eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 43/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2014
432 Gnutzmann Küster Schramm

Andreas GRÜNEWALD, Jochen PLIKAT, Katharina WIELAND (Hrsg.): Bildung – Kompetenz – Literalität. Fremdsprachenunterricht zwischen Standardisierung und Bildungsanspruch. Seelze: Klett/Kallmeyer 2013, 208 Seiten [29,95 €]

2014
Frank Schöpp
138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 43 (2014) • Heft 2 die Auswahl der Forschungsteilnehmerinnen und -teilnehmer im Sinne einer Positivselektion herantragen. Weiterhin stellt sich die Frage nach dem Einfluss des Lernkontextes (Hélène M ARTINEZ ) und der Veränderbarkeit von Verhalten (Karin K LEPPIN ). Darüber hinaus wird dafür plädiert, die Erforschung kollektiver Identitäten ebenso in den Blick zu nehmen (Frank G. K ÖNIGS , Lutz K ÜSTER , Christiane L ÜTGE ). Weiterer Erforschung bedarf die Lehreridentität (Lutz K ÜSTER , Andreas M ÜLLER -H ARTMANN ). Daneben sind geeignete Forschungsinstrumente auszuwählen. Hans-Jürgen K RUMM zeigt, was Interviews leisten können, um individuelle Erfahrungen von Lernenden aufzuspüren. Aufschluss über Identitäten können weiterhin unterrichtliche Lernertexte und damit verbundene Unterrichtsbeobachtungen oder -aufzeichnungen geben (Michael K. L EGUTKE , Jutta R YMARCZYK ). Für die Erforschung von Lehreridentitäten werden informelle kollegiale Gespräche (Andreas M ÜLLER -H ARTMANN ) oder selbstreflexive Texte angeführt (Marita S CHOCKER , Nicola W ÜRFFEL ), zu deren qualitativer Analyse Karin V OGT ein phänomenologisches Modell vorstellt. Es ist der Komplexität des Konzeptes Identität wie dem Umfang des Sammelbandes mit den ganz individuellen Zugängen der Autor/ inn/ en zur Thematik geschuldet, dass hier nur ein resümierender Überblick über die abgebildete Diskussion gegeben werden kann. Interessante Einzelaspekte und komplexe Herleitungen theoretischer Zusammenhänge in den Beiträgen mussten zugunsten der größeren Linien vernachlässigt werden. Leser/ innen des Sammelbandes werden mit der Perspektive ihrer Forschung oder Praxis der Lehrerbildung und des Fremdsprachenunterrichts vielfältige Anregungen im reichhaltigen Gedankenspiel um das Konzept Identität finden. Der Sammelband sei allen zur vertieften Lektüre empfohlen, die weit mehr als einen raschen oberflächlichen Überblick über Definitionen und Forschungsansätze suchen und die sich stattdessen auf die Entdeckung neuer Verknüpfungen bekannter und neuerer Konzepte begeben wollen. Alles in allem stellt der Band eine Bereicherung der fremdsprachendidaktischen Diskussion dar. Siegen D AGMAR A BENDROTH -T IMMER Andreas G RÜNEWALD , Jochen P LIKAT , Katharina W IELAND (Hrsg.): Bildung - Kompetenz - Literalität. Fremdsprachenunterricht zwischen Standardisierung und Bildungsanspruch. Seelze: Klett/ Kallmeyer 2013, 208 Seiten [29,95 €] Die drei titelgebenden Begriffe Bildung, Kompetenz, Literalität stehen einerseits für die Arbeitsschwerpunkte Lutz K ÜSTERS , Professor für Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen an der Humboldt-Universität zu Berlin, dem diese Festschrift aus Anlass seines 60. Geburtstags im Jahr 2013 gewidmet ist, sie verweisen andererseits, wie die Herausgeber in ihrer „Einführung“ (9-17) betonen, auf wichtige Arbeitsfelder der aktuellen fremdsprachendidaktischen Diskussion. Entsprechend werden diese Arbeitsfelder in den 14 Beiträgen des Bandes aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Während die Autorinnen und Autoren auf der Buchrückseite als „Expertinnen und Experten aus Schule und Hochschule“ angekündigt werden, belegt ein Blick ins Inhaltsverzeichnis, dass mit einer Ausnahme alle Beitragenden aus dem Kontext universitärer Fachdidaktik stammen. Dies erklärt die Dominanz theoretisch ausgerichteter Texte. Dennoch, dies sei bereits vorab erwähnt, kommen bei der Lektüre der Aufsätze neben an theoretischer Reflexion interessierten Lesern auch