, sondern diese entwickelt sich in den Aushandlungsprozessen der Schülerinnen und Schüler über ihre unterschiedlichen Deutungen. Wenn ich die Methode entsprechend wähle und mich vor allem selber als Lehrperson nicht als homosexuell, Frau/ Mann, christlich/ muslimisch positioniere, sondern versuche, mich möglichst neutral zu verhalten, dann schaffe ich, vor allem in der Pubertät, ein neutrales Feld, auf dem sich die Schüler unterhalten können und dann unter Umständen für sich selbst die Freiheit haben, innerlich über das eigene Ich nachzudenken. Das ist eben der Clou: Du musst die angemessene Distanz zu den Schülern respektieren und ihnen Raum zum Nachdenken lassen. Du selbst bist eben nicht wichtig, auch wenn viele Lehrer denken, sie haben das Sagen. Der Schüler ist wichtig. Aber wenn sie dich dann drauf ansprechen, ob du Berührungspunkte jetzt beispielsweise mit Homosexualität oder eben homosexuell oder bi oder sonst was bist, dann musst Du auch dazu stehen. Sonst bist Du total unglaubwürdig. Ansonsten ist bei der Literaturanalyse die Methode das A und O. In der Deutungsoffenheit literarischer Texte und dem Deutungsspektrum der Rezeption sieht X ein wichtiges Potenzial. Entscheidend seien am Ende aber Lehrperson und methodische Inszenierungen. Als Beispiele für die Förderung von Reflexion und Empathie nennt X die Möglichkeit, Texte unter der Fragestellung zu betrachten, ob sie von männlichen oder weiblichen Autorinnen und Autoren verfasst wurden, oder, bei kreativen Schreibaufgaben und Rollenspielen, eine Auswahl von Erzählperspektiven - sexual identity, religious identity, ethnic identity - zur Wahl zu stellen. 2.5.5 Erfahrungen mit Rezeptionsprozessen Dass Lesen eine deutende und sinnstiftende Aktivität der Lesenden ist, die dabei mit ihren Vorannahmen operieren, ist eine schemawie rezeptionstheoretische Binsenweisheit. Aber in der Realität ist der Blick auf diese Vorannahmen meist verstellt, sie sind uns fremd. Deshalb sind im Sinne der Selbstreflexion und der Auseinandersetzung mit eigenen Wahrnehmungsvoraussetzungen Inszenierungen wie die unter 2.5.4 genannten sinnvolle Praxis. X berichtet im Interview aber auch von einem Unterrichtserlebnis, in dem ohne lehrergesteuerte Inszenierung sowohl X selbst als auch die Schülerinnen und Schüler mit ihren Vorannahmen konfrontiert waren. X unterrichtet die Klasse bereits im dritten Jahr und die Schülerinnen und Schüler sind entsprechend für die gay-Perspektive „Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert? “ ... 263 5 Als Beispiel nennt X Fred Leebrons „Water“ (1997). 37 (2008) schon sensibilisiert, als X ihnen „The Dragon“ von Cynthia F ORDER vorlegt. In der Geschichte geht es um Bob und Kay, die seit der Kindheit befreundet sind und sich jetzt, als Jugendliche, nicht mehr wohl miteinander fühlen. In dieser Kurzgeschichte gibt es keine Personalpronomen, die das Geschlecht eindeutig markieren. In der Diskussion meinte eine Schülerin plötzlich: Ja, aber das kann doch gar nicht sein, es sei denn, die sind schwul. In der Geschichte heißt es: He touched my shoulder again gently. I could like you, Kay, I really could, but the truth isn’t important to you. […] Für die Schüler wirkte das erst komisch. Sie waren spontan der Meinung, Jungs würden sich untereinander nicht so verhalten, es sei denn sie wären schwul. Meine Schüler waren in dem Moment ganz süß irgendwie. Sie meinten dann, na ja, wenn die eben schwul sind, oder der eine den andern halt liebt, ist doch okay. Es war dann total spannend, weil ich dann meinte: Stopp. Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert? Lasst uns mal losgelöst vom Text sprechen. Das hat uns dazu gebracht, dass wir gemeinsam über unsere eigenen stereotypen Geschlechterkonstruktionen gesprochen haben. Und auch darüber, inwieweit unser Umfeld uns zwingt, ner gewissen Norm standzuhalten. Kay kann sowohl als männlicher als auch als weiblicher Vorname gebraucht werden und ist damit ein uneindeutiger Vorname, der von X weiblich und der Klasse männlich vereindeutigt wird. Diese Irritation, der damit möglicherweise entstehende homosexuelle Subbzw. Alternativtext und die nachfolgende selbstreflexive Diskussion von Stereotypen und von gesellschaftlichen Geschlechterkonstruktionen motivieren X, gelegentlich ähnlich offene Texte wieder einzusetzen. 5 Gemeinsame und selbstbezogene Reflexion ist aber nicht immer möglich. Der Unterricht zu Brokeback Mountain, von dem Y berichtet, trifft bei einem Schüler auf massive Abwehr. Es gab Szenen, da hat ein muslimischer Schüler den Kopf nicht vom Tisch gehoben und nicht hingeguckt und ist auch zu einer Stunde mit Absicht nicht gekommen, als klar war, dass wir explizit über Homosexualität reden werden. Den mehrheitlich von dem Kurs gewählten und mit Interesse diskutierten Film erlebt dieser Schüler als Verletzung seiner Grenzen. In den Interviews bringen X und Y übereinstimmend zum Ausdruck, dass sie für solche Situationen, in denen sie mit massiven Abwehrhaltungen konfrontiert werden, keine schnelle Antwort haben. 2.6 Zwischenbilanz Bei der Lektüre der Interviews entsteht der Eindruck von dünnem Eis, auf dem sich nichtheterosexuelle Lehrkräfte bewegen. Der Umgang mit ihrer persönlichen Identität wird zu einer ständigen und widersprüchlichen Aufgabe in einer Institution, die mit Vielfalt nichts anzufangen weiß. In diesem Kontext nutzen die beiden direkte und indirekte Verfahren der Gegenrede gegen Normativität, wie sie auch in der kritischen Literaturdidaktik vertreten werden. Sie erweitern das Spektrum an Texten und Filmen und verhelfen den Lernenden zu Begegnungen mit unbekannten, manchmal verstörenden Welten und damit 264 Helene Decke-Cornill, Marc-Philip Hermann, Bettina Kleiner, Sven Rhein 37 (2008) zur „Entprovinzialisierung“ (R UMPF 1993: 108). Literatur wird in vielen ihrer Unterrichtsinszenierungen zur „third domain“ (B HABHA 1994: 38), in der Bedeutungen zwischen den Lernenden untereinander und zwischen Lernenden und Lehrenden ausgehandelt werden können und die Chance des Kennenlernens neuer Sichtweisen genutzt wird. Texte und vor allem methodische Inszenierungen laden zur Übernahme unvertrauter Perspektiven und zur Reflexion selbstverständlich gewordener Annahmen ein. Behutsam oder mit Leichtigkeit (X) oder eher offensiv und nachdrücklich (Y) verfolgen die beiden Lehrkräfte - ohne einander zu kennen - das Ziel der Normalitätskritik. Sie operieren auf schmalem Grat: Sie müssen die Grenzen der Lernenden erspüren und auf deren Widerstand reagieren; sie müssen die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler, die „vielleicht für sich in diese nicht-heterosexuelle Richtung denken“ (X) und in der Schule keine Spiegelung ihrer Normalität erfahren, berücksichtigen; und sie müssen den pädagogischen Auftrag und Selbstanspruch erfüllen, die offene Spannbreite von Lebensweisen allen Lernenden in Bildungsprozessen zugänglich zu machen. In seiner Anerkennungsphilosophie setzt sich Axel H ONNETH (2003) mit George H. M EAD auseinander, der das Spannungsverhältnis zwischen den verinnerlichten Normen des Gemeinwesens und dem subjektiven Selbstverwirklichungsstreben in die dynamische Dichotomie des Mich und des Ich gefasst hat. M EAD entwickelt dabei folgendes Verständnis von Selbstbehauptung: Zur ‚Selbstbehauptung‘, wie Mead sagt, also zur Verteidigung der Ansprüche seines ‚Ich‘ gegenüber der gesellschaftlichen Umwelt, ist das Subjekt nur in der Lage, wenn es sich anstatt in die Perspektive des existierenden Gesamtwillens in diejenige einer erweiterten Rechtsgemeinschaft hineinversetzt; das ideale ‚Mich‘, das es damit in sich errichtet, gewährt ihm über den moralischen Bruch mit dem Gemeinwesen hinweg die intersubjektive Anerkennung, ohne die es eine persönliche Identität nicht aufrechterhalten kann (H ONNETH 2003: 133 f). Diese Denkfigur lässt sich für unseren Zusammenhang adaptieren. Die Aussagen der Interviewten verraten etwas von der Kraft, die das Fehlen der „Zustimmung des ‚generalisierten Anderen‘“ (ibid.: 136) zu einem Aspekt ihrer Identität sie kostet, die ihnen aber auch aus der Auseinandersetzung damit erwächst. Gegen Heteronormativität setzen sie auf Vielfalt und erweiterte Anerkennungsverhältnisse