Schulpraktiker auf ihre Kosten, die sich konkrete Anregungen für den Unterricht erhoffen - vorausgesetzt, sie sind bereit, die Beispiele auf ihre jeweiligen Kontexte zu übertragen. Dass kein Aufsatz andere Sprachen als die drei an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland am häufigsten gelernten modernen Fremdsprachen Englisch, Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 43 (2014) • Heft 2 Französisch und Spanisch berücksichtigt, ist aus der Sicht des Rezensenten ein Nachteil dieser Festschrift, der sich durch die sprachliche Aufstellung der Herausgeber erklären lässt. In jedem Fall erfährt der im Titel verwendete Begriff Fremdsprachenunterricht hier eine begrenzte Verwendung. Der ausgesprochen sorgfältig lektorierte Band ist in drei große Kapitel unterteilt, was dem Leser die Orientierung erleichtert: „Fremdsprachendidaktik zwischen Standardisierung und Bildungsanspruch“ (Teil I, fünf Aufsätze), „Kompetenzen und Lernaufgaben“ (Teil II, vier Aufsätze) und „Förderung von (Multi-)Literalität/ literacies durch multimodalen Input“ (Teil III, fünf Aufsätze). Während es sich bei den Autoren der Beiträge in den beiden ersten Kapiteln mehrheitlich um Vertreter der Fachdidaktik der romanischen Sprachen und Literaturen handelt, sind vier der fünf Beiträge im dritten und letzten Kapitel in der Fachdidaktik des Englischen zu verorten. Eröffnet wird Teil I mit einem Beitrag der beiden Englischdidaktiker Andreas B ONNET und Stephan B REIDBACH (20-35) zur Problematik der kompetenzorientierten Vermittlung und Überprüfung nichtsprachlicher Ziele wie literarisch-ästhetische und kulturelle Bildung. Die Autoren legen unterschiedliche Kompetenzbegriffe dar, zeigen die in der Diskussion um das Verhältnis von Kompetenzbegriff und den literarisch-ästhetischen Zielen des Fremdsprachenunterrichts divergierenden Grundpositionen auf und kommen schließlich zu dem Fazit, „dass die elementaren Probleme, welche die Rede von Kompetenzorientierung für einen an Bildungsprozessen der Lernenden interessierten Fremdsprachenunterricht […] aufwirft, gegenwärtig (noch? ) nicht als gelöst oder auch nur entschärft betrachtet werden können“ (34). Ebenfalls den so genannten „weichen Kompetenzen“ widmet sich die romanistische Fachdidaktikerin Christiane F ÄCKE (36- 46), die in ihrem Beitrag die Charakteristika der interkulturellen und der ästhetisch-literarischen Kompetenzen herausarbeitet und untersucht, wie diese zwischen Standardisierung und Individualisierung angelegt sind. Ihrem Fazit, dass diese Kompetenzen sich als „Prüfstein zur Integration von Bildung und Standards“ (45) erweisen werden, kann sich der Rezensent nur anschließen. Nach den sehr theoretischen Überlegungen von Jean-Paul N ARCY -C OMBES [47-59], der eine Modellierung von Lerngruppen als Netzwerke vorschlägt, zeichnet mit Daniela C ASPARI (60-73) eine weitere Vertreterin der Fachdidaktik der romanischen Sprachen den Stellenwert und die Ausrichtung des Umgangs mit literarischen Texten in zentralen bildungspolitischen Dokumenten der vergangenen 30 Jahre aus der Perspektive des Französischunterrichts nach. Die Autorin analysiert in diesem Zusammenhang den Berliner Rahmenplan von 1984, die Einheitlichen Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung (1989, 2004) sowie die Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003) und die Allgemeine Hochschulreife (2012). Während das älteste der untersuchten Dokumente, der Berliner Rahmenplan, vom New Criticism geprägten literaturdidaktischen Vorstellungen von Literaturunterricht folgte, bescheinigt C ASPARI den neuen Abiturstandards die zugrundeliegende Vorstellung literarischer Kompetenz. Zu Recht betont sie die Diskrepanz zwischen den in den Abiturstandards formulierten Zielen für die Auseinandersetzung mit literarischen Texten und dem extrem begrenzten Stellenwert von Literatur in der Sekundarstufe I. Ihre Forderung nach einer gründlichen Überarbeitung