in der Schule. Dass diese nicht nur den Lehrenden und Lernenden in dieser Institution, sondern der Institution selbst zum Gewinn gereichen, kann man bei H ONNETH (2003: 310) nachlesen: Einerseits bemißt sich die Chance einer positiven Selbstbeziehung für die Subjekte selber an Bedingungen, die einen gesellschaftlichen Charakter besitzen, weil sie aus normativ geregelten Formen der wechselseitigen Anerkennung bestehen; andererseits bemißt sich die Chance einer bestimmten Gesellschaft, auf die ungezwungene Zustimmung der eigenen Mitglieder zu stoßen, an ihrer Fähigkeit zur Organisation von Anerkennungsverhältnissen, die die individuelle Entwicklung solcher positiven Formen der Selbstbeziehung ermöglichen. „Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert? “ ... 265 37 (2008) 3. Literatur, Entnormalisierung und die Literaturdidaktik der Anerkennung Zum Abschluss unternehmen wir nun eine literaturtheoretische und -didaktische Einbettung der Interviewaussagen. Wir verorten die Positionen der Lehrkräfte in den Kontext der Literaturdidaktik der Anerkennung (D ECKE -C ORNILL 2007), die u.a. von Guy C OOK inspiriert ist. In Discourse and Literature entwickelt C OOK (1994: 182) eine Theorie des Literarischen „as a dynamic interaction between linguistic and text-structural form on the one hand, and schematic representations of the world on the other, whose overall result is to bring about a change in the schemata of the reader“. C OOK s Theorie von der schemaverändernden Wirkung von Literatur ist inspiriert von den russischen Formalisten und ihrem Konzept der defamiliarization. Victor Shklovsky, einer ihrer wichtigen Vertreter, hatte bereits in seiner frühen Schrift The Resurrection of the Word (1914) gefordert, Literatur müsse zum Sehen und nicht zum Wiedererkennen verhelfen, nur dann habe sie die Macht, „the glassy armour of familiarity“ (zit. in T HOMPSON 1988, preface) zu zerstören. Die Formalisten hatten allerdings mit außerliterarischen, gesellschaftlichen Normierungen und ihrer Neubetrachtung in und durch Literatur nicht viel im Sinn. Ähnlich wie die New Critics betrachteten sie das literarische Werk als autonom und thematisierten nur literaturimmanent die disruptive Einflussnahme abweichender literarischer Formen auf kanonisierte Sprach- und Textstruktur, nicht jedoch ihre mögliche Wirkung auf außerliterarische kanonisierte Denkvorstellungen und Diskurse. Mit diesem Versuch der Entsubjektivierung von Literatur unterlagen sie einem logischen Widerspruch, den C OOK am Schlüsselbegriff defamiliarization nachzeichnet. Though a neologism, the word ,defamiliarization‘ may be regarded as a nominalization of a verb. This verb would be transitive and always predicate an object, with an optional adjunct ,for x‘. The text defamiliarizes something for someone. The something is the world (though in a sense which includes texts and language) and the ,someone‘ must be the reader. The use of the nominal, however, enables the formalists to avoid both implications (1994: 207). Defamiliarization lässt sich ohne Bezug auf die Akteurinnen und Akteure von Literatur, die Schreibenden und die Lesenden also, nicht denken. Es kann keine objektive Eigenschaft von Literatur sein, dass sie Vertrautes verfremdet und Normiertes entnormalisiert. Ob etwas selbstverständlich geworden ist, ist eine Frage der individuellen, sozialen und historischen Bedingungen. Befremdliches kann seine Befremdlichkeit verlieren, Vertrautes befremdlich werden, und was für den einen befremdlich ist, ist es für die andere nicht. Zwar bietet Literatur einen Raum für die Entroutinisierung naturalisierter Diskurse und für die Artikulation neuer, aber sie ist dabei angewiesen auf die Bereitschaft der Rezipientinnen und Rezipienten, sich befremden zu lassen. Diese kann im Unterricht tatkräftig gefördert werden. Denn Unterricht bietet zwei spezifische, die Privatlektüre überschreitende zusätzliche Dimensionen: Zum einen die Anschlusskommunikation, in der die individuellen Rezeptionsprozesse miteinander abgeglichen und dabei in ihrer Unterschiedlichkeit und Bedingtheit zur Sprache gebracht werden können. Zum anderen die Unterrichtsmethodik, die 266 Helene Decke-Cornill, Marc-Philip Hermann, Bettina Kleiner, Sven Rhein 37 (2008) helfen kann, normgeleitete Leseweisen zu erschweren. Uneindeutige Texte können zur Selbstreflexion genutzt werden, eindeutige veruneindeutigt werden, Textzusammenstellungen das Spektrum an Weltbegegnungen erweitern und Ausgeschlossenes einschließen, Aufgabenstellungen Verfremdung provozieren. Von diesen Möglichkeiten machen die Interviewten Gebrauch. Inwieweit ihre Zugänge lebensweltlich wirksam werden, ist eine Frage, die nicht beantwortet werden kann. Immerhin zeigt sich an einer Stelle, dass die Klasse, in der X seit drei Jahren Englisch unterrichtet, sensibel für die (Selbst-)Konstruktion normativer Geschlechterverhältnisse geworden ist. Literatur liefert keine praktischen Handlungs- und Denkanweisungen. Im Gegenteil: Sie stellt ja u.a. deshalb einen Raum der Gegenrede dar, weil sie als eigene sprachliche Domäne, fern vom alltäglichen Sprachhandeln, den Freiraum einer Randerscheinung besitzt. Mit C OOK gehen wir aber von der Annahme der „extraordinary effects of literary form upon the mind“ (1994: 256) und der Macht von Literatur „to disrupt and refresh ,the glass armour of the familiar‘“ (ibid.) aus. Sie kann sich gegen die monologische Herrschaft verbreiteter, einverständiger Diskursarten auflehnen, deren Gemachtheit und Bedingtheit aufzeigen und damit dazu beitragen, Welt und Selbst in neuem Licht zu sehen. Hier deutet sich eine Übereinstimmung zwischen literarischen Rezeptionsprozessen und Bildungsprozessen an. Bildungsprozesse sind Prozesse der Prüfung, Revision und Transformation von Welt- und Selbstverhältnissen. Sie implizieren, dass vereinfachende Denk- und Vorstellungsmuster reflektiert und Ambiguität, Widersprüchlichkeit und Differenz vorstellbar werden. Dazu bedarf es einerseits der Erweiterung des Blicks und andererseits der Irritation, d.h. konstruktivistisch gesprochen der Perturbation, formalistisch gesprochen der defamiliarization. Dieses Bildungspotenzial von Literatur nutzen die Interviewten auch für die Dekonstruktion von Heteronormativität - zur Nachahmung und Weiterentwicklung empfohlen. Literatur B HABHA , Homi (1994): The Location of Culture. London: Routledge. B IECHELE , Ulrich / R EISBECK , Günter / K EUPP , Heiner (2001): Schwule Jugendliche: Ergebnisse zur Lebenssituation, sozialen und sexuellen Identität. Dokumentation. Hannover: Niedersächsisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales. B UTLER , Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. C OOK , Guy (1994): Discourse and Literature. Oxford: OUP. D ECKE -C ORNILL , Helene (2004): „‚Identities that cannot exist‘: Gender Studies und Literaturdidaktik“. In: B REDELLA , Lothar / D ELANOY , Werner / S URKAMP , Carola (Hrsg.): Literaturdidaktik im Dialog. Tübingen: Gunter Narr, 181-206. D ECKE -C ORNILL , Helene (2007): „Literaturdidaktik in einer ‚Pädagogik der Anerkennung‘: Gender and other suspects“. In: H ALLET , Wolfgang / N ÜNNING , Ansgar (Hrsg.): Neue Ansätze und Konzepte der Literatur- und Kulturdidaktik. Trier: WVT, 239-258. F ORDER , Cynthia (o.J.): „The Dragon“. http: / / star-trek-galaxy.net/ forums/ showthread.php? postid =8435, 20.2.08. GEW (Hrsg.) (2001): Lesben und Schwule in der Schule - respektiert! ? Ignoriert! ? Eine Synopse der „Fällt Euch eigentlich auf, was hier gerade passiert? “ ... 267 37 (2008) GEW-Befragung der Kultusministerien. Frankfurt/ Main. H ONNETH , Axel (2003): Kampf um Anerkennung. Frankfurt/ Main: Suhrkamp. (erweiterte Ausg.) H USCHENS , Anne / M ÜCKE , Detlef / S CHWABE , Ruth (2001): „Schule als ein Raum für Erfahrung von Alternativen“. In: GEW (Hrsg.): Lesben und Schwule in der Schule - respektiert! ? Ignoriert! ? Eine Synopse der GEW-Befragung der Kultusministerien. Frankfurt/ Main: GEW, 37-47. L EEBRON , Fred (1997): „Water“. In: T EPE , Thomas (ed.): 21 New Short Stories, Stuttgart: Klett. P RENGEL , Annedore (1995): Pädagogik der Vielfalt. Opladen: Leske+Budrich. 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