der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss ist folgerichtig. Abgeschlossen wird das erste Kapitel des Bandes mit einem Beitrag von Marita L ÜNING (74-84), die am Beispiel des Films Diarios de motocicleta - Die Reise des jungen Che konkrete Vorschläge zur Förderung des Bildungsanspruchs im Spanischunterricht sowie zur Persönlichkeitsbildung durch das Medium Film unterbreitet. Thema des Roadmovies des brasilianischen Regisseurs Walter Salles, das u.a. auf dem Tagebuch Diarios de motocicleta - Notas de viaje von Ernesto Che Guevara basiert, ist die Suche junger Menschen nach ihrem Platz im Leben. L ÜNING stellt in ihren Ausführungen überzeugend die Eignung des Films für den schulischen Spanischunterricht in der gymnasialen Oberstufe dar: So betont sie 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 43 (2014) • Heft 2 beispielsweise sein Potenzial für die Auseinandersetzung mit anderen Werten und Einstellungen oder die (nicht nur) für junge Erwachsene bedeutende Frage der Realisierung eigenverantwortlichen Handelns. Teil II des Bandes enthält vier Beiträge, die überzeugend darlegen, wie schwer messbare Kompetenzen einen festen Platz in einem kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht einnehmen können, ohne dabei individualisierende Aspekte aus dem Blick zu verlieren. Im ersten Beitrag dieses Kapitels beschäftigt sich Bernd T ESCH (86-97) mit Lernaufgaben zu Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz. Ein diese Kompetenzen nicht explizit berücksichtigendes Aufgabenkonzept bleibt dem Autor zufolge „hinter dem aktuellen Stand der Didaktik zurück“ (89). An einem konkreten Beispiel für den Französischunterricht ab dem Ende des ersten Lernjahres, einer Nouvelle histoire minute von Bernard Friot, führt T ESCH aus, wie sich die der Methodenkompetenz zuzuordnenden Aspekte Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz bereits im Anfangsunterricht operationalisieren lassen. Auch Marcus B ÄR (98-109) setzt sich mit der Rolle von Lernaufgaben in einem kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht auseinander. Er illustriert am Beispiel einer von Studierenden des Spanischen entworfenen Lernaufgabe zu den Fertigkeiten Hör(seh)verstehen und Sprechen sehr anschaulich deren besonderes Potenzial zur Förderung von Individualisierung. Interkulturelle Kompetenzen stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Mark B ECHTEL (110-122). Der Autor stellt eine Aufgabe der Einstiegseinheit des ersten Bandes des im Klett-Verlag erschienenen Französischlehrbuchs Découvertes - Série jaune (2012) vor und untersucht, welche der in den Bildungsstandards zur Förderung der interkulturellen Kompetenz festgeschriebenen Komponenten darin berücksichtigt werden. Abgerundet wird der Beitrag durch Überlegungen zur optimierten Konzeption von Aufgaben zur Förderung interkultureller Kompetenzen. Ein Berliner Weggefährte des Jubilars K ÜSTER , der Englischdidaktiker Wolfgang Z YDATIß (123-136), beschließt Teil II des Bandes mit einem ausführlichen Plädoyer für eine deutschlandweit einheitliche kompetenzbasierte Abschlussprüfung in der ersten Fremdsprache, der er das Konstrukt sachfachrelevanter, aber fächerübergreifender fremdsprachiger Diskurskompetenzen zugrunde legt. Dieses „Kernabitur“ solle sich am Richtziel der Studierfähigkeit der immer heterogener werdenden Gruppe der potenziellen Hochschüler orientieren. Im ersten Beitrags des dritten Teils beschäftigt sich Wolfgang H ALLET (138-149) mit multimodalen Romanen, in denen jugendliche Ich-Erzähler Erlebnisse und Erfahrungen aus bestimmten Phasen ihres jungen Lebens aufzeichnen und darlegen. Der Autor bescheinigt diesen Romanerzählungen eine bedeutende quantitative Entwicklung seit der Jahrtausendwende und legt anhand ausgewählter Beispiele das Potenzial multimodaler fiktionaler Selbsterzählungen für die ästhetische Bildung und die Förderung einer multiliteralen Lese- und Verstehensfähigkeit im Fremdsprachenunterricht dar. Dagmar A BENDROTH -T IMMER und Jose A GUILAR (150-162) stellen in ihrem Beitrag das Projekt „Siegen-Paris“ vor, ein kooperatives deutsch-französisches Lernprojekt mit internationalen Master-Studierenden, die den Beruf des Fremdsprachenlehrers anstreben. Die Schwerpunkte des maßgeblich über die Moodle-Plattform der Universität Siegen laufenden Projekts, in dessen Rahmen die Studierenden in Lerntandems wissenschaftliche Texte zur Spracherwerbsforschung, zur Fremdsprachendidaktik und zum Einsatz digitaler Medien bearbeitet haben, lagen in der Förderung der Lernerautonomie der Studierenden, ihrer mehrsprachigen und interkulturellen Kooperation sowie ihrer Multiliteralität. Anhand einer Fallstudie belegen die Forscher den Einfluss der Lernumgebung auf die Einstellung je einer deutschen und französischen Projektteilnehmerin zum Fremdsprachenunterricht. Die Ergebnisse dieses Projektes, insbesondere im Bereich der Reflexionsebene der Studierenden, sollten Anlass geben, über eine Verankerung ähnlicher Veranstaltungen in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrern nachzudenken. Zwei weitere Beiträge aus der Englischdidaktik sind Teilaspekten der Arbeit mit Filmen im Fremdsprachenunterricht gewidmet. Ausgehend von der untergeordneten Rolle literatur- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 43 (2014) • Heft 2 ästhetischer Texte in der aktuellen administrativen Modellierung des Fremdsprachenunterrichts skizziert Helene D ECKE -C ORNILL (161-178) ein an der Universität Hamburg bearbeitetes Forschungsprojekt, in dessen Mittelpunkt Schülergespräche über komplexe literarische oder filmische Texte stehen. Einem vergleichsweise alten Medium, dem Filmposter, ist der Beitrag von Britta V IEBROCK (179-193) gewidmet. Sie zeigt, dass sich das Potenzial von Filmpostern keineswegs in ihrer klassischen unterrichtlichen Verwendung als erster Zugang zu einem Film, auf dessen Basis Hypothesen über Thema und Inhalt angestellt werden, erschöpft. Überzeugend legt V IEBROCK dar, dass insbesondere die Analyse der Machart und der Funktionen von Filmpostern als kulturellen Produkten einen wertvollen Beitrag zur visual literacy leisten kann. Abgeschlossen wird der Band mit einem Beitrag von Daniela E LSNER (194-205). Die Autorin fordert für den Fremdsprachenunterricht eine stärkere Berücksichtigung von Textsorten, die sich durch das Zusammenspiel von Bild, Text und Symbol auszeichnen. Graphic novels, so E LSNER , stellten eine solche Textform dar, „die keineswegs schoolish wirkt“ (196) und sich zur Förderung fremdsprachiger literacies eigne, an deutschen Schulen jedoch bislang unterrepräsentiert sei. Die Ausführungen der Englischdidaktikerin dürften insbesondere Lehrkräfte ermutigen, sich auf diese multimodalen Texte einzulassen und ihr Potenzial für den eigenen Unterricht zu reflektieren. Insgesamt handelt es sich um einen Band, der eine Reihe hochinteressanter Überlegungen zur Frage vereint, wie der Fremdsprachenunterricht mit Standardisierungsansprüchen umgehen kann, ohne dabei einen weit gefassten Bildungsanspruch aufzugeben. Der Wunsch der drei Herausgeber, die Vielfalt der Beiträge möge die zahlreichen Impulse widerspiegeln, „die Lutz Küster zur Diskussion um die Standardisierung des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland beigesteuert hat“ (16), ist, wie die Lektüre des Profils des Jubilars in der Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik 1 belegt, aus Sicht des Rezensenten in Erfüllung gegangen. Wer an der Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts interessiert ist, wird in diesem Sammelband auf eine Vielzahl von Anregungen zum Weiterdenken stoßen. In diesem Sinne ist der Festschrift eine breite Leserschaft zu wünschen. Frankfurt/ M. F RANK S CHÖPP 1 Vgl. Küster (2013): „Profil: Prof. Dr. Lutz Küster (HU Berlin)“, in: Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik 7.2, 273-280.